Stapellauf des Riesendampfers „Imperator“ in Gegenwart des in Hamburg.
Originale, großformatige Farb-Offsetlithographie von 1912.
Druck von C. Angerer & Göschl.
Nach dem Originalgemälde von Willy Stöwer.
In der Platte signiert.
An der rechten unteren Ecke mit eingeprägtem Adelswappen.
Größe 430 x 295 mm.
Mit vertikaler, mittiger Bugfalte.
Mit minimalen Alterungs- und Gebrauchsspuren, im Bereich der Bugfalte etwas wellig, sonst sehr guter Zustand.
Hervorragende Bildqualität auf Kunstdruckpapier – extrem selten!!!
100%-Echtheitsgarantie – kein Repro, kein Nachdruck!!!
Besichtigung jederzeit möglich.
100% guarantee of authenticity - not a reproduction, not a reprint!
Visit any time.
Bitte warten, hier kommt gleich ein großes Bild!!!
Aus großem Bildarchiv, weitere Angebote in meinem ebay-shop!
Out of a large archiv, more offers in my ebay shop!
Das Angebot wird als Sammlerstück verkauft - Urheberrechte sind im Kauf ausdrücklich NICHT enthalten!!!
This offer is sold as a collector's item only and no copyrights are being sold here.
Weitere historische Originale finden Sie in meinem ebay-shop!!!
For more original historical prints please take a look in my ebay-shop!!!
Versand ausschließlich per Einschreiben.
Zu Rückgabe und AGB bitte mich-Seite beachten. Die dort hinterlegten Informationen sind verbindlicher Bestandteil dieses Angebots/dieser Artikelbeschreibung!1912, 20. Jahrhundert, Adel, Akademische Kunst, Akademische Malerei, Altdeutschland, Aristokratie, Beruf, Berufe, Berufsleben, Berufswelten, Berufswesen, Branchen, D-20097 Hamburg, D-20359 Hamburg, D-20457 Hamburg, D-20459 Hamburg, Dampfer, Dampfschiff, Dampfschiffe, Deutsche Geschichte, Deutsche Kriegsmarine, Deutsche Marine, Deutsche Wirtschaft, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Deutsches Kaiserreich, Deutsches Reich, Deutschland, Doppelschrauben-Urlauberdampfer, Firmengeschichte, Flotte, Gemälde, German Empire, Germans, Germany, Gewerbe, Grafik, Graphik, Große Zeit, Gründerzeit, gute alte Zeit, Handel, Handelsmarine, Hanse, Hansestadt Hamburg, Heraldik, Historically, Historisch, Historische Bilder, History, Hochseeflotte, Hohenzollern, Imperial German Navy, Industrie, Kaiserliche Marine, Kaiserreich, Kreuzfahrt, Kreuzfahrten, Kreuzfahrtschiff, Kreuzfahrtschiffe, Kultur, Kulturgeschichte, Kunst, Kunstgeschichte, Luxusdampfer, Marine, Marinemaler, Marinemalerei, Maritim, Monarchie, Nautic, Nautik, naval, navy, nobels, Norddeutschland, Nostalgia, Nostalgie, Ortsansichten, Ortsgeschichte, Ortskunde, Passagierdampfer, Passagierschiff, Patriotika, Patriotismus, Reederei, Reisen, Schiff, Schiffahrt, Schiffbau, Schiffe, Schiffsbau, Schiffsverkehr, Seefahrt, Seereisen, Technik, Technikgeschichte, Tourismus, Übersee, Unsere Zukunft liegt auf dem Wasser, Unternehmen, Verkehrswesen, Wappen, Werft, Wilhelminische Ära, wilhelminische Epoche, Wilhelminisches Kaiserreich, Wilhelminisches Zeitalter, Wirtschaft, Wirtschaftsgeschichte, Zeitgeschehen, Zeitgeschichte, Zweites Kaiserreich, Zweites Reich Willy Stöwer, bekannter deutscher Marinemaler der Kaiserzeit. Geboren am 22. Mai 1864 in Wolgast; gestorben am 31. Mai 1931 in Berlin. Nach erster Tätigkeit unter anderem als Techniker an verschiedenen deutschen Werften, erhielt Stöwer bald erste Aufträge als Maler, Zeichner und Illustrator. Seine Maltechnik hatte er sich als Autodidakt angeeignet. Stöwer war Vorstandsmitglied des Deutschen Flottenvereins. Kaiser Wilhelm II. war ein begeisterter Anhänger und Förderer des Künstlers und besaß mehrere seiner Werke. Willy Stöwer begleitete den Monarchen zwischen 1905-1912 auf mehreren seiner Schiffsreisen. 1907 wurde ihm der Professoren-Titel verliehen. Besondere Bekanntheit erlangte Stöwers Darstellung des Untergangs der Titanic in der Zeitschrift Die Gartenlaube, ein Illustrationsauftrag, den er ohne wirkliche Informationen im Detail kurze Zeit nach der Katastrophe anfertigte. Dieses Bild wurde mit seinen Detailfehlern bis in unsere heutige Zeit vielfach im europäischen Raum zitiert und unzählige Male abgedruckt. Vergleichbar mit den Lebensläufen anderer Marinemalern aus der Kaiserzeit, wie z.B. von Hans Bohrdt, war mit der Abdankung von Kaiser Wilhelm II. und dem Niedergang der deutschen Seemacht und Handelsflotte seine große Schaffensperiode vorbei. Er erhielt nur noch wenige Illustrationsaufträge von deutschen Reedereien und hatte bis zu seinem Tod große Probleme, ohne die kaiserliche Gunst seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Von Beruf Schiffbauingenieur und am 22. Mai 1864 in Wolgast geboren, als Marinemaler der Kaiserzeit Autodidakt und von der Kunstkritik damals wie heute als Trivialist bewertet - nur unter diesem Blickwinkel würde Willy Stöwer und sein künstlerische Werk einer Ausstellung für ein breites Publikumsinteresse nur teilweise genügen. Wäre da nicht sein Wirken als Vorstandsmitglied und Propagandist des Deutschen Flottenvereins, sein publikumswirksames und besonders erfolgreiches Arbeiten, als Illustrator, Autor und Herausgeber von über 57 Büchern sowie seine Rolle als maßgeblicher Förderer des Deutschen Segelsports. Als Protegé Kaiser Wilhelm II. der ihm seine maritim-künstlerische Artverwandtschaft durch allerhöchste Gunst zeigte, wurde Stöwer als Künstler gesellschaftsfähig in einer Welt des Adels, des Militärs und des gehobenen Bürgertums. Die Facetten seines gesellschaftlichen Lebens und künstlerischen Wirkens, einzeln dargestellt und in den kulturhistorischen Kontext gebracht ergeben ein Zeitgeistpanorama, das viele Menschen faszinieren wird. Stöwer lebte und wirkte in der Hochzeit des Deutschen Kaiserreichs vor dem Ersten Weltkrieg und stürzte nach 1918, gleich dem Reich, in die deutsche Identitätskrise. 1884 veröffentlichte eine Zeitschrift den ersten "Stöwer", noch ohne den signifikanten Willy-Stöwer-Schriftzug, an dem seine späteren Bilder leicht identifizierbar sind. In den rund dreißig Jahren von 1890 bis zum Ende des ersten Weltkrieges 1918 schuf er sein Lebenswerk. Neben einer, bis heute noch nicht dokumentierten Zahl von Gemälden illustrierte er nicht nur Bücher, sondern lieferte Illustrationen für in- und ausländische Zeitschriften die in die Hunderte wenn nicht Tausende gehen. Der 1. März 1904 sollte für Willy Stöwer ein Schicksalstag werden. Vom Ober-Hofmarschall-Amt erhielt er die Einladung zur Teilnahme an der Mittelmeerreise des Kaisers auf S.M.Y.HOHENZOLLERN. Mit Illustrationsaufträgen der Illustrierten Zeitung in Leipzig und des Scherl-Verlages im Gepäck, begann er seine erste Reise im Gefolge Kaiser Wilhelms II, der noch mehrere Mittelmeer- und Nordlandfahrten folgen sollten. Geschickt nutzte er die neuen Kontakte. Mit Aufträgen reichlich versorgt malte und zeichnete er wie am Fließband und fand bald seine Anhängerschaft in Adelskreisen und im potenten Bürgertum. Die Missbilligung der Kunstkritik ärgerte ihn zwar aber sie konnte der Wertschätzung in seinen Kreisen nichts anhaben. Er war der bekannteste und erfolgreichste Marinemaler seiner Zeit. Der Erste Weltkrieg begann und Stöwer verstand seine Welt nicht mehr. Die Bitte, als Kriegsmaler auf einem Großkampfschiff mitfahren zu dürfen wurde aus prinzipiellen Gründen abgelehnt. Mit ganz wenigen Ausnahmen des eigenen Erlebens, Stöwer skizzierte und arbeitete einige Wochen an der Front in Flandern, fand sein Weltkrieg im Atelier in Berlin-Tegel statt. Die in Bezug der Informationen "ferngesteuerte" Darstellungsform, seine auf ökonomische Effizienz angelegte Arbeitsweise sowie seine mangelnde Fertigkeit bei der figürlichen Umsetzung von Szenen mit Menschen, bereiteten ihm im Laufe des Krieges Probleme bei seinen Verlagsauftraggebern. Akademisch ausgebildete Maler und Illustratoren wie Claus Bergen oder Felix Schwormstädt und einige andere, waren künstlerisch attraktiver und Stöwer wurde in die zweite Reihe zurückgedrängt. Er hatte seinen Zenit als Illustrator überschritten und widmete sich zunehmend der Auftragsmalerei. Nach dem Ende des ersten Weltkrieges existierte die Welt des Willy Stöwer nicht mehr. Seine Kunst, die das Genre der deutschen Marinemalerei stilbildend mitgestaltet hatte, war nicht mehr gefragt. Obwohl er in seinen letzten zehn Lebensjahren noch einige Gemälde der Nachwelt vermachte und ein Buch illustrierte, dass den Seekrieg von 1914 bis 1918 Revue passieren ließ konnte er an den Ruhm, den Einfluss und das Geldverdienen der Vorkriegszeit nicht wieder anknüpfen. Still und wenig beachtet starb er am 31. Mai 1931 in Berlin-Tegel, wo er über 45 Jahre lebte. C. Angerer & Göschl war eine Kunst-, Druckformenherstellungs- und Reproduktionsanstalt in Wien. Geschichte Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1870 von Carl Angerer (1838–1916), dem Bruder von Ludwig und Viktor Angerer von L. & V. Angerer sowie August I. Angerer von A. & V. Angerer. Die vier Brüder waren somit Gründer von drei voneinander unabhängigen Betrieben des fotografischen Gewerbe. Speziell Carl beschäftigte sich intensiv mit der chemigraphischen Zinkätzung und entwickelte die für die damalige Zeit revolutionäre Wiener Ätzmethode. Drei Jahre später wurde Carls Schwager Alexander Göschl (1848–1900) Partner. Im Jahr 1877 wird ein Fotoatelier gemietet und die Fotografie in die Reproduktionstechniken einbezogen. Der Betrieb setzt im Lauf der Jahre nahezu alle fotografischen Drucktechniken in der Praxis um und entwickelt neue Verfahren und präsentiert sich in zahlreichen in- und ausländischen Ausstellungen. Bereits in den frühen Jahren waren Carl Angerer und Alexander Göschl insbesondere auf dem Gebiet des autotypischen Bilddruckes in Europa marktbeherrschend. Für ihre Verdienste wurden die Inhaber zu k.k. Hof-Chemigraphen ernannt. Sie galten als kluge Firmenpolitiker, die durch gründliche Entwicklungsarbeit auf ihrem Weg immer besser technisierte Reproduktionsverfahren auf einem qualitativ hohen Niveau anbieten konnten. Der erste Standort war in der Hubergasse 15. Es gibt Aufzeichnung über Standorte in der Ottakringer Straße 33 ab 1880 und Ottakringer Straße 49 seit dem Jahr 1899. 1910 beschäftigte das Unternehmen 250 Mitarbeiter. 1916 übernahm Carls Sohn Alexander C. Angerer (1869–1950) das Unternehmen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden Filialen im Ausland eröffnet. Gemeinsam mit dem Verlag Ed. Hölzel & Co. und der Wiener Kunstdruck-Gesellschaft erwirbt das Unternehmen um 1920 das Patent für das Farbverfahren Uvachrome für die Länder Österreich, Ungarn, Jugoslawien und Rumänien. 1921 wird das Buch „Fünfzig Jahre Angerer & Göschl. 1871–1921“ veröffentlicht, eine Denkschrift zum 50-jährigen Unternehmensjubiläum. Alexander war von 1924 bis 1938 Präsident der Photographischen Gesellschaft. Der Schauspieler Helmuth Lohner und der Musiker und Maler Karl Hodina erlernten hier das Handwerk der Chemigraphie. Am 31. März 1983 wurde der Konkurs des Unternehmens beantragt. Ein neugegründetes Unternehmen hat den Namen übernommen und führt unter diesem heute eine herkömmliche Druckerei im 16. Wiener Gemeindebezirk. Auszeichnungen Voigtländerpreis; eine Medaille in Vermeil für hervorragende Leistungen in der Photozikotypie, besonders mit Zuhilfenahme des von ihnen angeführten Korn- und Tonpapiers im Jahr 1883 Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft von Kaiser Franz Josef I. im Jahr 1884 K. u. k. Hof-Kunstanstalt wg. Mitwirkung als Mitglied der Staatsnotenfabrikation im Jahr 1884. Imperator war ein Passagierschiff, das 1913 für die HAPAG-Linie gebaut wurde und später als RMS Berengaria für die Cunard Line fuhr. Es galt bis 1914 als das größte Schiff der Welt. Passagierkapazität 1913 Erste Klasse 592 Zweite Klasse 972 Dritte Klasse 942 Zwischendeck 1772 1922 Erste Klasse 972 Zweite Klasse 630 Dritte Klasse 606 Touristenklasse 515 Schwesterschiffe Vaterland (später Leviathan) Bismarck (später Majestic) Schiffsleben Vor dem Ersten Weltkrieg Der Imperator (die HAPAG benutzte auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. den männlichen Artikel) war der erste der gigantischen Passagierdampfer der HAPAG für den Nordatlantik. Die beiden anderen hießen Vaterland und Bismarck. Von diesem als Imperator-Klasse bezeichneten Trio machten lediglich der Imperator und die Vaterland Reisen unter der HAPAG-Flagge. Der Imperator wurde bei AG Vulcan in Hamburg gebaut, wo er am 23. Mai 1912 vom Stapel lief und bis April des darauffolgenden Jahres fertiggestellt wurde. Auf dem Weg von Hamburg in die Nordsee, wo die Probefahrten durchgeführt wurden, kam das neue Schiff kurzzeitig auf Grund, was nicht verwunderlich war, denn niemals zuvor war ein derart großes Schiff die Elbe hinuntergefahren. Während der Erprobungen in der Nordsee machte man allerdings kurz darauf eine folgenschwere Entdeckung: Man stellte fest, dass das Schiff topplastig war. Die geringste Ruderlage ließ das Schiff weit krängen und es dauerte sehr lange, bis es sich wieder aufrichtete. Die Jungfernfahrt sollte nur kurze Zeit später erfolgen, doch die Pechsträhne riss nicht ab: Bei einem Feuer, verursacht durch Schweißarbeiten, kamen fünf Menschen ums Leben. Die Reparaturarbeiten verursachten eine Verzögerung. Am 11. Juni 1913 lief der Imperator vom Steubenhöft in Cuxhaven zur Jungfernfahrt nach New York aus. Hierfür hatten die Berliner Grafiker Wilhelm Deffke und Carl Ernst Hinkefuß die Druckunterlagen gestaltet. In Southampton, Cherbourg und am Zielhafen wurde der Imperator als weltweit größtes Schiff herzlich empfangen. Es übertraf die bislang größten Passagierdampfer Titanic und deren Schwesterschiff Olympic um etwa 6.000 BRT. Darüber hinaus war der Imperator das erste Schiff der Welt, welches die 50.000 BRT-Marke überschritten hatte. Im Hafen von Hoboken brach erneut ein Feuer aus, das zwar schnell gelöscht werden konnte, aber das hereingepumpte Löschwasser verursachte sofort wieder eine bedrohliche Seitenlage. Die Abfahrt verzögerte sich zwar nur um zwei Tage, aber es musste etwas geschehen, um die Stabilitätsprobleme in den Griff zu bekommen. Damit beschäftigte man sich während eines Werftaufenthalts nach Beendigung der Reise, als auch der Brandschaden behoben wurde. Schwere Holzverschalungen wurden abgenommen und durch leichtere ersetzt, Korbstühle möblierten fortan die Gesellschaftsräume statt der bisherigen schweren Möbel, und viel eingebauter Marmor verschwand. Außerdem erhielt das Schiff mehr Ballast. Äußerlich sichtbares Zeichen dieser Bemühungen, den Schwerpunkt des Schiffes niedriger zu legen, war die Verkürzung der Schornsteine um fast drei Meter. Die Anstrengungen hatten Erfolg: Von nun an fuhr das Schiff immer aufrecht und war durch und durch stabil. Kriegszeit Seine letzte Reise unter der HAPAG-Flagge unternahm der Imperator am 8. Juli 1914. Er wurde nach der Rückkehr in Hamburg wegen des Kriegsausbruchs aufgelegt. Während dieser Zeit befand sich lediglich ein Wachmann an Bord, manchmal auch zwei. Nach dem Krieg Nach dem Waffenstillstand 1918 und dem Friedensvertrag von Versailles ging der Imperator als Teil der deutschen Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg zunächst am 5. Mai 1919 als Truppentransporter an die US Navy. Danach kam er unter das Management der britischen Cunard Line und ging im Februar 1920 auf seine erste Fahrt unter der Flagge der neuen Eigentümer von Liverpool nach New York. Im Februar 1921 wurde Cunard auch offiziell Eigentümerin des Schiffes und es wurde in Berengaria umbenannt. Sein Schwesterschiff Bismarck, inzwischen bei Blohm & Voss in Hamburg fertiggestellt und in das Eigentum der White Star Line überführt, erhielt den Namen Majestic. Im Dienst der neuen Eigentümer Als Berengaria verließ das Schiff erstmals Southampton am 16. April 1921. Im gleichen Jahr konnten endlich dringende Reparatur- und Überholungsarbeiten auf der Werft Armstrong Whitworth erledigt werden, die immerhin sechs Monate dauerten. Die Wohn- und Gesellschaftsräume wurden aufgearbeitet und die Kessel vom Kohle- auf Ölbrenner umgestellt. Das modernisierte Schiff wurde im Mai 1922 wieder in Betrieb genommen und schloss sich den Cunard-Dampfern Mauretania und Aquitania im Expressdienst von Southampton nach New York an. Dort blieb es für die kommenden 16 Jahre und machte sich einen guten Namen wegen seiner Zuverlässigkeit. Die Maschinenanlage arbeitete zur vollen Zufriedenheit, und das Schiff war für Cunard eine wertvolle Bereicherung der Flotte. Für Kapitän Arthur Henry Rostron war die Berengaria das letzte Schiff, welches er in seiner langen Karriere zur See kommandieren durfte. Der berühmte Kapitän der Carpathia, die im April 1912 die Schiffbrüchigen der gesunkenen Titanic barg, erwähnte sie in seinen Memoiren jedoch lediglich in einem Nebensatz als „das bequemste Schiff, auf dem er jemals gedient hätte“. Der schnelleren, kleineren, älteren, aber durch und durch „englischen“ Mauretania, die er von 1922 bis 1929 befehligte, widmete er hingegen ein ganzes Kapitel. Ihre letzten Jahre Nach der Vereinigung von Cunard und White Star 1935 waren auf dem Nordatlantik nur noch die Aquitania und die Berengaria übrig. Im Mai 1936 wurde die Queen Mary in Betrieb genommen und Cunard wollte die Berengaria eigentlich noch bis zur Indienststellung der Queen Elizabeth in Fahrt halten. Wegen des ständigen Brandrisikos jedoch - an Bord waren in der Zwischenzeit immer wieder kleinere Brände ausgebrochen - war das Schiff bei den US-Behörden in Ungnade gefallen und musste eines Tages leer die Heimreise antreten. Ein umfangreicher Umbau zur Verringerung der Brandgefahr schien den Eigentümern nicht lohnend, zumal das Schiff ohnehin nur noch ein paar Jahre in Fahrt sein würde, bis die Queen Elizabeth in Dienst gestellt werden konnte. Am 7. November 1938 wurde es also zum Abbruch verkauft und verholte nach Jarrow (South Tyneside). Der Zweite Weltkrieg stoppte den vollständigen Abbruch des Schiffes und der noch schwimmfähige Rest des Rumpfes wurde 1946 nach Rosyth (Schottland) geschleppt und dort abgewrackt. Die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG, auch Hamburg-Amerika Linie oder kurz Hapag) war eine deutsche Reederei, die am 27. Mai 1847 in Hamburg gegründet wurde. Die Linien der Reederei umspannten im Laufe der Zeit die ganze Welt, und das Unternehmen machte seinem Wahlspruch „Mein Feld ist die Welt!“ alle Ehre. Nach 123 Jahren fusionierte die HAPAG am 1. September 1970 mit dem Bremer Norddeutschen Lloyd zur Hapag-Lloyd AG. Geschichte Gründung Die HAPAG wurde 1847 mit einem relativ geringen Kapital von 300.000 Mark Banco gegründet. Die Aktien zum Preis von 5.000 Mark Banco durften nur mit Genehmigung der Direktion den Besitzer wechseln und ausschließlich an Hamburger Bürger ausgegeben werden. Unter den Gründern befanden sich angesehene Hamburger Kaufleute und Reeder, wie Adolph Godeffroy, Ferdinand Laeisz, H. J. Merck, Carl Woermann und August Bolten. Adolph Godeffroy bekam den Vorsitz der Gesellschaft, die von Anfang an einen Liniendienst von Hamburg nach Nordamerika unterhielt. Vom Segelschiff zum Dampfschiff Obwohl bereits seit 1840 auf der Transatlantik-Route erfolgreiche Dampferlinien bestanden, z. B. die Cunard Line, trauten die Hamburger dem Dampfschiff noch nicht recht. Das erste Schiff der HAPAG war der Segler Deutschland von 538 BRT, ausgerüstet für 20 Kajütpassagiere sowie 200 Auswanderer und Fracht. Das Hauptgeschäft war der Transport von Passagieren, vor allem Auswanderern; Fracht war zunächst noch von zweitrangiger Bedeutung. Am 15. Oktober 1848 begann die HAPAG den Liniendienst mit der Deutschland zwischen Hamburg und New York. Die Geschäfte gingen gut und ermöglichten bald den Bau weiterer Segelschiffe, bis man schließlich bei der Werft von Caird & Company in Greenock (Schottland) die ersten Dampfer bauen ließ. 1855 nahmen die Schwesterschiffe Hammonia (I) und Borussia (I) (jeweils 2.131 BRT) den Dienst auf. Äußerlich sahen sie noch wie Segelschiffe aus, hatten jedoch einen zentralen schwarzen Schornstein. Mit diesen Schiffen begann die Tradition, die Namen auf ia enden zu lassen, ähnlich wie bei der Cunard Line. Mit dem Wachsen der Flotte kam man später davon wieder ab. 1857 folgten die ebenfalls von Caird & Co. gebauten Schwesternschiffe Austria und Saxonia (je 2.684 BRT), und ein Jahr später kaufte man die Teutonia (I) und Bavaria (I) von einer in Konkurs gegangenen Reederei, als Ersatz für die Austria, die 1858 auf dem Nordatlantik gesunken war. 1857 war bereits das Pionierschiff der Linie, die Deutschland, ebenfalls im Atlantik gesunken. In diesem Jahr bekam die HAPAG durch den Bremer Norddeutschen Lloyd Konkurrenz aus dem eigenen Land, behielt aber die Nase vorn und eröffnete den Liniendienst nach Kanada. 1863 kam mit der Germania (2.123 BRT) ein weiterer Dampfer zur Flotte, gefolgt 1865 von der Allemannia (I). 1868 wurde das letzte Segelschiff der Reederei, die zweite Deutschland, verkauft, die HAPAG war nun eine reine Dampferlinie. Aufstieg und der Kampf um das Überleben Politischen Ereignisse beeinflussten den Geschäftserfolg des Unternehmens. Der Sezessionskrieg in den USA von 1861–1865 ließ die Auswandererzahlen zurückgehen. Auch der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 oder der Deutsch-Französische Krieg von 1870 waren nicht eben förderlich. Doch die HAPAG hielt in der Branche einen der vorderen Plätze. 1867 richtete sie einen Dienst nach New Orleans ein, der die Erwartungen jedoch enttäuschte und 1874 wieder eingestellt wurde. Die 1871 eröffneten Westindien- (Karibik) und Südamerikadienste entwickelten sich allerdings erfreulich. Seit 1868 wurde die ersten 3.000-Tonner der zweiten Hammonia-Klasse in die HAPAG-Flotte aufgenommen, und 1872 bestellte man mit den Schwesterschiffen Alsatia und Lotharingia (1.186 BRT) die ersten Neubauten bei einer deutschen Werft. 1874 bekam man Konkurrenz durch die Transatlantische-Schifffahrtsgesellschaft mit Sitz in Hamburg, nach der Reedereiflagge kurz Adler Linie genannt. Der Neuling bestellte in kurzer Folge sieben Dampfer (nach deutschen Dichtern benannt) von 3.500 BRT, die schneller und komfortabler waren als die Schiffe der HAPAG. Der erbitterte Konkurrenzkampf verschärfte sich durch eine Wirtschaftskrise in den USA. Der Passagepreis sank auf 30 Taler und beide Reedereien erlitten Millionenverluste. Die Adler Linie, durch die Neubauten und die hohen Betriebskosten ihrer Hochleistungsmaschinen stark belastet, war 1875 zur Fusion mit der HAPAG gezwungen, die selbst dem Zusammenbruch sehr nahe gekommen war. Die HAPAG-Flotte, durch die Adler-Schiffe verstärkt, hatte nun Überkapazitäten, und viele Schiffe der zweiten Hammonia-Klasse mussten nach wenigen Dienstjahren verkauft werden. Auf der Transatlantik-Route konkurrierten inzwischen außer dem Norddeutschen Lloyd auch die Holland-Amerika Lijn aus Rotterdam und die Red Star Line aus Antwerpen. 1880 trat der Vorsitzende Adolph Godeffroy nach 33 Jahren in den Ruhestand. Inzwischen war die HAPAG keineswegs mehr führend. Die 1883 in Dienst gestellte dritte Hammonia war mit 4.227 BRT im Vergleich zu den Schiffen der Konkurrenz sehr klein. Die Briten hatten Schiffe dieser Art schon 10 Jahre vorher im Einsatz gehabt, und der Lloyd gab mit den 5.000 BRT Schiffen der Flüsse-Klasse die ersten Schnelldampfer in Auftrag. Seit 1881 stand die HAPAG in heftiger Konkurrenz mit der Carr Linie, die Edward Carr 1880 gegründet hatte, um Auswanderer von Hamburg nach New York zu transportieren. Seine Schiffe beförderten ausschließlich Auswanderer und gestatteten diesen den Luxus, sich auf dem ganzen Schiff aufhalten zu dürfen. Die Preise sanken von 120 Mark auf verlustbringende 80 Mark. 1886 fusionierte Carr mit der Reederei von Robert Miles Sloman zur Union Linie und einigte sich mit HAPAG auf eine Teilung des Marktes. Die HAPAG übernahm die alleinige Regie über das Passagiergeschäft beider Reedereien und verpflichtete sich, mindestens ein Viertel der Passagiere auf Schiffen der Union Linie zu befördern. Außerdem übernahm die HAPAG Albert Ballin als Leiter der Passagierabteilung von Carr, was für die Geschicke des Unternehmens besondere Bedeutung gewinnen sollte. 1888 wurde die Carr Linie aufgekauft, und die HAPAG und Sloman teilten sich das Geschäft mit der Union Linie. Die Ära Albert Ballin Albert Ballin war noch nicht 30 Jahre alt, als er bei der HAPAG mit der Neuordnung des Passagiergeschäfts begann. Die Reederei hatte in den letzten Jahren viel Boden verloren. Um ihre Stellung zu verbessern, bestellte sie nach langen Debatten ihre ersten Schnelldampfer. Zwischen 1888 und 1891 wurden die Schwesterschiffe Augusta Victoria, Columbia (je 7661 BRT) sowie Normannia und Fürst Bismarck mit je 8700 BRT in Dienst gestellt. Diese Serie fand international große Beachtung, und die Fürst Bismarck wurde als rekordverdächtiges Schiff im Kampf um das Blaue Band geführt. Die HAPAG hatte aufgeschlossen, und es ging deutlich bergauf, nicht zuletzt ein Verdienst von Albert Ballin, der 1888 in das Direktorium berufen wurde. 1892 kaufte man die Dampfschiff-Reederei „Hansa“ mit ihren fünf Frachtern und dem Liniennetz nach Philadelphia und Baltimore. Die HAPAG-Flotte bestand damals aus 45 Dampfern mit 135.000 BRT. Ab 1889 war ein ockerfarbener Schornstein das Erkennungsmerkmal der HAPAG-Schiffe. Ab den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde die Flotte der HAPAG, die sich ab 1893 auch als Hamburg-Amerika Linie bezeichnete, im großen Maßstab ausgebaut. Den Anfang machten 1894 die fünf Schiffe der kleinen P-Klasse – Persia, Prussia, Phoenicia, Patria, Palatia – von je 7300 BRT. Auf diese Serie folgten 1896 die ersten 10000-Tonner der HAPAG, die fünf Schiffe der großen B-Klasse: Brasilia (I), Bulgaria, Belgravia, Batavia, Belgia (I). Ebenfalls ab 1896 kamen die vier Schiffe der großen P-Klasse in Fahrt: Pennsylvania, Pretoria, Patricia, Graf Waldersee. Die Pennsylvania war mit ihren 13.000 BRT für kurze Zeit das größte Schiff der Welt. Zwischen 1896 und 1901 stellte die HAPAG eine Serie von 17 Schiffen mit 5400–6600 BRT in Dienst – A-Klasse –, die für die langsameren Dienste geplant war. Ab 1898 wurde die kleine B-Klasse – Bengalia, Bosnia, Bethania, Brisgravia, Belgia (II), Badenia – mit je 7600 BRT in Betrieb genommen. Die HAPAG hatte sich an die Spitze zurückgekämpft, doch fuhr ihr der Norddeutsche Lloyd mit der Kaiser Wilhelm der Große, Deutschlands erster Blaue-Band-Inhaberin, davon. Nicht nur besaß der Bremer Lloyd das schnellste Schiff der Welt, mit über 14.000 BRT war es auch das größte, die HAPAG musste kontern. 1899 wurde Albert Ballin zum Generaldirektor der Reederei ernannt, und 1900 wurde die dritte Deutschland in Dienst gestellt. Mit 16.703 BRT war es das größte Schiff der Welt, und mit 22,42 Knoten holte es sich das Blaue Band. Doch die Erfahrungen mit der Deutschland waren nicht die besten. Bei hoher Fahrt vibrierte die Maschinenanlage so stark, dass man es im gesamten Schiff bemerkte. Trotz mehrerer Umbauten konnte das Problem nicht behoben werden. Albert Ballin ließ die Leistung drosseln, weil die Betriebskosten zu hoch und die Gewinne zu klein waren – aus dem Rennpferd wurde ein gemächlicher Ackergaul. Gleichzeitig mit der White Star Line entschied sich auch die HAPAG, Größe und Komfort der Schiffe zur Hauptattraktion zu machen. Die Deutschland blieb die einzige Blaue-Band-Inhaberin der Reederei. Mochte der Lloyd sich die Trophäe bald zurückholen und die schnellsten Schiffe besitzen, die HAPAG besaß die profitabelsten. Das Unternehmen stellte in nächster Zeit neue, größere Schiffe in Dienst, so 1905 die Amerika mit 22.225 BRT und 1906 die Kaiserin Auguste Viktoria mit 24.581 BRT. Beide waren bei Indienststellung jeweils das größte Schiff der Welt. Für die ständig wachsende Flotte mussten neue Anlegeplätze angeschafft werden. Es wurden neue Anlagen in Cuxhaven gebaut sowie in Hamburg im Kaiser Wilhelm-Hafen und im Ellerholzhafen. Um die Auswanderer in Hamburg besser betreuen zu können, wurden auf der Veddel ab 1900 die Auswandererhallen gebaut. Dieses weitab vom Stadtzentrum gelegene Quartier galt zur damaligen Zeit als Vorbild an Sauberkeit und Effektivität. Jeder mit dem Zug ankommende Auswanderer musste sich hier einer Personalienkontrolle und einer ersten Gesundheitsuntersuchung unterziehen. Um das Ausbrechen von Krankheiten auf den Schiffen zu verhindern, blieben Auswanderer dort bis zu 14 Tage in Quarantäne, bevor sie auf die Schiffe gehen durften. Durch diese Maßnahme sorgte die HAPAG auch dafür, dass mittellose Auswanderer nicht in die Stadt gelangen konnten. Zum einen wurden dadurch Hamburger nicht von den Auswanderern belästigt, zum anderen waren die unerfahrenen Emigranten so davor geschützt, überteuerte und unnütze Ware aufgeschwatzt zu bekommen. Die stetig wachsende Zahl von Auswanderern, die über Hamburg reisten, beweist den guten Ruf, den die Gesellschaft sich durch diese Maßnahmen verdiente. 1900 eröffnete die HAPAG den Liniendienst nach Ostasien, den Frachtsektor in Eigenregie und den Passagierdienst im Verbund mit dem Norddeutscher Lloyd (NDL). Für den Passagierdienst erhielt man staatliche Subventionen und firmierte deshalb auch als Reichspostdienst. Die HAPAG hatte eigens für diesen Dienst die beiden 10000-Tonner Hamburg und Kiautschou, Nachbauten der Barbarossa-Klasse des NDL – in Dienst genommen. Doch 1903 zog man sich aus dem Passagierdienst nach Ostasien zurück, die Hamburg kam auf der Transatlantiklinie zum Einsatz, und die Kiautschou wurde an den Lloyd verkauft, die Frachtlinie wurde aber beibehalten und ausgebaut. 1900 erwarb die HAPAG die Deutsche Dampfschiff-Reederei (Kingsin Linie) und die Reederei A.C. de Freitas mit ihren 14 Schiffen, um einen Konkurrenzkampf im Ostasien-Verkehr (Kingsin) und auf der Südamerika-Linie (De Freitas) zu vermeiden. Die HAPAG stieß auch in gänzlich neue Geschäftsfelder vor. Unter Albert Ballin wurden 1903 neuartige Kühlschiffe zum Post-, Passagier- und Bananentransport entwickelt, die in dem Karibik-Nordamerikadienst eingesetzt wurden. Die Sarnia und Sibiria waren Umbauten, die Neubauten Emil L. Boas und Karl Schurz waren sehr komfortabel und wurden zum Vorbild der United Fruit Company (später Chiquita), die dabei war, ihre eigene Kühlschiffsflotte aufzubauen. Diese Flotte mit neuen komfortablen Kühlschiffen mit anspruchsvollen Passagiereinrichtungen wurde später unter dem Namen Great White Fleet ein fester Begriff. Im großen Stil wurden unter Albert Ballin die ersten Kreuzfahrtschiffe gebaut, natürlich nur für die finanziell besser gestellte Oberschicht. Ab 1891 führten HAPAG-Schiffe Mittelmeer-Kreuzfahrten durch (damals eine Weltneuheit), vornehmlich in den sonst schwach ausgelasteten Wintermonaten. Seit 1893 bestand eine Linie von Genua über Gibraltar nach New York, 1898 wurde eine Linie über den Sueskanal nach Australien eingerichtet und von da bis zu den US-Pazifik Häfen (Los Angeles, San Francisco) und dem kanadischen Vancouver. Nach Vancouver bestand auch eine weitere Route, die um Südamerika herum über die US-Pazifik Häfen führte. 1907 eröffnete die HAPAG einen Liniendienst nach Afrika womit HAPAG-Schiffe alle Kontinente mit Deutschland verbanden. Auf den großen Flüssen der Welt – Amazonas, Nil, Huang Ho und Jangtsekiang – unterhielt die Reederei eigene Flotten von Flussschiffen, die nie einen deutschen Hafen anliefen. Anfang des 20. Jahrhunderts begann der US-Bankmagnat J.P. Morgan eine ganze Reihe von angesehenen ausländischen Reedereien aufzukaufen, darunter waren so große Namen, wie die White Star Line, die Leyland Line oder die Red Star Line. Sein Ziel war es eigentlich, ein Transatlantisches Monopol aufzubauen, daraus wurde allerdings nichts, denn einige Reedereien wollten sich nicht übernehmen lassen, wie die britische Cunard Line oder die französische Compagnie Générale Transatlantique (CGT). 1904 fasste Morgan seine Ankäufe in der International Mercantile Marine Co. (IMMC) zusammen, vielleicht hatte Morgan nicht das Monopol, aber zumindest einen beträchtlichen Marktanteil. Für die HAPAG, damals schon die größte Reederei der Welt, kam eine Übernahme nicht in Frage, ebenso wenig wie für die zweitgrößte, den Norddeutschen Lloyd. Beide Reedereien hatten aber gewisse Befürchtungen, nicht zuletzt da auch die größte US-Eisenbahngesellschaft, die Baltimore and Ohio Railroad, Morgan gehörte, daher war eine Übereinkunft vonnöten. HAPAG und Lloyd machten Morgan ein Angebot, um den Markt aufzuteilen. Zusammen mit der Holland-Amerika Lijn und der Red Star Line, als Vertreter des Morgan-Trusts, wurde ein Vertrag geschlossen, der die Passagiere unter den vier Firmen aufteilte. So wurde wahrscheinlich ein ruinöser Wettbewerb für beide Seiten verhindert. Die beiden deutschen Reedereien mussten aber einen Teil ihrer Dividenden an den Trust zahlen, wenn diese über sechs Prozent lagen. Das wichtigste aber war, dass beide Unternehmen, inklusive der Holland-Amerika Lijn, unabhängig blieben. 1912 wurde das Morgan-Abkommen mit beidseitiger Zustimmung beendet, auch weil Morgan selbst wohl das Interesse verloren hatte. Die HAPAG wuchs stetig weiter, Albert Ballin unterhielt die besten Beziehungen zu den führenden Kreisen des damaligen Deutschland, besonders zum Kaiser, Wilhelm II. Wann immer der Kaiser in Hamburg zu Besuch war, war er auch ein Gast von Albert Ballin. 1910 übernahm die HAPAG unter dem Vorsitz von Louis Leisler Kiep, Vater des ehemaligen CDU-Schatzmeisters Walther Leisler Kiep die gesamte Werbung und Passagierabfertigung für die Zeppeline der Deutschen Luftschiffahrts AG (Delag), diese Zusammenarbeit bestand bis 1937. 1913 stellte die HAPAG mit dem Imperator (52.117 BRT) das größte Schiff der Welt in Dienst, voll ausgelastet bot es über 4000 Passagieren Platz, die Mehrzahl davon allerdings im Zwischendeck (2000). 1914 folgte mit der Vaterland das Schwesterschiff, mit 54.282 BRT, und auf den Helgen von Blohm & Voss wartete schon das nächste Superlativ, die Bismarck mit 56.551 BRT, als dritte Einheit der Imperator-Klasse. 1914, am Vorabend des Ersten Weltkrieges bestand die HAPAG-Flotte aus 175 Schiffen mit 1.038.645 BRT im aktiven Einsatz und 19 Schiffen mit 268.766 BRT, die sich in Bau befanden. Darunter waren die ersten Frachtschiffe von über 10.000 BRT. HAPAG unterhielt 73 Liniendienste in die ganze Welt, 400 Häfen wurden durch HAPAG-Schiffe angelaufen, und 22500 Menschen waren für die Gesellschaft angestellt. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges ging eine ganze Ära zu Ende, nicht nur für die HAPAG, sondern für die gesamte Welt. Erster Weltkrieg Mit dem Kriegsbeginn konnten die Liniendienste nicht mehr beibehalten werden. Nur 80 Schiffe konnten in den sicheren deutschen Häfen verankert werden, 95 Schiffe suchten in neutralen Häfen, hauptsächlich in den USA oder in Südamerikas, Zuflucht und wurden dort interniert oder aufgelegt. Die Gesellschaft suchte auch während des Krieges ein Auskommen, vor allem für die Hauptgeschäftsstelle in Hamburg mit ihren vielen Angestellten. Gebäude der HAPAG wurden zu Lazaretten und Krankenhäusern umgewandelt oder dem Deutschen Roten Kreuz zur Verfügung gestellt. Für die Werkstätten suchte man Armeeaufträge zu bekommen und bekam sie auch, so wurden z. B. Eisenbahnwagons in Lazarettzüge umgebaut. Auch die in den deutschen Häfen aufgelegten Schiffe mussten gewartet und instand gehalten werden. 1917 traten die USA in den Krieg, und viele andere Staaten taten es ihr gleich, die Masse der in diesen Staaten aufgelegten Schiffe wurden beschlagnahmt. Allein in den USA waren das 35, darunter die Vaterland. Über die Hälfte der Flotte war verloren, dazu kam der für Deutschland immer schlechtere Kriegsverlauf, und 1918 bestanden über dem Ausgang keine Illusionen mehr. Albert Ballin, der sein gesamtes Lebenswerk zusammenbrechen sah und an keine Besserung mehr glauben mochte, nahm sich am 9. November 1918, gesundheitlich schon schwer angeschlagen, durch Einnahme einer starken Dosis Tabletten das Leben. Für die HAPAG ein wohl ebenso schwerer Verlust wie der der gesamten Flotte. Sein Nachfolger wurde am 20. Dezember 1918 der aus dem thüringischen Suhl stammende Geheimrat Dr. Wilhelm Cuno, der von Ballin selbst zur Packetfahrt geholt worden war und als dessen designierter Nachfolger bestimmt war. Aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages musste die HAPAG alle verbliebenen Übersee-Schiffe über 1600 BRT an die Entente-Mächte ausliefern. Neuaufbau Der Wiederaufbau der HAPAG nach dem Krieg ist eng mit dem Namen von Wilhelm Cuno verbunden. 1919 wurde der Seebäder-Dienst wieder eröffnet, ebenso die Dienste nach Kuba, Mexiko, die Levante und Afrika mit gecharterten Schiffen und zwei kleinen Neubauten. 1920 wurde die Deutsche Levante Linie (DLL) mit der HAPAG fusioniert und als Tochterunternehmen weitergeführt. Am 27. Februar 1921 verabschiedete der Reichstag das Reedereiabfindungsgesetz, wodurch die Finanzierung von Neubauten und Rückkäufe ehemaliger Tonnage gesichert wurde. Cuno war peinlichst darauf bedacht, dass die staatliche Hilfe für den Wiederaufbau nicht aber für die Erlangung staatlicher Kontrolle über die Reederei genutzt wurde. Auf internationaler Ebene schloss die HAPAG Abkommen mit mehreren ausländischen Reedereien wie der Kerr-Gruppe, der Blue Funnel Line oder der Ellerman Lines und übernahm die Abfertigung der Schiffe dieser Linien in deutschen Häfen. 1920 schloss die HAPAG einen Vertrag mit der US-amerikanischen Harriman-Gruppe. Das wichtige daran war, dass die Deutschen erstmals nach dem Krieg wieder gleichberechtigte Partner waren. Beide Partner blieben finanziell vollständig unabhängig und verpflichteten sich zu einer Zusammenarbeit auf allen Linien, außer nach Ostasien. 1921 wurde der Transatlantik-Dienst wieder aufgenommen in Kooperation mit der United American Lines (UAL), Teil des Harriman-Konzerns. 1921 und 1922 nahm die HAPAG nach und nach alle alten Liniendienste wieder auf, sobald geeignete Tonnage vorhanden war. Auch auf anderen Gebieten außerhalb der Seefahrt entwickelte die HAPAG verstärkt Aktivitäten. Über die Deutschen Luftreederei und die 1921 gegründeten Aero Union AG beteiligte sich die HAPAG am Luftverkehr mit Flugzeugen, dazu bestanden ja noch die Aktivitäten bei den Zeppelinen über die Delag. 1923 legten HAPAG und Norddeutscher Lloyd ihre Luftfahrtinteressen im Deutschen Aero Lloyd zusammen, über den sie 1926 die Deutsche Lufthansa mitbegründeten. 1923 war der Wiederaufbau nahezu abgeschlossen, die Flotte der HAPAG umfasste 78 Seeschiffe mit 388.827 BRT. In diesem Jahr brachte man auch die beiden großen Passagierliner Albert Ballin und Deutschland mit je 21.455 BRT in den Nordatlantik-Dienst ein, bis 1927 folgten noch die beiden baugleichen Folgebauten der Ballin-Klasse, Hamburg und New York. Diese vier Schiffe waren die ersten echten Liner der HAPAG nach dem Krieg. 1926 übertrug Harriman seine United American Line an die HAPAG, womit diese drei ihrer ehemaligen Schiffe zurück erhielt – Resolute, Reliance und Cleveland – die UAL wurde aufgelöst, Harriman blieb finanziell weiter beteiligt. Die HAPAG hatte aber die alleinige Kontrolle wieder zurückerlangt. Ebenfalls 1926 bekam die HAPAG im eigenen Land Probleme, durch die Übernahme der Stinnes-Linien war die Deutsch-Austral-Kosmos-Gruppe nun in fast allen Fahrtgebieten in direkte Konkurrenz geraten, und das auch noch vom selben Ausgangshafen. Die HAPAG bekam die Aktien der Deutsch-Austral und der DDG Kosmos angeboten und musste zugreifen, schon um einen ruinösen Konkurrenzkampf oder eine Übernahme der Deutsch-Austral-Kosmos durch eine ausländische Reederei zu verhindern. Am 24. November 1926 wurde die Fusion vollzogen, die HAPAG-Flotte erhielt einen Zuwachs von 37 Seeschiffen mit 210.000 BRT, und die Stinnes-Flotte fügte weitere 23 Seeschiffe mit 140.000 BRT dazu. In das Routennetz konnten nun Australien, Niederländisch-Indien (Indonesien) und Südafrika neu eingefügt werden. Bis zum Beginn der Weltwirtschaftskrise, 1929, war die Tonnage der HAPAG-Flotte wieder auf über 1 Million Tonnen angestiegen, genauer 1.114.826 BRT und deutlich über 100 Seeschiffe. Von der Deutsch-Austral-Kosmos übernahm die HAPAG auch die schwarz-weiß-rote Kappe über dem ockerfarbenen Schornstein. Weltwirtschaftskrise und der Union-Vertrag 1929 nahm die HAPAG die beiden 16.000-Tonner St. Louis und Milwaukee in den Transatlantik-Dienst auf, beide wurden von Dieselmotoren angetrieben. Mit der Weltwirtschaftskrise hatte die Reederei bald mit extrem sinkenden Transportraten zu kämpfen, und zwar sowohl in der Passagierschifffahrt als auch in der Frachtsparte. Außerdem lebte auch noch die Konkurrenz zum Norddeutschen Lloyd wieder auf. HAPAG wie Lloyd waren aber bestrebt, einen harten Konkurrenzkampf zu verhindern, und dies war nur durch eine Zusammenarbeit möglich. Anfangs versuchten beide noch, einen größeren Vorteil herauszuschlagen, während die Krise immer heftiger um sich griff. Am Ende musste Prestigedenken der Wirtschaftlichkeit weichen, nicht zuletzt hatten auch die an den Reedereien beteiligten Banken ihre Finger mit im Spiel. Am 22. März 1930 wurde der Union-Vertrag zwischen Hapag und Lloyd zur gegenseitigen Unterstützung und Förderung nach einheitlichen Gesichtspunkten und unter einheitlichem Zusammenwirken unter Verzicht auf jedweden Vorrang abgeschlossen. In dem Vertrag waren Bestimmungen über gemeinsame und einheitliche Richtlinien im Schiffsbetrieb, Organisation des Passagiertransportes u.v.m., beide waren aber für den Unterhalt ihrer Flotten weiter selbst verantwortlich. Die Krise dauerte weiter an, ein Großteil der Flotte wurde aufgelegt und vorzeitig zur Verschrottung freigegeben. 1931 bestellte die HAPAG die beiden Schwesterschiffe Caribia und Cordillera von je 12.000 BRT, die Reichsregierung beteiligte sich finanziell am Bau als eine Art Arbeitbeschaffungsmaßnahme für die Werft. 1933 kamen beide in Dienst und kamen im Mittelamerika-Dienst zum Einsatz, wo sie sehr beliebt wurden. 1932 gab die deutsche Regierung hohe Subventionen in den Bereich der Schifffahrt in Form von Abwrackprämien. Die HAPAG erhielt für 100.000 BRT abgewrackten Schiffsraum, 300.000 Reichsmark, zum ersten Mal in ihrer Geschichte wurde die Reederei subventioniert. 1934 war die Talsohle erreicht, und es ging langsam bergauf, das Unternehmen musste saniert werden, und dafür brauchte man Geld. Das Stammkapital der HAPAG wurde vermehrt und neue Aktien ausgegeben. Diese wurden mehrheitlich durch das Reich aufgekauft, das damit die Aktienmehrheit hatte – man hatte die Unabhängigkeit verloren. Dr. Wilhelm Cuno blieb diese Entwicklung erspart, er war 1933 an einem Herzschlag gestorben. Ihm folgte Marius Bögner ins Amt, kurz darauf Max Oboussier und 1935 schließlich Dr. jur. Walter Hoffmann. Bei diesen Postenrevirements dürften deren N.-Mitgliedschaft eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. 1935 beteiligte sich die HAPAG mit der Tannenberg am Seedienst Ostpreußen, der von der Reichsregierung gertragen wurde, um den polnischen Korridor umfahren zu können. Staat und N.-Funktionseliten mischten sich – ungeachtet der Schuldenübernahme, einer massiven Finanzierung ihrer Geschäftsverluste sowie Subventionierung ihrer Betriebskosten – nicht in die inneren Angelegenheiten der HAPAG ein, gab aber die allgemeine Richtung vor, die zu verfolgen war. 1936 mussten die Afrika- und Südamerika-Dienste an die Deutsche Afrika Linien (DAL) beziehungsweise an die Hamburg Süd abgegeben werden. Dahinter steckte die Absicht des Reichsverkehrsministeriums, den Verdrängungswettbewerb der beiden auf Prestige bedachten hanseatischen Großreedereien HAPAG und NDL nicht länger aus dem Staatshaushalt zu finanzieren. Die HAPAG sah sich dazu veranlasst, ihr „nichta.“ Personal zu entlassen. Auch verleugnete die Geschäftsführung nun den Mann, der sie einstmals groß machte: Albert Ballin. Ballin war J., und das passte nicht in die Ideologie des N.-Regimes. Das Schiff, das seinen Namen trug, wurde in Hansa (II) umbenannt. Der Transatlantik-Dienst wurde zusammen mit dem Lloyd unter der Bezeichnung Nordatlantikdienst GmbH (Norda) betrieben, und das Reich kam für die Verluste auf. Am Vorabend des Z. W. kämpfte die Reederei verstärkt mit weltweiten wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen gegen das n. Deutschland. Dabei war das Unternehmen kein Hort des Widerstands gegen das Regime. Bereits seit 1929/30 hatte die Geschäftsführung die zu dieser Zeit in Hamburg noch relativ unbedeutende lokale N. unterstützt. 1939 nahm die HAPAG mit der Patria (16.595 BRT) ihren letzten Passagierschiff-Neubau vor dem Krieg in Dienst und gab bei Blohm & Voss ihren letzten Passagierschiff-Neubau überhaupt in Auftrag, die mit 41.000 BRT vermessene zweite Vaterland. Bei Beginn des Krieges bestand die Flotte der HAPAG aus 108 Seeschiffen mit 739.608 BRT und hatte 14.000 Angestellte. Zweiter Weltkrieg Bei Kriegsbeginn wiederholte sich das Szenario von vor 25 Jahren, ein Großteil der Schiffe konnte keinen deutschen Hafen mehr erreichen. Ein Teil wurde in neutralen Häfen interniert, wurde in die Kriegsmarine übernommen und geriet durch Selbstversenkung in Verlust. Die internierten Schiffe wurden mit dem Kriegseintritt der jeweiligen Staaten beschlagnahmt. Kaum 20 Schiffe mit knapp 100.000 BRT überstanden den Krieg in einem einsatzbereiten Zustand, 89 Schiffe waren durch Kriegsereignisse verlorengegangen. 1941 verkaufte das Reich seine HAPAG-Aktien an hanseatische Wirtschaftskreise, womit das Unternehmen reprivatisiert war. Den letzten großen Auftritt in diesem Krieg hatten HAPAG-Schiffe während der Evakuierung von Zivilisten und Soldaten 1944/45 aus den Ostgebieten über die Ostsee und die Patria war 1945 Sitz der letzten deutschen Reichsregierung unter Großadmiral K. D. in Flensburg. Bei Kriegsende bestand die HAPAG praktisch nur noch auf dem Papier, und die noch vorhandene Tonnage musste an die Alliierten ausgeliefert werden. Wiederaufbau Der Neuaufbau erfolgte langsam in kleinen Schritten. 1947 wurden die ersten Dienste aufgenommen, mit gecharterter Tonnage, und 1948 kaufte die HAPAG ihr erstes Schiff nach dem Krieg, den 40 Jahre alten Seebäder-Dampfer Vorwärts – von dem Namen erhoffte man sich wohl eine gewisse Signalwirkung. Mit Lockerung der Tonnagebeschränkungen durch die Alliierten konnten mit der Zeit größere Schiffe eingesetzt werden. Der Wiederaufstieg der Reederei ist eng mit der Person von Werner Traber verbunden, wie auch die folgenden Ereignisse. 1950 nahm die HAPAG ihre erste eigene Tonnage wieder in Dienst, die Hamburg mit 2826 BRT und die Sachsenwald (ex Somerville). Die letzten Beschränkungen der Alliierten fielen erst 1951. Die HAPAG versuchte die alten Liniendienste wieder aufzunehmen, da dies allein nicht zu schaffen war, wurde die Partnerschaft mit dem Norddeutschen Lloyd wieder erneuert. Zuerst wurde der Mittelamerika-Dienst aufgenommen, 1953 folgte der Transatlantik-Dienst, Südamerika und Ostasien. Letzteres war das erste Engagement der Reederei nach dem Krieg im Passagierdienst, allerdings mit Kombischiffen und dieser Dienst rentierte sich nicht sehr. 1957 kaufte die HAPAG von dem schwedischen Svenska Lloyd die 7700 BRT große Patricia und stellte sie als Ariadne in Dienst. Für Kreuzfahrten geplant blieb das Ergebnis doch hinter den Erwartungen zurück und bereits 1960 wurde das Schiff verkauft. Die Reederei stellte keine weiteren Passagierschiffe in Dienst, sondern konzentrierte sich auf die Frachtschifffahrt. Während der 1950er Jahre stellte die Reederei ständig Neubauten in Dienst, um das steigende Frachtaufkommen zu bewältigen. Ab 1965 stellte man mit der Hammonia-Klasse eine 6er-Serie von 10.000-Tonnen Frachter in Dienst. Die HAPAG zählte längst wieder zu den bedeutendsten Reedereien der Welt. Container und Fusion In der Seeschifffahrt waren bereits zu Beginn der 1960er Jahre kommende große Veränderungen zu erkennen – der Container. Für die Umstellung waren hohe Investitionen notwendig, und es wurde eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit mit dem Norddeutschen Lloyd vereinbart. 1965 wurde die Hapag-Lloyd-Containerlinie mit Sitz in Hamburg unter Zusammenlegung beider Nordatlantikdienste begründet. Beide Partner gaben je zwei 14.000 BRT große Containerschiffe der Elbe-Express-Klasse mit je 750 Stellplätzen in Auftrag und stellten sie 1968 bzw. 1969 in den vorgesehenen Dienst ein. 1969 bestellten beiden Partner jeweils ein 15.000 BRT Containerschiff für den Australien-Dienst, gefolgt von jeweils zwei Schiffen von 55.000 BRT mit 3.000 Stellplätzen für den Ostasien-Dienst. Das Investitionsvolumen beider Partner erreichte Millionenwerte. 1967 erreichte die HAPAG ein Unglück besonderer Art, die Münsterland befand sich bei Ausbruch des Sechstagekrieges zwischen Israel und Ägypten zusammen mit 13 weiteren Schiffen im Sueskanal, genauer im Großen Bittersee eingeschlossen. Erst 1975 kam das Schiff wieder frei und erreichte Hamburg. Es war abzusehen, dass weitere Containerschiffe in Auftrag gegeben werden mussten, die Containerisierung der Seefahrt nahm eine rasante Entwicklung. Unter Eindruck dieser Entwicklung fusionierten am 1. September 1970 die HAPAG mit dem Norddeutschen Lloyd zur Hapag-Lloyd AG, nach 123-jährigem, erfolgreichen Bestehen hörte die HAPAG auf zu existieren. Die Vulkanwerft als Hamburger Tochterunternehmen der Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan wurde 1909 eröffnet. 1930 übernahmen die Kieler Howaldtswerke (ab 1968 Howaldtswerke-Deutsche Werft - HDW) den Betrieb. Die HDW verkauften 1986 ihr Hamburger Werk Ross an Blohm + Voss, die im Jahr darauf die Werft schlossen. Geschichte Der Betrieb wurde 1905 als Tochterunternehmen der Stettiner Maschinenbau Actien-Gesellschaft Vulcan unter dem Namen A.G. Vulcan Hamburg gegründet (ab ca. 1913 wurde die Schreibweise Vulkan verwendet). Im Gegensatz zu der geologischen Bezeichnung Vulkan wird der Name der Werft auf der ersten Silbe betont ([ˈvʊlkan]). Er leitet sich ab von Vulcanus, dem römischen Gott des Feuers und der Schmiedekunst. Die Arbeiten am Rosshafen in Hamburg-Steinwerder begannen 1907 und im Juni 1909 weihte Kaiser Wilhelm II. persönlich die neue Werft ein. Gemäß dem Dritten Köhlbrandvertrag 1908 wurde der Elbarm des Köhlbrands nach Westen verlegt. Dessen alter Verlauf wurde zum Kohlenschiffhafen und der ehemalige Kohlenschiffhafen wurde als Vulkanhafen Ausrüstungshafen der Werft. Zu Beginn existierten zwei Helgen, auf denen ab 1910 mit dem Passagierschiff Imperator und dem Linienschiff SMS Friedrich der Große die ersten beiden Neubauten entstanden. Weiterhin gab es zwei Schwimmdocks. 1911 wurde Hamburg zum Hauptsitz der Vulcan-Werftgruppe, was auch eine Änderung des Namens in Vulcan-Werke Hamburg und Stettin Actiengesellschaft zur Folge hatte. 1914 war die A.G. Vulkan Hamburg mit 4.300 Beschäftigten nach Blohm & Voss die zweitgrößte Werft Hamburgs. Während des Ersten Weltkriegs spezialisierte sich die Werft auf den U-Boot-Bau. Von 1915 bis 1918 ist die Fertigstellung von 68 U-Booten verzeichnet. 1928 wurde die Vulkanwerft Teil der Deutschen Schiff- und Maschinenbau AG (Deschimag), die sie 1930 an die Howaldtswerke in Kiel weiterverkaufte. Zusammen mit der aus der Insolvenz übernommenen benachbarten Werft Janssen & Schmilinsky entstand aus der Vulkanwerft die Howaldtswerke AG Kiel, Abteilung vormals Vulcan, aus der 1937 nach dem Verkauf der Aktienanteile der gesamten Howaldtswerft an die staatlichen Deutschen Werke und die Verlegung des Firmensitzes nach Hamburg 1939 die Howaldtswerke Hamburg AG wurde. Bei AG Vulkan Hamburg gebaute Schiffe (Auswahl) 1911/1912, (Stettiner) Bau Nr. 310, Linienschiff SMS Friedrich der Große der Kaiser-Klasse für die Kaiserliche Marine, von 1912 bis 1916 Flottenflaggschiff, 1916 Teilnahme an der Skagerrakschlacht, 1919 in Scapa Flow selbstversenkt, 1936 gehoben und verschrottet 1912/14, Bau Nr. 325 bzw. Bau Nr. 4 der Hamburger Werft, Großlinienschiff SMS Großer Kurfürst 1912/1913, Bau Nr. 314, Schnelldampfer Imperator für die HAPAG. Der Imperator[2] (die HAPAG benutzte auf Wunsch von Kaiser Wilhelm II. den männlichen Artikel) war mit 52.117 BRT seinerzeit das größte Schiff der Welt, 1914 in Hamburg aufgelegt, 1919 als Transporter USS Imperator von der US-Navy verwendet, ab 1920 als RMS Berengaria im Dienst der Cunard Line, 1938 stillgelegt, Reste des Rumpfes 1946 abgewrackt. 1913/1914, Bau Nr. 334, Passagierdampfer Cap Trafalgar für die Hamburg-Südamerikanische Dampfschiffahrts-Gesellschaft (Hamburg-Süd), 1914 zum Hilfskreuzer umgerüstet, noch im selben Jahr vor Trinidad vom britischen Hilfskreuzer Carmania versenkt 1915 bis 1918, Bau von insgesamt 68 U-Booten der Typen UC, UB und UE 1915, Bau von 25 Torpedobooten für die Kaiserliche Marine 1915–1916, Bau von 9 Zerstörern für die Kaiserliche Marine 1917, Bau Nr. 386 bzw. Bau Nr. 19 der Hamburger Werft, Linienschiff Württemberg der Bayern-Klasse für die Kaiserliche Marine, nicht fertiggestellt und 1921 abgebrochen 1922, Kombischiff Cap Norte für die Hamburg-Süd Wilhelm II., mit vollem Namen Friedrich Wilhelm Albert Victor von Preußen, (* 27. Januar 1859 in Berlin; † 4. Juni 1941 in Haus Doorn, Niederlande) entstammte der Dynastie der Hohenzollern und war von 1888 bis 1918 Deutscher Kaiser und König von Preußen. Einleitung Die dreißigjährige Regentschaft Wilhelms II. (von 1888 bis 1918) wird als die wilhelminische Epoche Deutschlands bezeichnet. Herausragende Merkmale waren das Streben des Kaisers nach nationalem Prestige und die Versuche, das Reich in den Rang einer Weltmacht zu erheben. Eng verbunden mit diesem Anspruch war die militärische Aufrüstung Deutschlands und die Forcierung der Kolonialpolitik in Afrika und der Südsee. Dies und die Verwicklung Deutschlands in verschiedene internationale Krisen (zum Beispiel Krügerdepesche 1896, Marokko-Krisen 1905/06 und 1911, Daily-Telegraph-Affäre 1908) führte zu einer Destabilisierung der Außenpolitik. Die Vorliebe Wilhelms für militärischen Prunk, die sich beispielsweise in zahlreichen Paraden zu den unterschiedlichsten Anlässen ausdrückte, führte auch gesellschaftlich zu einer Überbetonung des Militärs und militärischer Hierarchien bis hinein ins zivile Leben der deutschen Gesellschaft, in der für eine berufliche Laufbahn – nicht nur im Verwaltungsapparat – die Ableistung des Militärdienstes und der militärische Rang eines Menschen von entscheidender Bedeutung war (Militarismus). Der wirtschaftliche Aufschwung Deutschlands während Wilhelms Regentschaft, verbunden mit technologischem, naturwissenschaftlichem und industriellem Fortschritt, begünstigte eine auch vom Kaiser mit getragene allgemein verbreitete Technik- und Fortschrittsgläubigkeit. Innenpolitisch setzte er die für ihre Zeit als modern und fortschrittlich geltende Sozialpolitik Bismarcks fort und erweiterte sie. Er setzte sich für die Abschaffung des Sozialistengesetzes ein und suchte, teilweise erfolglos, den Ausgleich zwischen ethnischen und politischen Minderheiten. Wilhelm II. machte äußerlich den Eindruck, sowohl die Innen- als auch Außenpolitik des Reiches wesentlich stärker als sein Großvater Wilhelm I. zu beeinflussen. Das „persönliche Regiment“ des Kaisers war aber in Wirklichkeit eine von häufig wechselnden Beratern gesteuerte Politik, die die Entscheidungen Wilhelms im Urteil der meisten Historiker oft widersprüchlich und letztlich unberechenbar erscheinen ließen. Wilhelm II. nutzte durch seinen sprunghaften Charakter die Macht, die ihm die Reichsverfassung zugestand, nie konsequent, musste aber immer wieder erleben, dass diejenigen, die ihn zu schwerwiegenden Entscheidungen drängten, sich hinter seinem Rücken versteckten, als sich deren Misserfolg abzeichnete. Die Marokkokrisen oder die Erklärung des unbeschränkten U-Boot-Krieges sind nur zwei Beispiele für Entscheidungen anderer Personen, die den Ruf des Kaisers heute nachhaltig belasten. Auch war seine Amtszeit von politischen Machtkämpfen zwischen den einzelnen Parteien geprägt, die es den amtierenden Kanzlern nur schwer möglich machten, längerfristig im Amt zu bleiben. So wurden im Kampf zwischen Nationalliberal-Konservativen Kartell, Bülow-Block und Sozialdemokraten fünf von sieben Kanzlern unter kritischem Mitwirken des Parlaments entlassen. Während des Ersten Weltkriegs von 1914 bis 1918 wurde Wilhelms strategische und taktische Unfähigkeit offenbar. Ab 1916 enthielt er sich zunehmend relevanter politischer Entscheidungen und gab die Führung des Reiches faktisch in die Hände der Obersten Heeresleitung, namentlich in die der Generäle Hindenburg und Ludendorff, die, dem Kaiser durchaus ergeben, die Monarchie während der letzten Kriegsjahre mit starken Zügen einer Militärdiktatur versahen. Als Wilhelm II. sich nach Ende des Ersten Weltkriegs in Folge der Novemberrevolution, die zum Ende der Monarchie und zur Ausrufung der Republik führte, zur Abdankung und zur Flucht ins Exil nach Holland entschloss, hatte Deutschland den Krieg verloren. Etwa 10 Millionen Menschen waren auf den Schlachtfeldern gefallen. Kindheit und Jugend Wilhelm II. wurde am 27. Januar 1859 in Berlin als ältester Sohn des Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen (1831–1888) (vom 9. März bis 15. Juni 1888 Deutscher Kaiser Friedrich III.) und dessen Frau Victoria (1840–1901) geboren und war somit Enkel Kaiser Wilhelms I. (1797–1888) und der englischen Königin Victoria (1819–1901). Die Geburt Wilhelm des Zweiten war ausgesprochen schwierig, der Prinz kam als Steißgeburt zur Welt und überlebte nur durch das couragierte Eingreifen einer Hebamme, die das leblose Baby ganz gegen das Protokoll mit einem nassen Handtuch schlug. Der linke Arm des Kindes war so verletzt, dass er zeitlebens gelähmt und deutlich kürzer blieb. 101 Salutschüsse verkündeten das freudige Ereignis, eine jubelnde Menschenmenge versammelte sich vor dem Kronprinzenpalais, die Thronfolge im Hause Hohenzollern war gesichert. Keinen gesunden Thronfolger geboren zu haben, empfand Prinzessin Victoria als persönliches Versagen und war nur schwer bereit, die Behinderung des Sohnes zu akzeptieren. Kronprinz Wilhelm erlebte eine Kindheit voll Torturen, nichts blieb unversucht, seine Behinderung zu beheben. Legendär sind Kuren wie das Einnähen des kranken Armes in ein frisch geschlachtetes Kaninchen oder Metallgerüste, die Wilhelm umgeschnallt wurden, um seine Haltung zu verbessern. Wilhelm, von Geburt an durch den verkümmerten linken Arm behindert, verbrachte laut eigenen Aussagen „eine recht unglückliche Kindheit“. Wie im Hochadel üblich, traten seine Eltern als unmittelbare Erzieher ganz hinter seinem calvinistischen Lehrer Georg Ernst Hinzpeter zurück. Als Siebenjähriger erlebte er den Sieg über Österreich-Ungarn 1866 mit der daraus resultierenden Vorherrschaft Preußens in Deutschland. Mit zehn Jahren, im damals üblichen Kadettenalter, trat er beim 1. Garde-Regiment zu Fuß formell als Leutnant in die preußische Armee ein. Als Zwölfjähriger wurde er mit der Gründung des Deutschen Kaiserreiches nach dem Sieg über Frankreich 1871 auch übernächster Anwärter auf den deutschen Kaiserthron. Nach dem Abitur am Friedrichsgymnasium in Kassel trat er am 9. Februar 1877 seinen realen Militärdienst bei seinem Regiment (6. 6.Kompagnie, Hauptmann v. Petersdorff) an. 1880 wurde er am 22. März, dem Geburtstag seines Großvaters Kaiser Wilhelm I., zum Hauptmann befördert. Bereits in diesen Jahren bildete sich bei ihm ein Verständnis seiner monarchischen Rolle, das den liberal-konstitutionellen Vorstellungen seiner Eltern zuwiderlief. Seine folgenden Lebensstationen sind unter dem Aspekt einer Erziehung zum Monarchen zu sehen: Er sollte möglichst vielerlei Erfahrungen sammeln, hatte aber in keinem Feld, nicht einmal im militärischen, die Chance gehabt, sich beruflich solide einzuarbeiten. Zum Studium begab er sich an die von seinem Urgroßvater gegründete Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er nichtschlagendes Mitglied des Corps Borussia wurde. 1881 heiratete er Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg (22. Oktober 1858–11. April 1921). Bis 1888 war er dann wechselnden Regimentern zugeordnet, dem 1. Garde-Regiment zu Fuß, dann dem Garde-Husaren-Regiment und dem 1. Garde-Feldartillerie-Regiment, wurde schnell bis zum untersten Generalsrang (Generalmajor) befördert und zuletzt Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade. Der Militärdienst wurde immer wieder durch Beurlaubungen unterbrochen, damit er sich auch soweit möglich mit der zivilen Verwaltung vertraut machen konnte. Sehr gründlich konnte dies nicht geschehen, denn immer mehr Eile war geboten: Sein Großvater stand im höchsten Alter, und sein Vater war mittlerweile todkrank. Für die Regierungsgeschäfte war dies weniger problematisch, als man vermuten konnte, da bereits seit 1862 Otto von Bismarck, zunächst als preußischer Ministerpräsident, ab 1871 als Reichskanzler die politische Macht fest in seiner Hand konzentriert hatte. Bismarck sah sich nach drei siegreichen Kriegen (1864, 1866, 1870/71) und als Einiger Deutschlands zur stärksten kontinentaleuropäischen Macht, als weltweit respektierter Staatsmann. Wilhelm I. und Friedrich III. hatten ihm gelegentlich opponiert und am Ende stets vertraut. Von diesem Vertrauen hing allerdings nach der Reichsverfassung der Reichskanzler ab, nicht vom Vertrauen des Reichstags. Bismarck baute selbstbewusst darauf, auch den dritten Kaiser lenken zu können. Nach dem Tode Wilhelms I. am 9. März 1888 regierte Friedrich III. aufgrund seiner bereits fortgeschrittenen Krankheit (Kehlkopfkrebs) nur für 99 Tage (der „99-Tage-Kaiser“). Friedrich III. starb am 15. Juni in Potsdam. An diese Konstellation hatte der 29-jährige Wilhelm II. bei seinem Amtsantritt anzuknüpfen. Er wünschte, ein Kaiser aller Deutschen zu sein. Regentschaft und Politik Soziale Reformen „[...], weil die Arbeiter meine Untertanen sind, für die ich zu sorgen habe! Und wenn die Millionäre nicht nachgeben, werde ich meine Truppen zurückziehen und wenn ihre Villen erst in Flammen stehen, werden sie schon klein beigeben!“ (Wilhelm II. zu Otto von Bismarck, als er sich weigerte, Soldaten zur Niederschlagung eines Streiks im Ruhrgebiet zu schicken.) Dieses Zitat und andere Äußerungen Wilhelms in den ersten Jahren seiner Regentschaft weckten in der Arbeiterschaft zunächst Hoffnungen auf einen sozialen Wandel im Reich. Die Sozialpolitik lag Wilhelm II. durchaus am Herzen. Allerdings folgten seinen sozialen Reformen keine strukturellen Veränderungen im Reich. Im Gegenteil baute er seinen politischen Einfluss noch aus und lehnte eine Demokratisierung der Verfassung ab. Preußen behielt das seit Anfang der 1850-er Jahre bestehende undemokratische Dreiklassenwahlrecht, das eine repräsentative Landtagsvertretung verhinderte. Nach wie vor wurde die Regierung nicht vom Reichstag gewählt, sondern vom Kaiser ohne Berücksichtigung der parlamentarischen Verhältnisse bestimmt oder entlassen. Es war dem Kanzler aber auch nicht möglich ohne Mehrheit im Parlament Gesetze zu erlassen oder den Haushalt zu beschließen. Das Parlament war in seiner Macht, als echte Legislative, nicht zu unterschätzen. Bei alledem forderte Kaiser Wilhelm II. noch während Bismarcks Kanzlerschaft am 178. Geburtstag Friedrichs des Großen in einer Proklamation an sein Volk, mit der Devise: „Je veux être un roi des gueux“ (frz.; zu dt.: „Ich will ein König der armen Leute sein“) das Verbot der Sonntagsarbeit, der Nachtarbeit für Frauen und Kinder, der Frauenarbeit während der letzten Schwangerschaftsmonate sowie die Einschränkung der Arbeit von Kindern unter vierzehn Jahren. Außerdem forderte er bei dem zur Erneuerung anstehenden „Gesetz wider die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ („Sozialistengesetz“) die Streichung des Ausweisungsparagraphen, der die Polizei zur Ausweisung „gefährlicher Sozialisten“ aus ihrem Heimatort berechtigte. Reichskanzler Bismarck kommentierte dies als „Humanitätsduselei“ und verweigerte sich dem in seinen Forderungen durch den Reichstag unterstützten Kaiser. Seine Forderungen konnte der junge Kaiser erst mit dem Nachfolger Bismarcks durchführen, Leo von Caprivi. Allerdings war Wilhelm II. bei allen sozialen Ambitionen so wenig ein Freund der Sozialdemokratie, wie Bismarck es gewesen war. Im Gegenteil hoffte er, durch seine Reformen die Sympathien für die trotz der Sozialistengesetze erstarkte Sozialdemokratie abzuschwächen und durch die Aufhebung des repressiven Sozialistengesetzes der 1890 von SAP in SPD umbenannten Partei ihren Märtyrerbonus zu nehmen. Die Sozialdemokraten ihrerseits ließen sich nicht von dem Reformen Wilhelms II. beeindrucken und setzten unter August Bebel aus ihrem antimonarchistischen Selbstverständnis heraus weiter auf Fundamentalopposition. Obwohl sie den Fortschritt der im Arbeitsschutzgesetz zusammengefassten Reformen sahen, stimmten sie im Reichstag dagegen. Sie forderten grundlegende strukturelle Veränderungen wie zum Beispiel eine Verfassungsänderung, Demokratisierung, ein ausgeweitetes Wahlrecht, Vorrang des Parlaments bei politischen Entscheidungen, eine Umstrukturierung des Haushalts, deutliche Senkung der Rüstungsausgaben, Freiheit für die Kolonien und anderes mehr, für den Kaiser unerfüllbare Anliegen, die seinen Hass auf die Sozialdemokratie noch steigerten. Der Wohlstand der deutschen Arbeiterschaft stieg von Jahr zu Jahr, doch gelang es Wilhelm II. nicht, den Arbeitern in den Städten das Gefühl zu geben, anerkannte Mitglieder der Gesellschaft zu sein, was zu starken Stimmenzuwächsen der Sozialdemokraten im Reichstag und den Landtagen der Länder führte. Diese Vorgänge ließen in Wilhelm II., der immer noch „ein König der Armen“ sein wollte, das Urteil reifen, dass eine Versöhnung mit den Sozialdemokraten nicht möglich sei. Er rief schließlich in Königsberg „zum Kampf für Religion, Sitte und Ordnung, gegen die Parteien des Umsturzes!“ auf. Überblick der unter der Herrschaft Wilhelms II. erlassenen sozialen Reformen 1889: Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung vom 22. Juni (für Arbeiter) 1890: Aufhebung des Sozialistengesetzes 1890: Gründung von 31 Versicherungsanstalten – Vorläufer der Landesversicherungsanstalten (LVA) 1891: Auszahlung der ersten Renten an dauernd Erwerbsunfähige und an Arbeiter über 70 Jahre 1891: Arbeiterschutzgesetz vom 1. Juni (23. Novelle zur Reichsgewerbeordnung) mit Frauenschutz, eingeschränkter Nachtarbeit, Sonntagsruhe und Kinderschutz 1891: Einführung der staatlichen Gewerbeaufsicht 1891: Zulassung freiwilliger Arbeiterausschüsse in Betrieben 1891: Verbot der Sonntagsarbeit in Industrie und Handwerk 1892: Novellierung des Krankenversicherungsgesetzes mit Erweiterungen der Versicherungspflicht (Ausweitung auf Familienangehörige) 1895: Verbot der Sonntagsarbeit für das Handelsgewerbe. 1899: Invalidenversicherungsgesetz 1901: Förderung des Arbeiterwohnungsbaus 1905: Arbeiterausschüsse werden in Bergbaubetrieben zur Pflicht 1908: Höchstarbeitszeit, keine Nachtarbeit für Frauen und Jugendliche 1911: Reichsversicherungsordnung (RVO) 1911: Einführung der Hinterbliebenenrente 1911: Versicherungsgesetz für Angestellte 1911: Hausarbeitsgesetz (Regelung der Heimarbeit) 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Arbeiter von 70 auf 65 Jahre 1916: Herabsetzung des Rentenalters für Frauen auf 60 Jahre Entlassung Bismarcks In der letzten Periode der Regierungszeit Bismarcks hatte das Deutsche Reich einer „Kanzlerdiktatur“ geglichen, dessen politische Ziele nicht die des jungen Kaisers waren. Er wollte Russland als einen starken Verbündeten, Wilhelm II. vertraute auf Österreich-Ungarn. Er wollte den „Kulturkampf“ gegen den politischen Katholizismus fortsetzen, der Kaiser war strikt dagegen. Bismarck wollte das Sozialistengesetz verschärfen, Wilhelm II. wollte es abschaffen: „Ich will meine ersten Regierungsjahre nicht mit dem Blut meiner Untertanen färben!“ Als Bismarck hartnäckig blieb, schickte der Kaiser am Morgen des 17. März 1890 den Chef seines Militärkabinetts, General v. Hahnke, in die Reichskanzlei: Der Kanzler solle am Nachmittag ins Schloss kommen und sein Abschiedsgesuch mitbringen. Dieses wurde ihm am nächsten Morgen aber nur durch einen Boten gebracht. Am 20. März 1890 entließ Wilhelm II. den Reichskanzler Otto von Bismarck. Bismarck verwand dies nie und sorgte indirekt durch vielfach lancierte Kritik an den „Hintermännern“ der wilhelminischen Politik und durch sein Memoirenwerk Gedanken und Erinnerungen für nachhaltige Kritik an Wilhelm II. Als Bismarcks Nachfolger ernannte Wilhelm II. den General Leo von Caprivi (1831–1899). Caprivi wurde vom Kaiser als „Mann der rettenden Tat“ gefeiert und ob seiner Leistungen in den Grafenstand erhoben. Mit Caprivi hatte Wilhelm II. jemanden gefunden, mit dem er seine geplante Politik der inneren Versöhnung sowie das Arbeitsschutzgesetz durchzusetzen hoffte. Caprivis Kanzlerzeit war durch entschiedene Englandfreundlichkeit geprägt. Er war in der Innenpolitik einer der Hauptverantwortlichen für den Wandel des Deutschen Reiches von der Agrarwirtschaft zur industriellen Exportwirtschaft. Die in diesem Zeitraum gemachten Reformen erleichterten es, dass Deutschland wenig später Großbritannien überholte und zur Weltwirtschaftsmacht Nr. 1 aufstieg. Das „Made in Germany“ errang zu dieser Zeit den Status einer Garantie für höchste Qualität. Ein wichtiges außenpolitisches Ereignis fiel ebenfalls ins Jahr des Kanzlerwechsels: Der Rückversicherungsvertrag mit Russland widersprach den Bedingungen des Dreibundpaktes mit Italien und Österreich-Ungarn. Der Kaiser war gegen ein Verletzen dieses Paktes gewesen, während Bismarck den Rückversicherungsvertrag für notwendig gehalten hatte. 1890 wurde in der Öffentlichkeit unbemerkt und von Caprivi hingenommen der auslaufende Rückversicherungsvertrag vom Deutschen Reich nicht erneuert. In Russland nahm man einen deutschen Kurswechsel an und begann, sich Frankreich anzunähern. Integrationspolitik Die turbulente Vereinigung des alten „Deutschen Bundes“ zu einem „Deutschen Reich“ ohne Österreich brachte einige Probleme mit sich. Die rheinländische, süddeutsche und polnische Opposition gegen die preußische Vorherrschaft stützte sich auf ein sich politisierendes katholisches Bürger-, Arbeiter- und Bauerntum. Als Partei des politischen Katholizismus formierte sich das „Zentrum“. Die Versuche Bismarcks, die katholischen Parteien in ihrer Arbeit zu behindern, führte zu Eingriffen in das Leben der Katholiken. Auch die Judenintegration, die es vorher außer in Preußen nur in wenigen anderen Staaten gab, war jung, und der steigende Wohlstand der jüdischen Bevölkerung nährte Neid und Antisemitismus in der Bevölkerung. In den östlichen Gebieten Preußens, vor allem in der Provinz Posen, gab es eine starke Unterdrückung der polnischen Minderheit, die zu Unruhen und Gefühlen der Ungerechtigkeit führte. Der Kaiser erkannte die Ernsthaftigkeit dieser Probleme und bezeichnete sie als eine seiner Hauptaufgaben. Am besten gelang die Integrationspolitik mit den Katholiken. Sie waren durch den bismarckschen Kulturkampf benachteiligt und an der Teilnahme am politischen Leben, sowie bei der freien Ausübung ihrer Religion gehindert worden. Schon zu seiner Prinzenzeit war Wilhelm gegen diese Praktiken und befürwortete die Beendigung des Kulturkampfes. Um die Einigkeit zwischen Protestanten und Katholiken im Reich zu verbessern, zahlte das Reich die den Opfern vorenthaltenen Gelder zurück, hob allerdings nicht alle gefassten Beschlüsse und Gesetze dieser Zeit wieder auf. Die östlichen Provinzen Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien waren bis zur Vertreibung nach 1945 mehrheitlich von Deutschen bewohnt, in der Provinz Posen (Poznan) aber stellten die Polen die Mehrheit. Seit der Bismarckzeit wurde versucht, die hier lebenden Polen zu germanisieren, was allerdings scheiterte und in offenen Protest mündete. Kaiser Wilhelm II. hob viele dieser Repressionen, die vor allem die Sprache des Unterrichts und später auch des Gottesdienstes regelten, auf und erkannte die Polen als eigenes Volk und Minderheit im Deutschen Reich an. Eine der umstrittensten Bereiche in der Einordnung der politischen Meinung des Kaisers ist seine Beziehung zum Judentum bzw. zum Antisemitismus. Die Historiker gehen hier in den Meinungen weit auseinander, je nachdem welche Quellen sie benutzen. Bei den Reichstagswahlen 1880 zogen zum ersten Mal mehrere antisemitische Parteien in den Reichstag ein. Mit fünf Abgeordneten bildeten sie die „Fraktion der Antisemiten“. Grund für den gestärkten Antisemitismus waren wohl die „Gründerkrise“ und die als relativ stark empfundenen wirtschaftlichen Erfolge jüdischer Unternehmer. Die Juden waren im 1871 gegründeten Deutschen Reich zum ersten Mal in ganz Deutschland freie und gleiche Bürger: Die Einschränkungen, die sie, von Land zu Land unterschiedlich, teilweise zu Schutzbefohlenen eines Herrschers machten und ihnen wirtschaftliche Beschränkungen auferlegten oder ihnen bestimmte Berufsverbote erteilten, waren aufgehoben. Auch der Dienst beim Militär, in Schulen oder der Justiz stand ihnen jetzt offen. Als Reaktion auf den Antisemitismus entstanden gesellschaftliche Gruppen, die dem entgegenzuwirken versuchten. So bildeten besorgte Christen den Verein zur Abwehr des Antisemitismus, dem neben Heinrich Mann auch der Historiker Theodor Mommsen beitrat. Im Judentum entwickelten sich neben dem orthodoxen Glauben mehrere Strömungen mit teilweise auch politischem Hintergrund. So gab es zum einen die assimilierten Juden, die sich taufen ließen und das Christentum als Erfüllung des jüdischen Messias-Glaubens akzeptierten. Der jüdische so genannte Reform-Glaube (Reformjudentum) lehnte diese Art ab, passte sich aber in seiner Wesensart fast völlig den deutsch-christlichen Traditionen an. Er hielt Gottesdienst am Sonntag, nicht am Sabbat (Samstag); mit deutscher, nicht hebräischer Liturgie, hielt kürzere Gebete mit Orgeluntermalung und verzichtete auf traditionelle Gebetsbekleidung. Kaiser Wilhelm unterstützte diese Art der Religionsausübung sehr und finanzierte den Bau der Reform-Synagoge in der Berliner Fasanenstraße mit, an deren Einweihung er demonstrativ teilnahm. Eine dritte aufstrebende Richtung war der Zionismus, der die Gründung eines eigenen Judenstaates vorsah. Aus Angst, den Antisemitismus zu bestärken, lehnten die Reformgläubigen auch diese, sehr radikale, ursprüngliche Form des Glaubens ab und strich jegliche Passagen über das gelobte Land aus dem Gottesdienst. Der Kaiser unternahm eine Palästinareise, wobei er den Wiener Journalisten Theodor Herzl traf. Auf dieser Reise stiftete er in Jerusalem die Erlöserkirche auf dem Muristangelände. Als Erinnerung an diese Expedition wurde dem Kaiser in Haifa 1982 ein Denkmal gesetzt. Bei seiner Integrationspolitik kam Kaiser Wilhelm II. der Parlamentarismus im Reich entgegen. Anders als heute gab es keine Fünf-Prozent-Hürde, welche das Entsenden von Abgeordneten aus kleineren Parteien verhinderte. So hatten Dänen (1-2 Abgeordnete), Elsass-Lothringer (8-15 Abgeordnete) und Polen (13-20 Abgeordnete) von 1871 bis zur letzten Wahl 1912 stets ihre Fraktion im Reichstag. Juden organisierten sich nicht in einer eigenen Partei. Dies widersprach ihrem Selbstverständnis Deutscher Staatsbürger zu sein, welches durch lange Tradition besonders in Preußen sehr stark ausgeprägt war. Das Wahlsystem grenzte aber auch politische Minderheiten nicht aus. Dies sorgte dafür, dass sich auch die reichsfeindlichen Welfen aber vor allem die Antisemiten aus der Christlichsozialen Partei und der Deutschen Reformpartei organisieren konnten. Die Zahl ihrer Abgeordneten überschritt aber nie die Zahl der Abgeordneten aus den Parteien der ethnischen Minderheiten. Trotz dieser Unterstützung gibt es von Wilhelm II. mehrere Zitate, die einen antisemitischen Klang haben, so: „Ich denke gar nicht daran wegen der paar hundert Juden und der tausend Arbeiter den Thron zu verlassen!“ Ob er allerdings auf die Juden als Kollektiv schimpfte oder einzelne meinte, z.B. die ihn oft kritisch betrachtenden jüdisch geleiteten Zeitungskonzerne, ist unklar. Die Verurteilung der Juden als Volk ist aber unwahrscheinlich, da er in seinem Freundeskreis nie Unterschiede zwischen Deutschen jüdischer oder christlicher Abstammung machte. Der von Antisemiten geprägte und heute noch verwendete Begriff „Kaiserjuden“ verriet allerdings große Missbilligung von Teilen der Bevölkerung an diesen Kontakten. Wirtschaftspolitik und rüstungspolitische Prioritäten Caprivi setzte einen weiteren von Bismarck verwehrten Wunsch Wilhelms II. durch, die progressive Einkommenssteuer, die höhere Einkommen stärker belastete: die Miquelsche Einkommensteuerreform von 1891. Durch die industriefreundliche und exportorientierte Eindämmung des Protektionismus zog sich Caprivi die Feindschaft der im Bund der Landwirte organisierten Grundbesitzer („Ostelbier“, „Junker“) zu, der sehr eng mit der Konservativen Partei verwoben war. Die nach Abschaffung der Schutzzölle wachsenden Agrarexporte der USA bewirkten für sie einen Preisverfall. Durch die Förderung des Einsatzes von Agrarmaschinen konnte man die Verluste zwar teilweise auffangen, erhöhte aber die agrarprotektionistischen Ansprüche der ohnehin unterkapitalisierten und zu Investitionen genötigten Großgrundbesitzer. 1893 löste Wilhelm II. den 1890er Reichstag auf, jetzt, weil der die auch von ihm gewollte Aufrüstung des Heeres abgelehnt hatte. Im darauffolgenden Wahlkampf siegten die Befürworter der wilhelminischen Politik aus der Konservativen und Nationalliberalen Partei. Auch die von Alfred von Tirpitz propagierte Aufrüstung der Kaiserlichen Marine, im Volk populär (vgl. Matrosenanzug) wurde in der Folgezeit von Wilhelm gefördert (1895 Vollendung des heutigen Nord-Ostseekanals, Ausbau der Marinehäfen Kiel und Wilhelmshaven). In diesem Zusammenhang besetzte und pachtete das Deutsche Reich die chinesische Hafenstadt Tsingtao auf 99 Jahre. Wilhelm erkannte trotz seiner Englandfreundlichkeit nicht, dass damit die weltweite Hegemonialmacht Großbritannien aufs Äußerste beunruhigt wurde. Der anhaltende deutsche Kolonialismus – gegen den Bismarck sich noch gewehrt hatte – wurde von ihm nicht als riskant gegenüber den Großmächten England, Frankreich und Japan erkannt und eher gebilligt: 1899 erwarb das Reich die Karolinen, Marianen, Palau und Westsamoa. Wende in den Reichskanzlerberufungen und außenpolitische Dauerprobleme 1894 wurde Caprivi entlassen. Wilhelm berief erstmals einen Nichtpreußen, den Bayern Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der weder Führungsehrgeiz entwickeln sollte noch entwickelte: 1896 versäumte er, Wilhelm von der Krüger-Depesche abzuhalten, einem Glückwunschtelegramm an die Buren zur Abwehr des britisch inspirierten Jameson Raid, die in Großbritannien mit Empörung aufgenommen und nachhaltig als Abkehr von der englandfreundlichen Politik Caprivis gedeutet wurde. 1900 ersetzte er ihn durch Graf Bernhard von Bülow, der als Reichskanzler weder die anstehenden innenpolitischen Reformen betrieb, noch die sich umgruppierenden außenpolitischen Konstellationen (in Deutschland als Einkreisungspolitik verstanden) zu meistern vermochte. Das Verhältnis zu Frankreich wurde nicht verbessert, England nun auch durch die Flottenpolitik herausgefordert und Russland auf dem Balkan nicht gegen Österreich-Ungarn unterstützt. Wilhelm hatte allerdings bis zur Daily-Telegraph-Affäre und den Eulenburg-Prozessen Vertrauen in Bülow, der sich ihm zudem durch Schmeichelei unentbehrlich machte. Friedenspolitisch ergriff Wilhelm II. erst 1905 eine Initiative: Zwecks einer Wiederannäherung an Russland, das gerade seinen Krieg gegen Japan zu verlieren drohte, schloss er mit Nikolaus II. den Freundschaftsvertrag von Björkö. Frankreich sollte einbezogen werden. Als unvereinbar mit der französisch-russischen Annäherung wurde der Vertrag im Jahr 1907 von Russland als gegenstandslos erklärt, nachdem Wilhelm II. 1906 in der Ersten Marokkokrise durch seinen Besuch in Tanger Frankreich provoziert hatte. Resultat war überdies eine Verschlechterung der Beziehungen zu Japan gewesen, das bisher Preußen/Deutschland als wissenschaftlichen und militärischen Lehrmeister angesehen hatte. 1908 wurde Wilhelms Hilflosigkeit durch die Daily-Telegraph-Affäre deutlich: Er beschwerte sich in einem Interview mit deren Reporter über seine eigene Regierung als nicht englandfreundlich genug. Bismarck war ein Meister darin gewesen, seine Politik medial zu flankieren (vgl. die Emser Depesche 1870). Bei Wilhelm sollte das Interview und markige Reden die Politik ersetzen. Als ein Beispiel dafür gilt die bereits am 27. Juli 1900 in Bremerhaven gehaltene Hunnenrede. Mit dem Daily Telegraph-Interview fiel er der Reichspolitik in den Rücken, knickte angesichts des deutschen Pressesturms ein und versprach, sich künftig zurückzuhalten. Überhaupt begann die Öffentliche Meinung, den Kaiser kritisch zu sehen, und eine Kampagne schadete ihm konkret: Schon 1906 hatte der Journalist Maximilian Harden in seiner Zeitschrift Die Zukunft die Kamarilla um den Kaiser und damit das persönliche Regiment des Kaisers angegriffen. Zu besonders harten Auseinandersetzungen führte seine Enthüllung, dass Philipp von Eulenburg und Hertefeld, ein enger Freund und Berater des Kaisers, homosexuell sei und einen Meineid geleistet habe. Es folgten drei Sensationsprozesse gegen Eulenburg, die trotz dessen Freispruchs das Ansehen des Kaisers beschädigten. 1909 zerbrach der so genannte Bülowblock, in dem sich die regierungsunterstützenden linksliberalen Parteien, sowie die Nationalliberale und die Konservative Partei zusammengeschlossen hatten. Auslöser war der Versuch Bülows, das preußische Wahlrecht zu reformieren, worauf ihm die im Preußischen Landtag dominierenden Konservativen die Gefolgschaft verweigerten. Sozialdemokraten und Zentrum, die diesen Versuch in seinen Grundsätzen unterstützen, verweigerten trotzdem die Zusammenarbeit mit Bülow. Sie warfen ihm Prinzipienlosigkeit vor, da er erst kurz zuvor in Zusammenarbeit mit den Konservativen neue Repressalien gegen die Polen durchsetzte. Die Germanisierungspolitik wurde auf Betreiben Kaiser Wilhelms II. beendet Dass Bülow nun aber um sich die Loyalität der Konservativen Partei zusichern, die Enteignung von polnischen Gütern erleichterte, ignorierte der Kaiser um die stabile Parlamentsmehrheit nicht zu gefährden. Daraufhin entließ der Kaiser Bülow und ernannte Theobald von Bethmann Hollweg zum Reichskanzler. Er überließ ihm die Außenpolitik, die aber ihre Ziele Wiederannäherung an England und Distanzierung von der antirussischen Balkanpolitik Österreich-Ungarns nicht erreichte. Die antifranzösische Politik wurde 1911 in der zweiten Marokkokrise durch deutschen Interventionismus verschärft (der „Panthersprung nach Agadir“), Heer und Flotte wurden weiter verstärkt. Markante Eingriffe Wilhelms unterblieben. Insgesamt ist Wilhelms II. Anteil an der deutschen Außenpolitik umstritten. Während John C. G. Röhl in ihm die entscheidende Persönlichkeit sieht, die die Politik des Reiches eigenständig führte, sieht die Mehrzahl der Historiker wie Wolfgang Mommsen die zivile Reichsleitung im Zentrum der Verantwortung. Auch war er zwar Militarist, aber kein Bellizist, er wollte trotz seiner kriegerischen Reden im Grunde keinen Krieg. Er tat aber auch zu wenig, um dies deutlich zu machen. Unbestreitbar ist, dass der Kaiser nicht als Koordinator zwischen Außen-, Heeres- und Flottenpolitik wirkte. So kam es, dass Reichskanzler, Heeres- und Marineleitung je unterschiedliche Ziele verfolgten, die miteinander nicht verträglich waren: Vor allem der Aufbau der Flotte schuf ein außenpolitisches Problem! Erster Weltkrieg 1914 in der Julikrise spielte Wilhelm II. eine ambivalente Rolle. Er wollte den Frieden retten und auf der Monarchenebene versuchte er sein Bestes, einen fieberhaften Briefwechsel mit dem russischen Kaiser (Lieber Nicky! – Lieber Willy!), der bei der nunmehr objektiven Kriegsentschlossenheit sämtlicher Kontinental-Großmächte gar nichts bewirkte. Objektiv jedoch steigerte der Kaiser die Kriegsgefahr: Denn er ermächtigte Bethmann Hollweg nach dem Attentat von Sarajewo am 28. Juni 1914, Österreich-Ungarn eine Blankovollmacht für dessen aggressive Politik gegen Serbien zu erteilen. Faktisch wurde nach der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung an Serbien die Außenpolitik von Kaiser und Kanzler dem deutschen Generalstab überlassen: Die Mobilmachung im Russischen Reich erlaubte es nach dessen Urteil dem Deutschen Reich nicht, mit der Kriegserklärung an Russland und Frankreich länger zu warten, da sonst der deutsche Schlieffenplan, bei einem Zweifrontenkrieg erst schnell Frankreich, dann Russland zu schlagen, undurchführbar zu werden drohte. Wilhelm mischte sich in der Folge nicht in militärische Zielsetzungen ein, überließ diese aber nicht verfassungsgemäß dem Reichskabinett, sondern der Obersten Heeresleitung. Im Verlauf des Ersten Weltkrieges 1914–1918 wurde die Bedeutung des Kaisers immer geringer. Besonders unter der 3. Obersten Heeresleitung unter Hindenburg und dem dominierenden Ludendorff wurde er 1916–1918 zunehmend von den politisch-militärischen Entscheidungen ausgeschlossen. Jedoch schob sie ihm 1917 die auch im Reich umstrittene Entscheidung über den uneingeschränkten U-Bootkrieg zu. Er schloss sich – gegen den Rat seines Reichskanzlers – der Meinung der Militärs an und willigte ein, was dann zur Kriegserklärung der USA führte. Diese machten später die Abdankung des Kaisers zur Bedingung für die Eröffnung von Friedensverhandlungen. Ab 1917 hatte Ludendorff eine faktisch diktatorische Position. Auf weitere Reichskanzlerwechsel nahm Wilhelm II. keinen Einfluss, die 1918er Reform der Reichverfassung in Richtung auf eine parlamentarische Monarchie wurde ohne ihn versucht. Durch den Hungerwinter 1917/18 und das völlige Desaster der Kriegsführung, spätestens nach der gescheiterten Frühjahrsoffensive im Westen 1918, war er im Reich unhaltbar geworden. Dazu kam die Tatsache, dass der Bevölkerung längst bewusst war, dass ein Friedensschluss unter leidlichen Bedingungen (Selbstbestimmungsrecht der Völker) nur noch von der Abdankung ihres Kaisers abhing, da die USA sich weigerten, Friedensverhandlungen ohne vorherige Abdankung Wilhelms II. zu beginnen. Am 9. November 1918 gab Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867–1929) eigenmächtig und ohne Wilhelms II. Einwilligung seine Abdankung bekannt. Am 10. November 1918 fuhr der Kaiser aus seinem Hauptquartier in Spa in die Niederlande und erbat und erhielt dort Asyl. Besonders enttäuscht war er von Hindenburg, der ihn fallen ließ, des Weiteren wetterte er gegen „das Judengesindel“ (O-Ton Wilhelm). Er dankte offiziell am 28. November 1918 ab, 19 Tage nach Ausrufung der Republik, gab aber nie den Wunsch auf, wieder auf den Thron zurückzukehren. Text der Abdankungsurkunde: Ich verzichte hierdurch für alle Zukunft auf die Rechte an der Krone Preussen und die damit verbundenen Rechte an der deutschen Kaiserkrone. Zugleich entbinde ich alle Beamten des Deutschen Reiches und Preussens sowie alle Offiziere, Unteroffiziere und Mann- schaften der Marine, des Preussischen Heeres und der Truppen der Bundeskontingente des Treueides, den sie Mir als ihrem Kaiser, König und Obersten Befehlshaber geleistet haben. Ich erwarte von ihnen, dass sie bis zur Neuordnung des Deutschen Reichs den Inhabern der tatsächlichen Gewalt in Deutschland helfen, das Deutsche Volk gegen die drohenden Gefahren der Anarchie, der Hungersnot und der Fremdherrschaft zu schützen. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unter- schrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Amerongen, den 28. November 1918 Wilhelm Zeit nach der Abdankung Exil Bis 1920 lebte Wilhelm II. in Amerongen, danach bis zu seinem Tod in dem von ihm erworbenen Haus Doorn in den Niederlanden im Exil. 1921 starb seine Frau. 1922 heiratete er die verwitwete Prinzessin Hermine von Schönaich-Carolath, geborene Prinzessin Reuß ä.L. (1887-1947) („Kaiserin“ in seiner Titulatur, amtlich „Prinzessin von Preußen“). Er versammelte Gelehrte zu kulturhistorischen Studien um sich (Doorner Arbeitskreis), verfasste seine Memoiren und weitere Bücher und hielt sich für die Wiederherstellung der Monarchie bereit. Unter anderem durch den Hitlerputsch 1923 sah er sich darin bestätigt, dass nur ein Monarch Ruhe und Ordnung garantieren könne. Immer wieder äußerte er sich antisemitisch, „Presse, Juden und Mücken“ solle man den Garaus machen, „am besten mit Gas“. 1933 näherte er sich – auch bestärkt durch seine Frau, die im Reich umherreiste – den Nationalsozialisten an, von denen er sich die Restauration des Kaiserreichs versprach, was sich trotz zweimaligen Besuchs Görings in Doorn bald als unrealistisch erwies. Hitler hielt ihn hin. Als er im November 1938 von dem antijüdischen Pogrom, der „Kristallnacht“, erfuhr, äußerte er sich entsetzt und hielt es für eine Schande. Bei Besetzung der Niederlande 1940 ließ Hitler das Anwesen durch die SS abriegeln. Zum deutschen Sieg über Frankreich im Mai erhielt Adolf Hitler ein angeblich von Wilhelm II. abgesandtes Glückwunschtelegramm. Darin wurde nicht dem „Führer“ Hitler, sondern dem Reichskanzler und vor allem dem „Sieg der deutschen Waffen“ gratuliert. Ob es von Wilhelm II. stammte, wird stark bestritten, sein damaliger Hausminister Wilhelm von Dommes dürfte der Urheber dieses Telegramms gewesen sein. Tod Wilhelm II. starb am Morgen des 4. Juni 1941 im Haus Doorn. Seine letzten Worte sind zweifelhaft überliefert: „Ich versinke, ich versinke...“. Trauerfeiern im Reich wurden verboten. Die NS-Machthaber erlaubten nur einer kleinen Zahl von Personen (dem engeren Familienkreis, einigen ehemaligen Offizieren) die Fahrt in die besetzten Niederlande zur Teilnahme an der Beisetzung. Der Kaiser wurde zunächst in einer Kapelle nahe dem Doorner Torhaus beigesetzt. Sodann wurde sein Sarg in das nach seinen Zeichnungen posthum erbaute Mausoleum im Park von Haus Doorn überführt. Sein selbst gewählter Grabspruch lautet: „Lobet mich nicht, denn ich bedarf keines Lobes; rühmet mich nicht, denn ich bedarf keines Ruhmes; richtet mich nicht, denn ich werde gerichtet.“ Beide Gattinnen ruhen im Antikentempel am Neuen Palais in Potsdam. Wilhelm II. als Persönlichkeit Auf Grund von Komplikationen bei seiner Geburt war Wilhelms II. linker Arm um 15 cm kürzer als der rechte und teilweise gelähmt, mit daraus resultierenden Gleichgewichtsstörungen und Haltungsschäden sowie häufigen Schmerzen im linken Ohr. Eine besondere elterliche Zuwendung erfuhr er nicht und dankte es mit einem bleibenden Ressentiment besonders gegen seine Mutter, die ihn selbst wiederum, wie in ihren Briefen deutlich zu lesen, hasste. Schmerzvoll waren die Versuche der Familie, seiner Behinderung entgegen zu wirken. Denn der zukünftige König von Preußen sollte ein „ganzer Mann“ und kein Krüppel sein. So musste er sich als Kleinkind z.B. schmerzhaften Elektroschocktherapien unterziehen. Auch wurde erfolglos versucht, seinen verkümmerten Arm zu strecken. Das beruflich oft erforderliche Reiten fiel ihm daher schwer. Diese unbehebbare Behinderung prägte ihn sehr. Er war gehalten, sie stets als einen Makel zu verbergen. Das Tragen von Uniformen und das Abstützen der linken Hand auf der Waffe war ein Ausweg. Die Behinderung machte ihn vermutlich zu einem Menschen mit Selbstzweifeln und geringem Selbstbewusstsein und einer darauf beruhenden Ichverfangenheit, leichten Kränkbarkeit und ihr zufolge Sprunghaftigkeit. Später dürfte diese auch seine sprichwörtliche Reiselust begünstigt haben. Ob mögliche Neurosen eine ernsthafte seelische Erkrankung unterstellen lassen müssten, ist durchaus strittig. Ob auch eine Anlage zu einer Geisteskrankheit vorlag, noch mehr. Ein schwermütiger Zug wird ihm mitunter attestiert. Der noch heute berühmte Psychiater Emil Kraepelin bezeichnete sogar – auf Grund ferndiagnostisch zugänglicher öffentlicher Quellen – Wilhelms Gemüt als einen „typischen Fall periodischen Gestörtseins“, ein freilich bestrittenes Urteil in Richtung auf eine manisch-depressive Disposition. Anhaltende Schwierigkeiten waren Wilhelm II. später verhasst, deswegen ließ er auch bewährte Freunde und Parteigänger schnell im Stich, so dass eher diplomatisierende Charaktere, wie Bülow und viele Höflinge, seinen Umgang ausmachten und seine Personalauswahl bestimmten. Offiziere, unter denen er sich wohlfühlte, erweiterten sein Urteil wenig, denn sie hatten im Zweifel die politischen Vorurteile ihrer kastenartig abgeschlossenen Berufsgruppe, und auch ihr Stil des Schwadronierens färbte auf ihn ab. Von seiner Persönlichkeit her gesehen behinderten seine narzisstischen Züge seine Einfühlungsgabe und sein Urteil über Andere. Seine Taktlosigkeiten waren bekannt. Sie fielen seiner Mitwelt besonders bei seinem Regierungsantritt und bei Bismarcks Entlassung ins Auge, die dieser in seinen Gedanken und Erinnerungen rachsüchtig ausbreitete. Eine diese Handikaps ausbalancierende Welt- und Menschenkenntnis zu erwerben, hatte sein Werdegang ihm nicht erlaubt. Trotz der Wesensunterschiede zu seinem altpreußisch-schlichten und im Persönlichen bemerkenswert loyalen Großvater Wilhelm I. versuchte er, dessen Regierungsmuster zu folgen. Man kann sein anfängliches Verhältnis zu Caprivi dergestalt deuten, dass er hier ‚seinen eigenen Bismarck‘ gefunden zu haben hoffte. Militärisch ernannte er den Neffen des berühmten Generalfeldmarschalls Helmuth von Moltke zum Oberbefehlshaber (Ich will auch einen Moltke.), der dann aus dem Schatten Schlieffens nicht heraus zu treten vermochte. Allerdings wurde Wilhelms I. Zurückhaltung bei direkten politischen Eingriffen keineswegs Wilhelms II. bleibendes Merkmal, wiederholt griff er durch Personalentscheidungen und Befehle für Gesetzesvorlagen direkt in die Politik ein. Gar nicht folgte er der öffentlichen Zurückhaltung des alten Kaisers. Wilhelms Selbstdarstellungseifer drängte ihn oft repräsentativ in die Öffentlichkeit, bei der eine nicht unbeachtliche Rednergabe ihm Echo einbrachte, aber auch zu politisch bedenklichen Formulierungen verlockte. Auch begünstigte dieser Eifer sein Verhältnis zu den Massenmedien. Man kann ihn als den ersten Medienmonarchen des 20. Jahrhunderts ansehen. Seine Schaustellungen von Uniformen und Orden stimmten im Übrigen zum Protzstil des dann nach ihm benannten Wilhelminismus. Die Künste standen ihm fern, die Literatur lag ihm nicht am Herzen. Eigene Interessen entwickelte er für die Archäologie, seine Korfu-Aufenthalte sind auch davon bestimmt. Außerdem oblag er, wie in Adelskreisen nicht unüblich, begeistert der Jagd, seine Trophäenzahl erfreute ihn (er erlegte rd. 46.000 Tiere); im Exil fällte er gerne Bäume. Bei der Jagd lernte Wilhelm auch seinen später engen Freund Philipp Graf zu Eulenburg kennen, der besonders in den Jahren 1890 bis 1898 zu seinen wichtigsten Beratern zählte. Sein Desengagement, wenn die Dinge anders liefen, als er wollte, blieb sein Wesenszug. Noch 1918, angesichts der revolutionären Verhältnisse im Reich, emigrierte er sang- und klanglos ins neutrale Ausland. Seine in Holland verfasste Autobiografie mit ihren Rechtfertigungen oder Themenvermeidungen ist ein gutes Zeugnis seiner Urteilsschwächen. Das Bild Wilhelms II. in der Öffentlichkeit Wilhelm II. war zunächst sehr populär. Die weniger geschätzten Züge einer Reichseinigung „von oben“ mit Bewahrung alter Machtstrukturen fand in der Kaiserverehrung einen willkommenen Ausgleich. Die weithin monarchistisch gesonnene Presse nahm dies auf, man fand für ihn die Bezeichnungen „Arbeiterkaiser“ und „Friedenskaiser“ (dies geht u. a. auf den Vorschlag von Emanuel Nobel von 1912 zurück, Kaiser Wilhelm II. den von Alfred Nobel gestifteten Friedensnobelpreis zuzusprechen, damals hatte das Deutsche Reich unter seinem Kaisertum 24 Jahre Frieden gehalten). Doch wurde er auch als bedrohlich empfunden (vgl. Ludwig Quiddes als Kritik an Wilhelm II. aufgefasste und vielrezipierte 1894er Studie Caligula zum "Cäsarenwahnsinn“). Zunehmend mischte sich dann Spott hinein: „Der erste war der greise Kaiser, der zweite war der weise Kaiser, der dritte ist der Reisekaiser.“ Auch in der Bezeichnung „Redekaiser“ steckte Kritik. Seine vielerlei Uniformen wurden bewitzelt: „Majestät, im Badezimmer ist ein Rohr geplatzt.“ – „Bringen Sie die Admiralsunifom.“ („Simplicissimus“) Von den ihn kritisierenden Demokraten, Sozialisten, Katholiken, auch den kritischen Minderheiten (von 1864 her die Dänen, seit 1866 die Hannoveraner, seit 1871 die Elsass-Lothringer, dauerhaft die Polen) wurde ihm zunächst das die öffentliche Meinung beherrschende Bürgertum am gefährlichsten. Bei den Schriftstellern war er nicht angesehen, der ironische Thomas Mann war in seinem Roman Königliche Hoheit noch am mildesten mit einem behinderten und etwas einfältigen Dynasten umgegangen. Direkte Kritik verbot der Paragraph zur „Majestätsbeleidigung“ im Strafgesetzbuch, aber die Witze über ihn wurden immer beißender. Man vergleiche nur das viel positivere Kaiserbild von Franz Joseph in Österreich-Ungarn, der doch viel stärkere innen- und außenpolitische Probleme hatte. Nach 1918 und seiner Flucht ins Exil überwog die Verachtung, man warf ihm Feigheit vor: Warum ist er nicht an der Spitze seines Heeres kämpfend gefallen? Monarchisten erhofften 1933 mit Adolf Hitlers Machtantritt seine Rückkehr. Da Hitler nichts dergleichen im Sinne hatte, wurde Wilhelm II. in seinen letzten zehn Lebensjahren immer stärker vergessen, sein Tod blieb überwiegend unbetrauert. Sein öffentliches Ansehen hat sich seither kaum erholt. Im Ausland war es eher schlechter gewesen. Denn während des Ersten Weltkrieges war Wilhelm II. oft die symbolische Zielfigur der feindlichen Propaganda, was sein Image dort dauerhaft beschädigt hat. Familie Söhne und Töchter Friedrich Wilhelm Victor August Ernst (1882-1951) ∞ 1905 Herzogin Cecilie von Mecklenburg-Schwerin (1886-1954) Wilhelm Eitel Friedrich Christian Karl (1883–1942) ∞ 1906-1926 Herzogin Sophie Charlotte von Oldenburg (1879-1964) Adalbert Ferdinand Berengar (1884–1948) ∞ 1914 Prinzessin Adelheid von Sachsen-Meiningen (1891-1971) August Wilhelm (1887–1949) ∞ 1908-1920 Prinzessin Alexandra von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg (1887-1957) Oskar Karl Gustav Adolf (1888–1958) ∞ 1914 Gräfin Ina Maria von Bassewitz (1888-1973) Joachim Franz Humbert (1890–1920, Selbstmord) ∞ 1916 Prinzessin Marie Auguste von Anhalt (1898-1983) Victoria Luise Adelheid Mathilde Charlotte (1892–1980) ∞ 1913 Herzog Ernst August von Braunschweig-Lüneburg (1887-1953) Titel und Ränge Akademische Titel (alphabetisch nach Hochschulen) Dr. iur. utr. h.c. der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Dr.-Ing. E.h. der Polytechnischen Hochschule in Berlin Ehrendoktor der Wissenschaften der Universität Klausenburg Dr. of Civil Law der Universität Oxford Ehren-Dr. der Rechte der Universität Pennsylvania Ehrendoktor der Medizin der Universität Prag Militärische Laufbahn 27. Januar 1869: Leutnant im 1. Garderegiment zu Fuß und à la suite des 1. Batl. (Berlin) des 2. Garde-Landwehr-Regiments. 22. März 1876: Oberleutnant 22. März 1880: Hauptmann 16. Oktober 1881: Major 16. September 1885: Oberst und Kommandeur des Garde-Husaren-Regiments 27. Januar 1888: Generalmajor und Kommandeur der 2. Garde-Infanterie-Brigade 15. Juni 1888: Oberster Kriegsherr des deutschen Heeres und Chef der Marine, Chef des 1. Garde-Regiments zu Fuß, des Regiments der Garde du Corps, des Leib-Garde-Husaren-Regiments Chefstellen und andere Ehrenränge Hier geht es um den Rang des Chefs (in Bayern: Inhaber) von Truppenteilen, dessen Namen diese dann auch oftmals trugen (das militärische Kommando liegt nicht beim „Chef“, sondern bei dem jeweiligen Kommandeur.). Die Generals- und Admirals-Titel sind ebenfalls als Ehrenränge zu verstehen. Deutschland Chef des 1. Garde-Regiments zu Fuß Regiments der Garde du Corps Leib-Garde-Husaren-Regiments König Königs-Ulanen-Regiments (1. Hannoversches) Nr. 13 Königs-Infanterie-Regiments (6. Lothringisches) Nr. 145 Grenadier-Regiments König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreußisches) Nr. 3 Regiments Königs-Jäger zu Pferde Nr. 1 Leib-Kürassier-Regiments „Großer Kurfürst“ (Schlesisches) Nr. 1 1. Leib-Husaren-Regiments Nr. 1 2. Leib-Husaren-Regiments Königin Viktoria von Preußen Nr. 2 Leib-Grenadier-Regiments Friedrich Wilhelm III. (1. Brandenburgisches) Nr. 8 Badischen Grenadier-Regiments 'Kaiser Wilhelm I.' Nr. 110 Infanterie-Rgts 'Kaiser Wilhelm' (2. Großherzoglich Hessisches) Nr. 116 Königlich Sächsischen Grenadier-Regiments Nr. 101 Königlich Württembergischen Infanterie-Regimentss Nr. 12 Königlich Württembergischen Dragoner-Regiments Königin Olga (1. Württembergisches) Nr. 25 Inhaber des Königlich Bayerischen 1. Ulanen-Regts 'Kaiser Wilhelm II., König von Preußen' Königlich Bayerischen 6. Infanterie-Regiments 'Kaiser Wilhelm, König von Preußen' Ausland Inhaber des K.u.k. Infanterie-Regiments Nr. 34 (Österreich-Ungarn) K.u.k. Husaren-Regiments Nr. 7 (Österreich-Ungarn) Chef des Kaiserlich Russischen St. Petersburger Leib-Garde-Grenadier-Regiments 'König Friedrich Wilhelm III.' 85. Infanterie-Regiments „Wyborg“, (Russland) 13. Husaren-Regiments „Narva“ (Russland) Königlich Großbritannischen 1. Dragoner-Regiments Ehrenoberst des Königlich Portugiesischen 4. Reiter-Regiments Königlich Spanischen Dragoner-Regiments „Numancia“ Kaiserlich Osmanischer Feldmarschall Feldmarschall der Kaiserlich-Königlichen Armee Österreich-Ungarns Königlich Großbritannischer Feldmarschall Königlich Großbritannischer Ehrenadmiral der Flotte Königlich schwedischer Flaggenadmiral Königlich norwegischer Ehrenadmiral Königlich dänischer Ehrenadmiral Admiral der Kaiserlich russischen Flotte Ehrenadmiral der Kgl. griechischen Flotte Sonstige (nichtmilitärische) Ränge und Orden Auswahl Neuntes Oberhaupt und neunter Souverän und Meister des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler Protektor des Johanniterordens Ritter des Hosenbandordens (Vereinigtes Königreich) Ritter des St.Andreasordens (Russland) Ritter des Annunciaten-Ordens (Italien) Ritter des Elefanten-Ordens (Dänemark) Ritter des St.-Hubertus-Ordens Ritter des Seraphinenordens (Schweden) Ritter des Löwen-Ordens (Norwegen) Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies (Spanien) Ehrenbailli und Großkreuz des Souveränen Malteserordens Literatur Schriften Wilhelms II. Autobiographie (Memoiren): Aus meinem Leben – 1859–1888, Leipzig 1926 (K. F. Koehler) Ereignisse und Gestalten – 1878–1918, Leipzig, Berlin 1922 (K. F. Koehler) Erinnerungen an Korfu. Berlin 1924 Vergleichende Geschichtstabellen von 1878 bis zum Kriegsausbruch 1914. Verlag von F. Koehler, 1921 Meine Vorfahren. Leipzig 1929 Kulturhistorische Werke: Das Wesen der Kultur. Privatdruck, 1921 Die chinesische Monade, ihre Geschichte und ihre Deutung. Leipzig 1934 Studien zur Gorgo. Berlin 1936 Das Königtum im alten Mesopotamien. Leipzig 1938 Ursprung und Anwendung des Baldachins. Amsterdam 1939. Sammlungen: Ernst Johann, Reden des Kaisers. Ansprachen, Predigten und Trinksprüche Wilhelms II., München 1966 (dtv) Briefe an den Zaren 1894–1904, hgg. und eingel. von Walter Goetz, übersetzt von M. T. Behrmann, Berlin 1920 Briefe und Telegramme an Nikolaus II. (1894–1914)'‘, hgg. von H. v. Gerlach, Wien 1920. Die Kaiserliche Marine entstand nach der Reichsgründung 1871 aus der Marine des Norddeutschen Bundes. Die Reichsverfassung vom 16. April 1871 bezeichnet die Marine des Reichs meist als Kriegsmarine, an einer Stelle aber auch als Kaiserliche Marine. Für den Marinegebrauch wurde letztere Bezeichnung am 1. Februar 1872 eingeführt. Sie bestand bis zum Ende des Ersten Weltkriegs 1918. Den Schiffsnamen der Kaiserlichen Marine wurde – vergleichbar der Tradition in der britischen Marine (HMS = His/Her Majesty's Ship) – das Kürzel S.M.S. (für "Seiner Majestät Schiff") vorangestellt. 1871 bis 1890 1. Februar 1872 wurden deren bisherige Marinebehörden zur Kaiserlichen Admiralität zusammengefasst, deren erster Chef General der Infanterie Albrecht von Stosch wurde. Den Oberbefehl hatte der Kaiser inne. Anfangs bestand die Hauptaufgabe im Küstenschutz und im Schutz der deutschen Seehandelswege, obwohl schon bald erste Auslandsstationen gegründet wurden. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts beteiligte sich die Kaiserliche Marine an der Gewinnung von Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien. Kiel an der Ostsee und Wilhelmshaven an der Nordsee waren gemäß der Reichsverfassung Reichskriegshäfen. Zu den Aufgaben der Marine gehörte auch die allgemeine Repräsentanz des Reichs im Ausland und vor allem in Übersee. Bereits die Preußische Marine hatte, wie in der damaligen Zeit üblich, Auslandskreuzer eingesetzt, die die diplomatische Interessenvertretung Preußens und später des Reichs insbesondere gegenüber kleineren Staaten zu unterstützen hatten. Ein besonderes Beispiel für diese Form der Zusammenarbeit von Diplomatie und Marine, der klassischen Kanonenbootdiplomatie, war die sogenannte Eisenstuck-Affäre in Nicaragua 1876-1878. 1890 bis 1914 Unter dem flottenbegeisterten Kaiser Wilhelm II. (1888 - 1918) gewann die Marine an Bedeutung, und eine große maritime Rüstungsindustrie entstand. Der Kaiser-Wilhelm-Kanal wurde 1895 fertiggestellt und erlaubte eine schnelle Verlegung der Seestreitkräfte zwischen Nord- und Ostsee. Ab 1889 änderte sich die Führungsstruktur. Marinekabinett, Oberkommando der Marine und Reichsmarineamt (von 1897-1916 war Großadmiral (seit 1911) Alfred von Tirpitz dessen Staatssekretär) entstanden. 1898 beschloss der Reichstag ein neues Flottengesetz, welches den weiteren Ausbau festlegte. Das Oberkommando wurde 1899 durch den Generalstab abgelöst, und der Kaiser übernahm erneut den Oberbefehl. Tirpitz gelang es mit Hilfe seines "Nachrichtenbüros" und des Deutschen Flottenvereins, durch geschickte Propaganda im Deutschen Reich eine große Begeisterung für die Flotte zu erzeugen. Die Flottenrüstung war, wie auch in den anderen Marinen der damaligen Zeit, von einer schnellen technischen Entwicklung gekennzeichnet. Nacheinander wurden neue Waffensysteme eingeführt, wie die Seemine, der Torpedo, das U-Boot und die Marineflieger mit Flugzeugen und Luftschiffen. Obwohl alle diese Entwicklungen bereits mit einfachen Modellen im amerikanischen Bürgerkrieg zum Einsatz gekommen waren, war ihre Bedeutung für künftige Seekriege zunächst kaum erkannt worden. Eine Veränderung der Doktrin zu Verteidigungskrieg und Seeschlacht mündete mit dem Aufbau der Hochseeflotte in einem Wettrüsten mit England. Die aus dem deutsch-englischen Gegensatz entstandene Isolierung des Deutschen Reichs hatte entscheidenden Einfluss auf den Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Eines der wesentlichen Probleme der Kaiserlichen Marine war bis gegen Ende des Ersten Weltkriegs die mangelhafte interne Koordination. Da der Kaiser selber den Oberbefehl ausübte, fehlte es an der Koordination zwischen den diversen direkt unterstellten Marinedienststellen mit direktem Vorspracherecht beim Kaiser, den sogenannten Immediatstellen, von denen es zeitweise bis zu acht gab. Dazu gehörten der Staatssekretär des Reichsmarineamts, der Chef der Hochseeflotte, die Chefs der Marinestationen. Organisatorisch bildete die Hochseeflotte ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts den Kern der Kaiserlichen Marine. Daneben gab es das Ostasiengeschwader, die Mittelmeer-Division und diverse Landdienststellen, wie etwa die Marinestationen der Nordsee und der Ostsee. Hochseeflotte Noch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es allgemein üblich, Flotten nur in den Sommermonaten aktiv zu halten, während im Winter die meisten Schiffe aufgelegt wurden. Nach der Aktivierung im Frühjahr bedurfte es großer Übungen, um die Schiffe einsatzfähig zu machen. Zu diesem Zweck wurde in der Kaiserlichen Marine alljährlich die so genannte Übungsflotte zusammengezogen, an deren Spitze ein Admiral als Flottenchef stand. Um 1900 wurde die Übungsflotte zunächst in Schlachtflotte und 1906 in Hochseeflotte umbenannt. Ihr erster Chef war der Bruder des Kaisers, Prinz Heinrich. Die Hochseeflotte bildete den Kern der Kaiserlichen Marine. Bei Kriegsausbruch im August 1914 betrug ihre Stärke: 14 Schlachtschiffe 22 Linienschiffe 8 Küstenpanzerschiffe 5 Große Kreuzer (Schlachtkreuzer) 7 Große Kreuzer (Panzerkreuzer) 12 Kleine Kreuzer 89 Torpedoboote (im Flottendienst) 19 U-Boote Die Schlachtschiffe, Linienschiffe und Küstenpanzerschiffe bildeten zu dieser Zeit sechs Geschwader, die Kreuzer bildeten fünf Aufklärungsgruppen, die Flottentorpedoboote waren in acht, die U-Boote in zwei Flottillen eingeteilt. Zusätzlich zu den oben aufgeführten Einheiten gehörten zur Hochseeflotte vier Hafenflottillen mit Kleinen Kreuzern und Torpedobooten. Die Chefs der Hochseeflotte im Ersten Weltkrieg waren: 1914 - 1915 Admiral Friedrich von Ingenohl 1915 - 1916 Admiral Hugo von Pohl 1916 - 1917 Admiral Reinhard Scheer 1917 - 1918 Admiral Franz Ritter von Hipper Ostasiengeschwader Das Ostasiengeschwader ging 1897 aus dem vormaligen Kreuzergeschwader hervor. Es war ein selbständiger Verband, der die Aufgabe hatte, deutsche Interessen im asiatisch-pazifischen Raum zu unterstützen. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs versuchte das Geschwader, unter Vizeadmiral Graf Spee, rund um Südamerika nach Deutschland durchzubrechen, wurde aber bei den Falklandinseln durch überlegene britische Kräfte gestellt und vernichtet. Der Erste Weltkrieg Der Erste Weltkrieg offenbarte schnell die konzeptionellen Fehler der deutschen Flottenrüstung. Großbritannien verhängte eine Fernblockade gegen das Deutsche Reich und hielt seine Schlachtflotte außerhalb der Reichweite der Hochseeflotte. Die Seeschlachten des Ersten Weltkriegs (u.a. Gefecht auf der Doggerbank, Skagerrakschlacht) hatten deshalb für den Gesamtverlauf keine entscheidende Bedeutung. Zum Kriegsende sollte die Kaiserliche Marine gemäß einem Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918 zu einer letzten großen Schlacht ("ehrenvoller Untergang") gegen die Royal Navy antreten. Das wurde durch den Matrosenaufstand verhindert. Dieser mündete in die Novemberrevolution, die das Ende des Kaiserreichs bedeutete. Die Verluste an Menschenleben im Seekrieg werden für das Deutsche Reich mit 1.569 Offizieren, 8.067 Deck- und Unteroffizieren und 25.197 Mannschaften angegeben. An sie erinnert das 1936 am 20. Jahrestag der Skagerrakschlacht eingeweihte Marineehrenmal in Laboe bei Kiel. Selbstversenkung der Hochseeflotte Nach Ende der Kampfhandlungen wurde die Hochseeflotte gemäß den Waffenstillstandsbestimmungen im schottischen Scapa Flow interniert. Die Schiffe waren entwaffnet worden und nur mit Notbesatzungen besetzt. Als im Sommer 1919 die Bedingungen des Versailler Vertrages und die damit verbundene Ablieferung großer Teile der Flotte an die Siegermächte bekannt wurde, ließ Konteradmiral Ludwig von Reuter die unter seinem Kommando befindliche Hochseeflotte am 21. Juni 1919 versenken. Damit war der Kern der Kaiserlichen Marine zerstört. Mit der Selbstversenkung hatte die Marine zwar einen Teil des im Krieg und insbesondere während der Revolution verlorenen Ansehens zurückgewonnen, jedoch waren harte Konsequenzen zu tragen. Die Alliierten verlangten nicht nur die Übergabe anderer, zum Teil recht moderner Schiffe, die für die neue Reichsmarine hätten den Grundstock bilden sollen, sondern auch den größten Teil der noch bestehenden deutschen Handelsflotte. Die durch die Versenkung unbrauchbar gewordenen Schiffe hatten noch einen großen Schrottwert. Außerdem blockierten sie die besten Ankerplätze in der Bucht von Scapa Flow. Deshalb wurden sie bis zum Zweiten Weltkrieg zum größten Teil gehoben und verschrottet. Bis heute wird jedoch gelegentlich hochwertiger Stahl aus den Wracks für medizinische Geräte geborgen. Dieser Stahl ist deswegen wertvoll, weil er nicht atmosphärischer Strahlung während der Zeit der oberirdischen Nukleartests ausgesetzt war und sich deshalb gut zum Bau von derartigen Messgeräten eignet. Bilanz Hatte die Marine in den Einigungskriegen von 1866 und 1871 noch keine praktische Rolle gespielt, so wurde sie in den Folgejahren mit Augenmaß und den Bedürfnissen des Reichs entsprechend aufgebaut. Nach Bismarcks Entlassung 1890 begann unter Kaiser Wilhelm II. und Tirpitz das große Flottenwettrüsten, das eine der wesentlichen, jedoch nicht die einzige Ursache des Ersten Weltkriegs war. Es war ein Element einer verfehlten Bündnis- und Rüstungspolitik. Im Ersten Weltkrieg zeigte sich, dass die Hochseeflotte falsch konzipiert und schlecht geführt war. Sie konnte nicht entscheidend zum Kriegsausgang beitragen, und der Unmut ihrer Soldaten entlud sich in Meutereien, die wesentlich zum Ende der Monarchie beigetragen haben.