Brunhilds Abschied von Isenstein.
Originale, farbige Offset-Lithographie von 1937.
Auf braunem Karton montiert.
Nach dem Originalgemälde von Wilhelm Petersen.
In der Platte signiert.
Größe 274 x 174 mm.
Mit minimalen Alterungs- und Gebrauchsspuren, sehr guter Zustand.
Hervorragende Bildqualität auf Kunstdruckpapier – extrem selten!!!
100%-Echtheitsgarantie – kein Repro, kein Nachdruck!!!
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Zu Rückgabe und AGB bitte mich-Seite beachten. Die dort hinterlegten Informationen sind verbindlicher Bestandteil dieses Angebots/dieser Artikelbeschreibung!1937, 20. Jahrhundert, 30er – Jahre, Ahnen, Akademische Kunst, Akademische Malerei, Altdeutschland, Altertum, Altertumskunde, Altmeisterlichkeit, altnordisch, Antike, Ars gratia artis, art history, Artglauben, Asgard, Ästhetik, Bildnis, Bildniskunst, Blond, Brauchtum, Burg Isenstein, cultural history, D-25335 Elmshorn, D-25336, Dekorative Graphik, Deutsche Geschichte, Deutsche Kunst, deutsche Volkskraft, Deutsches Reich, Deutschland, Dreißiger Jahre, Edelleute, Freiheit, Friesen, Friesenwacht, Frühgeschichte, Gemälde, Genre, genre painting, Genremalerei, German, German Romanticism, Germane, Germanen, Germanenglaube, Germanien, Germans, Germany, Geschichtsmalerei, Götterdämmerung, Hattingen, Heiden, Heidentum, Heimatwehr, Helden, Heldengestalt, Heldensage, Historically, Historienbilder, Historienmalerei, Historisch, Historische Bilder, Historismus, History , Isenburg, Kaiserreich, Kaiserzeit, Kampf, Klassik, Kraft, Kreativität, Kultur, Kulturgeschichte, Kunst, Kunstgeschichte, Legenden, Mythologie, Mythos, Nibelungen, Nibelungenlied, Nibelungensage, Niedersachsen, Norddeutschland, Nordfriesen, Nordfriesland, nordisch, nordische Geschichte, Nordland, Nordländer, Nordmeer, Nordsee, Nordseeküste, North sea , Nostalgia, Nostalgie, Ring der Nibelungen, Sagen, Schleswig-Holstein, Speer, Thirties, Tradition, Traumbilder, Träumen, Träumerei, Traumwelt, Vikings, Völkerkunde, Volksglauben, Volkskunde, Vor- und Frühgeschichte, Vorgeschichte, Walküren, Waterkant, Wehrfähigkeit, Wehrhaftigkeit, Wehrkraft, Wiking, Wikinger Wilhelm Petersen (* 10. August 1900 in Elmshorn; † 22. Mai 1987 ebenda) war ein deutscher Maler, Illustrator und Schriftsteller. Leben Petersen lernte bei dem Hamburger Ausstattungsmaler Peter Gustav Dorén und besuchte die Kunstgewerbeschule. 1918 schloss er seine Lehrzeit durch eine Notprüfung als Malergeselle ab und meldete sich freiwillig zum Kriegsdienst. Nach dem Ersten Weltkrieg schloss er sich 1919 dem berüchtigten Freikorps Marinebrigade Ehrhardt an und nahm 1920 am Kapp-Putsch teil. In den 1920er Jahren malte, restaurierte und kopierte er für verschiedene Auftraggeber. Als Bootsmann unternahm er ausgedehnte Reisen in die skandinavischen Länder. Später trat er der N. bei und gehörte zur ..-Künstlerprominenz. 1935 wurde er mit Darstellungen betraut, die das n. Denken im Schulunterricht begreifbar machen sollten, um „unserer Jugend einen künstlerisch hochwertigen und wissenschaftlichen Anschauungsstoff“ zu liefern. Am 30. Januar 1938 ernannte ihn H., A. zum Professor für bildende Künste, obwohl Petersen kein Studium absolviert und keinen akademischen Grad erworben hatte. Im Z. W. wurde Petersen als Kriegszeichner und Kriegsberichterstatter eingesetzt. Am Polenfeldzug nahm Petersen als Schütze in der ..-V.truppe teil; seine Erlebnisse schilderte er im Bildband T. in Polen. Bei der Ausstellung Dt. K. und die .. 1944 in B. wurde von ihm ein Studienblatt aus Russland gezeigt; in der gleichnamigen Salzburger Ausstellung (ebenfalls 1944) waren seine Werke Russische Bauern, Geballte Ladungen werden angebracht und Es reitet der Tod zu sehen. Die Große deutsche Kunstausstellung, als wichtigste kulturelle Veranstaltung im n. Deutschland angepriesen, zeigte 1937, 1938 und 1940 insgesamt acht Werke Petersens; das Gemälde Inken wurde dort von Martin B. (Leiter der P.-K. der N.) erworben; die Zeichnung Dagny B. kaufte H. persönlich für seine private Sammlung. In der Kunstsammlung von G., H. befanden sich fünf Werke Petersens. Petersen wurde zum „K.smaler der ..“ ernannt und gehörte als solcher der ..-Standarte K. E. an. Er war U. der W.-.. und gehörte zu den Illustratoren der von H., H. herausgegebenen Zeitschrift ..-L.hefte. Petersen wurde mit dem E.kreuz für K.steilnehmer I ausgezeichnet und 1943 in den P. Stab R. .. berufen. Krönung seiner Karriere war der Auftrag H., G.s, den R.jägerhof C. mit Wandgemälden auszustatten. Petersens intensivste Förderer waren N.-R.sleiter R., A. und dessen Sekretär Thilo v. T. Nach K.sende wurde Petersen von den A. verhaftet und im von den Briten zum Internierungslager umfunktionalisierten .. N. monatelang verhört; im April 1946 kam er auf freien Fuß. Petersen prägte mit seinen Bildern, heißt es im Brockhaus des Jahres 1939, „neue Vorstellungen vom G.tum in wirklichkeitserhöhender, aber auf genauen vorgeschichtlichen Studien beruhender Gestaltung; Wandgemälde zur nordischen Götter- und Heldensage, Entwürfe zu einer Nibelungenfolge, Bilderreihen zu norddeutschen Märchen- und Spukgeschichten“ usw. bildeten sein Œuvre. In der Zeitschrift V. u. R., für die Petersen auch Titelbilder lieferte, hatte bereits 1935 zu lesen gestanden: Aus seinen „außerordentlich wertvollen Gemälden […] spricht nordisches Wesen und nordische Geisteshaltung ungetrübt und unbeeinflußt“. Nach dem Z. W. hatte Petersen aufgrund seiner Vergangenheit große Schwierigkeiten, neue Arbeit zu finden. 1950 fand er durch Vermittlung von Eduard Rhein eine Anstellung bei der Hörzu. Hier schuf er zunächst Zeichnungen für den redaktionellen Teil und Titelseiten im Stil amerikanischer Illustrierten. Zwischen 1953 und 1964 illustrierte Wilhelm Petersen zwölf Mecki-Bücher. Er löste damit Reinhold Escher als Zeichner der Mecki-Bücher ab. Petersens Mecki-Illustrationen zeigen gelegentlich intensive Anlehnungen an die n. R.theorie und die n. Kunstauffassung. Zwischen 1958 und 1969 arbeitete er im Wechsel mit Reinhold Escher an der wöchentlichen Mecki-Seite der Hörzu. Seit 2009 werden die Mecki-Bände im Esslinger Verlag veröffentlicht. Würdigung 1975 wurde Petersen mit dem Friedrich-Hebbel-Preis für sein malerisches Werk geehrt. Bücher von Wilhelm Petersen Wilhelm Petersen: Ut de Ooken. Hamburg: Küsten-Verlag 1937. Wilhelm Petersen: Der Aalstecher Batavia. Hamburg: Küsten-Verlag 1938. Wilhelm Petersen: Bark-Schiff Flora von Elveshörn. Briefe und Tagebuch-Blätter um ein Grönlandschiff. Bordesholm: Selbstverlag Wilhelm Petersen 1938. Wilhelm Petersen: T.tanz in Polen. Hamburg: Küsten-Verlag 1940. Wilhelm Petersen: Die Gudrun-Sage. Band 7 der Deutschen Heldensagen. Elmshorn: Köllnflockenwerke 1953. Wilhelm Petersen: Er g. an meiner Seite. Zeichnungen 1939-1945. Zeichnungen des Malers W. Petersen aus dem K.sgeschehen im Z. W. Osnabrück: M.-Verlag 1980. Wilhelm Petersen: Die Bukaniere vom Brook Hamburg: Küsten Verlag 1949. Die Nibelungensage ist eine im germanischen und skandinavischen Raum weitverbreitete Heldensage, die über Jahrhunderte in zahlreichen voneinander abweichenden Fassungen überliefert ist. Ihre bekannteste schriftliche Fixierung ist das mittelhochdeutsche Nibelungenlied (um 1200, wahrscheinlich aus dem Raum Passau). Die Sage schlägt sich in mittelalterlichen Quellen außer im Nibelungenlied in der Sage von Dietrich von Bern (Thidrekssaga, altnordisch mit niederdeutschen Quellen, ca. 1250) und zahlreichen Liedern der Liederedda nieder. Unter diesen sind mehrere Sigurdlieder und das ältere Atlilied (altisländisch, aufgezeichnet im 13. Jahrhundert nach teilweise viel älteren Quellen oder Vorstufen). Prosa-Nacherzählungen der Eddalieder finden sich in der Edda des Snorri Sturluson (altisländisch, ca. 1220) und in der Völsunga-Saga (altisländisch, ca. 1250). Vom Ende des 13. Jahrhunderts stammt der Nornagests þáttr. Ursprünge der Sage Die Ursprünge der Sage reichen bis in das so genannte heroische Zeitalter der „Völkerwanderung“ zurück: Als zentraler historischer Kern der Erzählung gilt die Zerschlagung des Machtbereiches der Burgunden am Rhein in der Spätantike durch den römischen magister militum Flavius Aetius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen. Die Burgunden hatten Westrom seit etwa 411 als Söldner (foederati) gedient und in kaiserlichem Auftrag die Rheingrenze bewacht. Als die weströmische Regierung Schwäche zeigte, wollte der burgundische Anführer (rex) Gunthahar die Gelegenheit nutzen, um seinen Machtbereich auf eigene Faust auf die reiche Provinz Belgica auszuweiten. 435 wurde er aber von römischen Truppen zurückgeschlagen, und 436 entschied sich Aetius, der damals für den jungen Kaiser Valentinian III. die Regierung führte, die Burgunden für den Vertragsbruch zu bestrafen. Er heuerte Tausende hunnische foederati an, die den nichtsahnenden Gunthahar angriffen und ihn und die meisten seiner Männer töteten. Die Überlebenden des burgundischen Kriegerverbandes wurden einige Jahre später an der Rhone in Savoyen angesiedelt. Diese Ereignisse scheinen bereits die Zeitgenossen beeindruckt zu haben. Eine zeitgenössische gallische Chronik berichtet zum Jahr 436 knapp: „Ein denkwürdiger Krieg fand statt mit den Burgunden, in dem fast das ganze Volk gemeinsam mit seinem Anführer den Tod fand.“ Und der Zeitzeuge Prosper Tiro von Aquitanien notierte zum Jahr 435: „Zu dieser Zeit besiegte Aetius den Gundichar vernichtend, der als rex der Burgunden in Gallien eingedrungen war. Auf sein Flehen gewährte ihm Aetius zunächst Frieden, den der rex aber nicht lange genießen konnte. Denn wenig später ließ man Hunnen ihn und sein Volk mit Stumpf und Stiel ausrotten.“ Als weitere historische Ereignisse, die in die Sage einflossen und sie um einzelne Namen und Elemente erweiterten, gelten die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern 451, der Tod Attilas 453 sowie die Geschehnisse im zweiten Burgunderreich an der Rhone und bei den Merowingern bis zum Tode Brunichildis 613. Dietrich von Bern, der nach der Sage zeitweise am Hofe Attilas bzw. Etzels lebte, wird bereits seit dem Mittelalter mit dem ostgotischen König Theoderich dem Großen gleichgesetzt, der von 493 bis 526 herrschte. Die Sage weicht allerdings sehr stark von diesen bekannten historischen Ereignissen ab und stellt neue, kontrafaktische Zusammenhänge her. So waren die historischen Burgunden bzw. Burgunder nicht an Attilas Hof gezogen, sondern in ihrer Heimat am Rhein vernichtet worden. Attila war zu dieser Zeit auch noch nicht der hunnische König. Weiterhin war Theoderich der Große nie am Hofe Attilas, wie es in der Sage erzählt wird, zumal der Hunne bei Theoderichs Geburt schon tot war. Man geht daher allgemein davon aus, dass diese Heldensagen ein teils erfundenes, teils immer wieder neu zusammengesetztes Sagengeflecht darstellen, das auf verschiedenen historischen Ereignissen des 5. und 6. Jahrhunderts fußt und später zusammengefügt wurde, wie es für mündliche Überlieferungen charakteristisch ist. Es fehlt nicht an abweichenden Erklärungsversuchen. Im Gegensatz zur historischen und germanistischen Fachwissenschaft vermutete zum Beispiel der Privatgelehrte Heinz Ritter-Schaumburg als wahren Kern der Nibelungensage hingegen historische Ereignisse in Niederdeutschland um das Jahr 500 (siehe unten). Er sieht die Sage als historische Quelle an, wobei er sich vor allem auf die altschwedische Fassung der Thidrekssaga stützt. Helden wie Dietrich von Bern, Siegfried und die Nibelungen seien historische Figuren gewesen und erst im Verlauf des Mittelalters mit historisch bekannten Vorbildern wie Theoderich dem Großen oder den Burgunden verwechselt und gleichgesetzt worden. Von Fachkreisen wird die These allerdings als methodisch unhaltbar abgelehnt. Inhalt des Nibelungenliedes Im Nibelungenlied ist die Hauptfigur Kriemhild und die Hauptproblematik die der höfischen Kultur; es macht aus dem vermutlich viel älteren Sagenstoff beinahe einen Roman, der im Kleid einer Sage Probleme der damaligen Gegenwart von Autor und Publikum zu behandeln scheint. Hier werden nur die Elemente herausgegriffen, die für die Sagengeschichte relevant sind. Die Nibelungen in der Thidrekssaga Mehrere Abschnitte der Thidrekssaga (ThS) behandeln Teile der Nibelungensage. Man nimmt meist an, dass ihr deutsche Quellen zugrunde liegen, wie sie auch selbst angibt. Dabei scheint sie für ihre einzelnen Abschnitte unterschiedliche Vorlagen zu benutzen, die sie aneinander reiht, ohne Widersprüche zwischen ihnen auszugleichen. Die Tatsache, dass es in Deutschland sehr unterschiedliche Versionen der Nibelungensage gab, könnte somit erklären, dass die einzelnen Abschnitte der ThS zueinander teilweise widersprüchlich sind (das trifft nicht nur auf die Nibelungensage zu; auch andere Erzählungen der ThS sind voll von Widersprüchen). Die vorherrschende Lehrmeinung besagt, dass einige Nibelungen-Abschnitte die Quellen der ThS benutzen, die ganz andere Sagenversionen als das Nibelungenlied bieten; während andere Abschnitte Quellen benutzen, die offenbar auch dem Nibelungenlied zugrunde liegen, und wieder andere direkt auf die Fassung 'C' des Nibelungenliedes zurückgehen sollen. Die altschwedische Version der ThS ist dagegen frei von derartigen Widersprüchen und wurde von Heinz Ritter-Schaumburg für die ursprünglichste Version des Sagenstoffes gehalten. Er nahm stattdessen an, dass das Nibelungenlied auf einer Frühform der Thidrekssaga basiert. Meist nimmt man dagegen an, dass der schwedische Übersetzer der ThS die großteils erhaltene, in sich sehr oft widersprüchliche norwegische Handschrift zur Vorlage hatte und beabsichtigte, das Werk zu kürzen und inhaltliche Widersprüche auszugleichen; wie allgemein das Ausgleichen von Widersprüchen kennzeichnend für spätere Bearbeitungsstufen zu sein scheint. Siegfried/Sigurd und Brünhild/Brynhild Das erste Stück, das die Nibelungensage behandelt, liegt etwa in der Mitte der ThS; vorher wird nur eine Figur der Nibelungensage einmal erwähnt, und zwar Brynhild (Brünhild), die auf der Burg Seegard in Schwaben herrscht und von deren Gestüt die berühmtesten Hengste der Helden der deutschen Heldensagen stammen. Die eigentlichen Nibelungenteile der ThS beginnen mit Sigurds (Siegfrieds) Jugend. Die ThS benutzt meist die nordische Form des Namens, Sigurd; nur an wenigen Stellen schlägt die deutsche Form der Vorlage, Siegfried, durch. Sigurds Mutter, die Gattin eines Königs Sigmund, wird zu Unrecht der Untreue verdächtigt; das neugeborene Kind wird ausgesetzt, treibt einen Fluss hinunter (ähnlich wie Moses) und wird von einer Hirschkuh gefunden und zunächst versorgt (ähnlich wie Romulus und Remus von einer Wölfin). Schließlich findet ihn ein im Wald Kohlen brennender Schmied, Mimir, und zieht ihn auf. Der Knabe wird so stark, dass er die Schmiedeknechte verprügelt und den Amboss mit dem Hammer zerschlägt. Mimir hat einen Bruder namens Regin, der zauberkundig ist und sich in einen Drachen verwandelt. In anderen Versionen wird Reginn als Ziehvater von Siegfried genannt, dessen Bruder Fafnir der genannte Drache ist, Mimir und Regin/Reginn werden in verschiedenen Niederschriften als dieselbe Person genannt. Da Mimir die Kräfte des Knaben fürchtet, bittet er seinen Bruder, den Drachen, ihn umzubringen. Dazu schickt er Sigurd in den Wald, in dem der Drache haust, er solle Kohlen brennen. Der Knabe erschlägt jedoch den Drachen mit einem Baumstamm und seiner Holzaxt. Da er hungrig ist, kocht er sich das Drachenfleisch zum Abendessen. Dabei verbrennt er sich den Finger, steckt ihn in den Mund, um ihn zu kühlen, und durch den Genuss des Drachenblutes versteht er die Vogelsprache. Zwei Vögel reden miteinander, dass Mimir ihn töten wolle. Wo seine Hände in Berührung mit dem Drachenblut kamen, wird die Haut hart wie Horn. Als er das merkt, bestreicht er sich mit dem Drachenblut am ganzen Körper. Nur zwischen die Schultern reicht er nicht, was später (ähnlich wie bei Achilles) zu seinem Tod führen wird. Dann geht er heim und erschlägt Mimir, obwohl ihm dieser voll Angst, um ihn freundlich zu stimmen, ein wunderbares Pferd von Brynhilds Gestüt verspricht und eine sehr gute Rüstung und das ausgezeichnete Schwert Gram überreicht. Dann zieht er zu Brynhilds Burg. Sie hat anscheinend ein 'mythisches Vorwissen' um Sigurd, denn sie weiß, als ein Ankömmling gemeldet wird, sofort, dass er es sein muss. Sie nennt ihm auch die Namen seiner Eltern und schenkt ihm den besten Hengst. Von ihr reitet Sigurd weiter zu König Isung von Bertanga-Land (Britannien), dessen Bannerträger er wird. Die Herkunft der Nibelungen Nun folgt ein neuer Abschnitt: Die Herkunft der Niflungen ('Niflungen' ist in der gesamten nordischen Literatur der dem deutschen 'Nibelungen' entsprechende Name). Diesen Abschnitt bringt die altnorwegische Fassung (Membrane) der ThS zweimal hintereinander fast identisch, aber mit verschiedenen Namen: Einmal heißt der Vater der Niflungen Aldrian, einmal Irung; auch die Zahl der Geschwister ist nicht gleich. Der Schreiber hatte offensichtlich zwei schriftliche Fassungen derselben Geschichte vor sich und wollte keine unterdrücken, sondern reihte sie aneinander. Die altschwedische Fassung zeigt hier wiederum keine Widersprüche. Gemeinsam ist allen Thidrekssaga-Fassungen der 'Herkunft der Niflungen', dass Hogni (entspricht deutsch Hagen; in deutschen Übersetzungen nordischer Texte wird er oft Högni geschrieben) nur Halbbruder der Niflungen ist: Die Königin Oda (entspricht dem deutschen Namen Ute) wurde während der Abwesenheit ihres Gatten von einem bösen Geist beschlafen. Das Kind aus dieser Verbindung ist Hogni. Die Zweikämpfe Nun wird die Nibelungensage mit der Dietrichsage zusammengeführt: König Thidrek (entspricht deutsch Dietrich von Bern) lädt die Niflungen zu einem Fest und Gastmahl ein; von den Niflungen nehmen Gunnar (Gunther), Hogni (Hagen) und Gernoz (Gernot) teil. Auf dem Fest beschließen alle Anwesenden, König Isung von Britannien und seine Söhne zu Zweikämpfen herauszufordern. So kommt Sigurd in den Bereich der Niflungen: Er kämpft den letzten, entscheidenden Kampf gegen Thidrek selbst. Thidrek kann nur durch eine nicht erlaubte List gewinnen, die Sigurd entdeckt, er erkennt aber freiwillig Thidrek als Sieger an und folgt ihm als sein Gefolgsmann. Die Hochzeiten Im folgenden Abschnitt zieht Thidrek, und mit ihm Sigurd, ins Land der Niflungen, und dort heiratet Sigurd Grimhild (entspricht deutsch Kriemhild), die Schwester Gunnars und Hognis. In diesem Abschnitt der ThS wird Hogni nicht Halbbruder, sondern Bruder Gunnars genannt. Auf seiner Hochzeit schwärmt Sigurd seinem Schwager Gunnar vor, er kenne die schönste Frau der Welt, Brynhild, und wolle sie Gunnar zur Ehe vermitteln. Dass ein Held anlässlich seiner Hochzeit eine andere Frau (also nicht seine eigene Braut) als schönste Frau der Welt preist, lässt Verwicklungen ahnen. Thidrek, Gunnar, Hogni und Sigurd reiten zu Brynhild nach Seegard. Dort wirbt Sigurd für Gunnar um Brynhild. Sie ist böse auf Sigurd, weil er ihre Verlobung brach (von einer Verlobung sagt die ThS allerdings an der früheren Stelle nichts) und Grimhild heiratete. Brynhild fügt sich in das Geschehene und ist bereit, Gunnar zu heiraten. Einen Werbungstrug wie im Nibelungenlied gibt es in der ThS nicht. Brynhild handelt jedoch in der Hochzeitsnacht wie im Nibelungenlied, indem sie Gunnar fesselt und an einen Nagel an der Wand hängt. In der ThS macht sie das sogar in drei aufeinander folgenden Nächten, bis Gunnar Sigurd sein Leid klagt und den starken Sigurd bittet, im Schutz der Finsternis in sein Schlafzimmer zu schleichen und Brynhild zu entjungfern. Eine Tarnkappe oder andere magische Requisiten kennt die ThS nicht. Jedoch verfügt Brynhild über magische Kräfte, die aber an ihre Jungfräulichkeit gebunden sind. Nach der Deflorierung durch Sigurd ist sie so schwach wie jede Frau und muss sich Gunnar fügen. Nun folgen in der ThS mehrere andere lange Sagen, die nichts mit Nibelungensagen zu tun haben. Viel später geht die Nibelungensage weiter, und zwar mit Sigurds Tod. Der Streit der Königinnen Lange Zeit war seit den beiden Hochzeiten vergangen, und das Reich der Nibelungen, mit der Hauptstadt Werniza (nach der Meinung der meisten Forscher entspricht das dem deutschen Worms), floriert hauptsächlich deshalb, weil Sigurd, der Gatte Grimhilds, mit Stärke und auch Weisheit seinen Schwägern zu Hilfe kommt. Brynhild will eines Tages, als sie die Halle betritt, dass Grimhild vor ihr aufsteht und ihr allein den Hochsitz überlasse. Grimhild pocht auf Gleichrangigkeit. Da beschimpft Brynhild sie, dass Sigurd von einer Hirschkuh aufgezogen worden sei. Daraufhin eröffnet Grimhild, dass sie um das Geheimnis der Brautnacht weiß, und zeigt zum Beweis einen Ring vor, den Sigurd Brynhild abzog, als er sie überwand. Brynhild ist nicht einmal sonderlich überrascht: Sie ahnt, was geschehen war, und fordert Sigurds Ermordung nach dem Streit mit Grimhild, nicht weil Sigurd Gunnar in diesem Punkt geholfen hat, sondern weil er es Grimhild verraten und damit ihre Schande publik gemacht hat. Sie klagt Gunnar, Hogni und Gernoz ihr Leid, fordert Sigurds Tod und reizt die Niflungen dadurch gegen ihn auf, dass sie darauf aufmerksam macht, dass Sigurd immer mächtiger werde und ihnen die Herrschaft entreißen könnte. Der Mord braucht keine Requisiten (wie im Nibelungenlied ein auf Siegfrieds Gewand genähtes Kreuzchen): Es genügt, dass Hogni Sigurd einen Speer zwischen die Schulterblätter stößt, als der sich auf der Jagd auf den Boden legt, um aus einem Bach zu trinken. Der Untergang Nach Sigurds Tod werden einige sehr kurze andere Sagen erzählt; bald ist die ThS wieder bei der Nibelungensage. Von hier bis zum Schluss sind Nibelungenlied und Thidrekssaga sehr ähnlich. An einigen Stellen scheinen beide Werke die gleiche Quelle zu benutzen. Als Inhaltsangabe für den Nibelungenuntergang der ThS kann daher im Groben der ‚Untergang der Nibelungen‘ des Nibelungenliedes gelten. Es gibt jedoch auch wesentliche Abweichungen zwischen beiden Sagenversionen: So liegt der Hof Attilas in Susat (= Soest) im heutigen Westfalen, nicht in Ungarn wie im Nibelungenlied. Gunnar (entspricht Gunther) wird nicht am Ende der Schlacht von Thidrek besiegt, sondern wird im Verlauf der Schlacht von Osid, einem Neffen Attilas, gefangen genommen und wird dann, wie in anderen nordischen Versionen der Sage, von Attila in einen Schlangenturm geworfen. Thidrek erschlägt Grimhild auf Befehl Attilas, nicht Hildebrand im Alleingang, wie im Nibelungenlied. Grimhild handelt in der ThS objektiv teuflisch, auch in den Augen des Erzählers, sodass sogar ihr Gatte ihren Tod fordert, während das Nibelungenlied sie teilweise entschuldigt und Hildebrand nicht den Charakter eines „objektiven“ Rächers erhält. In der ThS tötet sie nicht Hagen, sondern ihren schwer verletzten Bruder Giselher, indem sie ihm ein brennendes Scheit in den Mund stößt. Attila (entspricht deutsch Etzel) ist goldgierig, wie auch in anderen skandinavischen Dichtungen. Hogni wurde von Thidrek schwer verwundet, lebt aber noch einen ganzen Tag lang, bis er stirbt. In dieser Nacht zeugt er noch einen Sohn und gibt der Frau den Schlüssel zum Siegfriedskeller, den sie dem Kind geben soll, wenn es herangewachsen ist. Dieser Sohn, Aldrian, rächt später den Tod Hognis an Attila, indem er den goldgierigen Attila in den Siegfriedskeller führt und von außen die Tür zuschlägt, sodass Attila bei den Schätzen verhungern muss. Auch kennt die ThS keinen Koch und daher auch nicht Rumolds Rat des Nibelungenliedes. Der Hürnen Seyfrit Der Hürnen Seyfrit behandelt Seyfrit/Siegfrieds Geschichte in zwei hintereinander gereihten Versionen, deren erste kurz die Kindheit des Helden entsprechend dem Nibelungenlied wiedergibt, während die zweite den Hauptteil bildet und Siegfrieds Jugend ähnlich der Thidrekssaga erzählt und dann mehrere Drachenkämpfe zur Befreiung der von einem Drachen entführten Kriemhild schildert. Der Hürnen Seyfrit ist nur in Fassungen ab dem 16. Jahrhundert erhalten, die aber auf Vorstufen zum Teil schon des 13. Jahrhunderts zurückgehen, die sich in der Thidrekssaga und in spätmittelalterlichen Bearbeitungen des Nibelungenliedes widerspiegeln. Wichtige Figuren im Nibelungenlied und in anderen Werken der Nibelungensage Die folgenden Personen finden sich zum Teil auch in anderen Werken wie der Edda und Richard Wagners Opernzyklus Der Ring des Nibelungen (in alphabetischer Ordnung). Die Stammliste der Nibelungen: Alberich, Zwerg. Im Nibelungenlied von den ursprünglichen Besitzern, den Nibelungen, und dann auch vom Nachbesitzer, Siegfried, zum Hüter des Nibelungenhortes eingesetzt. Bei Richard Wagner ist Alberich einer der Nibelungen und der ursprüngliche Besitzer des Hortes, den zu schaffen ihm ein zauberkräftiger Ring ermöglichte, den er aus den „Rheintöchtern“ (Nixen im Rhein) geraubtem Gold geschmiedet hatte. Brünhild, Gattin Gunthers. Im Nibelungenlied ist Brünhild Königin von Island und wird unter dem Schutz der Tarnkappe von Siegfried für Gunther geworben. Dabei braucht es einen zweifachen Betrug: Brünhild muss von Siegfried überwunden werden; zuerst bei den Kampfspielen, dann im Ehebett. Der Streit zwischen ihr und Kriemhild bricht beim Zusehen bei einem Turnier aus und erreicht beim darauf folgenden Kirchgang vor der Türe des Münsters seinen Höhepunkt. Brünhild erfährt viel Leid, überlebt aber alle Katastrophen. In der Liederedda ist Brynhild eine Walküre, die von Odin in Schlaf versenkt wurde; zur Strafe, weil sie andere Helden fällte, als er wollte. Sie wird von Sigurd erweckt; Sigurd und Brynhild verloben sich vermutlich (die Handschrift der Liederedda hat hier eine Lücke; in der Edda von Snorri Sturluson findet sich am Ende der Nibelungensagen ein anscheinend späterer Zusatz, dass Sigurd eine Tochter namens Aslaug hat. Diese müsste, wie die Volsunga saga zeigt, anlässlich dieser Verlobung gezeugt sein). Sigurd heiratet aber dann Gudrun, die Schwester Gunnars. Daraus entstehen Verwicklungen, die zur Ermordung Sigurds und zum Selbstmord Brynhilds führen. Die Volsunga saga erzählt ähnlich wie die Snorra-Edda, doch ist in ihr Brynhild eine Schwester Atlis, die übernatürliche Fähigkeiten besitzt und sich in eine Walküre verwandeln kann. Später wirbt Sigurd die verlassene Braut für seinen Schwager Gunnar. Der Werbungstrug erfolgt durch Gestaltentausch, nicht durch Unsichtbarmachen. Das Hindernis sind nicht Kampfspiele, sondern ein Flammenwall, vafrlogi (Richard Wagner: Waberlohe). Auch die „Bettszene“ ist anders: Sigurd muss noch unter Gunnars Gestalt das Beilager mit Brynhild halten, aber, um dem Freund die Treue zu wahren, legt er sein Schwert zwischen sich und Brynhild. Dadurch hat Sigurd keine Eide gegenüber Gunnar gebrochen, wohl aber gegen Brynhild, mit der er schon eine Tochter, Aslaug, hat. Der Streit zwischen Brynhild und Gudrun bricht im Bad aus, welche der beiden im Fluss weiter in das sauberere Wasser hinauswaten darf. Brynhild begeht in der Volsunga saga wie in den Edda-Versionen nach Sigurds Tod Selbstmord. In der Thidreks saga ist Brynhild Herrin einer Burg in Schwaben; sie besitzt übernatürliches Wissen über Siegfried/Sigurd; er erhält von ihr einen besonderen Hengst. Bei diesem Anlass, berichtet die Saga später, verlobten sich die beiden. Doch bricht er die Verlobung und heiratet Grimhild, die Schwester Gunnars. Dafür vermittelt er die Ehe zwischen Gunnar und Brynhild, aber ohne Betrug: Brynhild ist Siegfried/Sigurd wegen des Bruches der Verlobung böse, doch ein Betrug ist erst nötig, als sie Gunnar in der Hochzeitsnacht an einen Nagel an der Wand hängt. Siegfried/Sigurd muss sie für Gunnar deflorieren – ohne magische Mittel; die Finsternis im Schlafraum genügt für den Betrug. Daraus resultieren die Verwicklungen, die zu Siegfried/Sigurds Tod und zu Grimhilds Rache führen; Brynhild überlebt den Untergang, wie im Nibelungenlied. Richard Wagner nennt sie Brünnhilde und folgt teils der Liederedda, teils der Volsunga saga; dem Nibelungenlied entnimmt er fast nichts. Es wurde manchmal vermutet, die Sagenfigur Brünhild könne einen historischen Kern haben, und zwar die westgotische Königstochter Brunichild, die u. a. in den zehn Büchern fränkischer Geschichte des Gregor von Tours erwähnt wird. Dankwart ist im Nibelungenlied der Bruder Hagens und Gunters Marschall. In anderen mittelalterlichen Nibelungendichtungen kommt er nicht vor. Dietrich von Bern wird mit dem Ostgotenkönig Theoderich dem Großen gleichgesetzt; altnordisch: Thidrekr. Lautlich entspricht deutsch Dietrich gotischem Thiudariks, und deutsch Bern ist der alte Name der italienischen Stadt Verona, die zum Herrschaftsbereich Theoderichs gehörte. Die Sage hält sich jedoch nicht an historische Fakten. Insbesondere wurde Theoderich erst geboren, als Attila starb, während er in der Sage an Attilas Hof im Exil weilt. In der Thidrekssaga ist er es, der Grimhild erschlägt, nicht Hildebrand, wie im Nibelungenlied. Das ist sicher die ältere Version, die vom Nibelungenlied abgeändert wird. Etzel ist der deutsche Name für Attila, den Hunnenkönig. Wenn man die lautliche Entwicklung des Deutschen berücksichtigt, entsprechen Attila und Etzel einander genau (i-Umlaut von a zu e und Zweite Lautverschiebung von tt zu tz). Attilas Hauptstadt war aber weder dort, wo das Nibelungenlied sie lokalisiert, noch wirkte er an der Zerstörung des Burgunderreiches mit. Forscher, die die Figuren der Sage mit den Ereignissen des 5. Jahrhunderts verbinden wollen, setzen daher den Etzel der Nibelungensage eher mit dem römischen Magister militum Aetius gleich, der in seiner Jugend als Geisel im Austausch für Attila bei den Hunnen lebte und hunnische Hilfstruppen bei der Zerschlagung des Burgunderreiches einsetzte. Das wird jedoch heute von der Mehrzahl der Forscher abgelehnt, weil man annimmt, dass sich die Sagen in erster Linie um bedeutende historische Namen rankten, wie Attila, aber mit ihnen so frei umgingen, dass auch eine grobe Veränderung der Fakten kein Problem darstellte. Im Nibelungenlied ist Etzel ein toleranter Heide, der auch Christen an seinem Hof duldet, und respektiert die Gastfreundschaft. Der Grund für die Aufnahme dieses positiven Attilabildes ins Nibelungenlied ist vermutlich, dass die Hunnen mit den späteren Ungarn gleichgesetzt wurden (historisch falsch) und dass das Bistum Passau, in dem die Heimat des Dichters zu suchen ist, bei der Christianisierung der Ungarn im 10. Jahrhundert eine wichtige Rolle spielte (insbesondere Bischof Pilgrim von Passau; gest. 991). In mehreren Eddaliedern ist er goldgierig und lädt die Brüder seiner Frau ein, um sie zu ermorden und ihren Schatz an sich zu reißen; er wird von seiner eigenen Frau zur Rache für den Tod ihrer Brüder ermordet. Die Thidrekssaga mischt deutsche Berichte, in denen Attila gut, sogar vorbildlich handelt, und solche, in denen er schatzgierig ist und schließlich von einem Sohn Hagens zur Rache in Siegfrieds Schatzkeller eingesperrt wird, wo er bei den Schätzen verhungern muss. Fafnir ist in den Edden und in der Volsunga saga der Name des von Sigurd getöteten Drachen. Gernot ist im Nibelungenlied einer der Brüder (mit Gunther und Giselher), die gemeinsam über das Burgundenreich herrschen. Auch in der Thidreks saga erscheint er (dort: Gernoz). In den anderen nordischen Versionen der Nibelungensage heißen die Brüder anders; dort ist Högni (Hagen) meist Bruder Gunnars, oder zumindest Halbbruder, und als weiterer Bruder bzw. Halbbruder tritt dort Gottorm auf (der Name ist dem burgundischen Godomarus nachgebildet), der in einer Version der Eddalieder der Mörder Sigurds ist. König Gundobad († 516) ließ die Gesetze der Burgunder aufzeichnen und nennt sich im Prolog als Nachkommen der Burgunderkönige Gibica, Godomar (einige Handschriften bieten stattdessen Gundomar), Gislaharius und Gundaharius. Giselher trägt den Namen des oben genannten Burgunderkönigs Gislaharius. Er kommt in mittelalterlichen Nibelungendichtungen nur im Nibelungenlied und in der Thidrekssaga (dort: Gislher) vor. Gunther trägt den Namen eines Burgunderkönigs (Gundahar). Im Altnordischen lautet der Name Gunnar. Im Nibelungenlied stützt er sich meist auf die Ratschläge Hagens und zeigt erst im Endkampf seine Tapferkeit; Gunther wird nur durch Dietrich von Bern überwunden. In den meisten nordischen Quellen sind die Erzählungen von seinem Tod nur lose mit dem ersten Teil, in dem er Schwager Sigurds ist, verbunden: Der Hunnenkönig Atli (entspricht: Attila) ist gierig nach den Schätzen seines Schwagers Gunnar und lädt ihn und seinen Bruder Hogni ins Hunnenland ein. Trotz heldenhafter Gegenwehr werden die beiden von einer Übermacht überwunden; Atli lässt Gunnar in eine Schlangengrube werfen. Atlis Gattin Gudrun, Gunnars und Hognis Schwester, hält zu den Brüdern und tötet Atli zur Rache für deren Ermordung. Dass diese Gudrun die Witwe Sigurds und erst in zweiter Ehe mit Atli verheiratet ist, wird nicht erwähnt oder spielt keine wesentliche Rolle: Da sie nicht gegen, sondern mit ihren Brüdern kämpft, braucht es nicht die Motivierung durch Sigurds Tod. Hagen von Tronje (altnordisch: Hogni) ist im Nibelungenlied entfernter Verwandter und treuer Gefolgsmann und wichtigster Ratgeber Gunthers. In den nordischen Versionen der Nibelungensage ist er Bruder oder Halbbruder Gunnars. Im Nibelungenlied und in der Thidreks saga ist er der Mörder Siegfrieds. Hildebrand ist Waffenmeister Dietrichs von Bern. In der Nibelungensage tritt er nur im Nibelungenlied und in der Thidrekssaga auf. Kriemhild basiert vermutlich auf Ildico (der Name entspricht der Wortbildung nach Hildchen, aber die Funktion des iko-Suffixes war wahrscheinlich nicht die einer Koseform wie im deutschen -chen), der letzten Nebenfrau Attilas. Kriemhild heißt sie im Nibelungenlied und in der Thidreks saga (dort: Grimilda). In den anderen nordischen Quellen heißt die Schwester Gunnars und Hognis Gudrun. Richard Wagner nennt sie Gutrune. Nibelunge heißen im Nibelungenlied die Söhne des verstorbenen Königs Nibelung, dessen Schatz erst Siegfried und nach dessen Tod Kriemhild gewinnt, der er von Hagen mit Zustimmung Gunthers geraubt wird; von da an bezeichnen sich die Burgunden auch als Nibelunge. In allen anderen Dichtungen ist Nibelunge (altnordisch: Niflungar) der Name der Familie Gunnars und Hognis von Anfang an, und er hat mit Siegfried / Sigurds Schatz nichts zu tun. Sie heißen schon Niflunge, bevor sie Sigurds Schatz an sich nehmen; in einem Eddalied bekommen sie Sigurds Schatz schon anlässlich der Brautwerbung Sigurds um Gudrun (Sigurd „kauft“ seine Braut mit dem Schatz). Ortwin von Metz, Truchsess Gunthers im Nibelungenlied, Verwandter Hagens von Tronje. In anderen mittelalterlichen Nibelungendichtungen kommt er nicht vor. Rüdiger (auch Rüdeger) von Bechelaren ist im Nibelungenlied ein Markgraf, der als Exilierter beim Hunnenkönig Etzel Zuflucht gesucht und die Markgrafschaft von Bechelaren (Pöchlarn in Niederösterreich; an der Mündung der Erlauf in die Donau) zu Lehen erhalten hatte. Er wirbt 13 Jahre nach Siegfrieds Tod bei Gunther um die Hand Kriemhilds für Etzel. Er leistet Kriemhild einen Treueeid, der ihn später dazu zwingt, gegen die Burgunden (u. a. gegen den mit seiner Tochter verlobten Giselher) zu kämpfen. Rüdiger und Gernot töten in diesem Kampf einander. Rumold ist im Nibelungenlied Küchenmeister Gunthers. Scherzhaft wird er einerseits als Koch, anderseits als hoher Träger eines Ehrenamtes, der den König in dessen Abwesenheit vertritt, gezeichnet. In anderen Nibelungendichtungen tritt kein Koch auf. Helmut Rosenfeld brachte die Einführung dieser Figur ins Nibelungenlied mit der Einführung des Ehrenamtes eines Reichsküchenmeisters durch König Philipp von Schwaben (ca. 1202) in Verbindung. Die Schaffung einer derartigen literarischen Figur könnte eine ironische Stellungnahme zur Einrichtung dieses Ehrenamtes sein. Siegfried der Drachentöter bzw. Siegfried von Xanten im Nibelungenlied, Sigurd in den nordischen Texten, außer in der Thidrekssaga, in der er meist Sigurd heißt, manchmal aber auch Siegfried (darin spiegeln sich die deutschen Quellen der Thidrekssaga): Eine historische Person, deren Taten Ausgangspunkt oder Kristallisationskern für die Sagenfigur des Siegfried abgegeben hätten, konnte nicht nachgewiesen werden. Die seit etwa 1820 angenommene Identität von Siegfried und Arminius wurde durch Adolf Giesebrecht 1837 genauer formuliert; seitdem wird sie immer wieder diskutiert. Das wichtigste Gegenargument ist, dass unter den vielen Namen, die aus dem 6. und angehenden 7. Jahrhundert stammen, kein einziger Siegfried belegt ist; die frühesten Belege des Namens Siegfried stammen vom Ende des 7. Jahrhunderts und beziehen sich auf Personen, die um oder nach 650 geboren wurden. Danach wird dieser Name sehr schnell häufig. Wenn es schon früher einen berühmten Sagenhelden dieses Namens gegeben hätte, wäre es unerklärlich, wieso sein Name nicht in der Personennamensgebung benutzt wurde. Auch eine entfernte Ähnlichkeit mit der historischen Person des Frankenkönigs Sigibert I. (u. a. über Austrasien, zuerst ansässig in Reims später in Metz) ist nicht so groß, dass es wahrscheinlich wäre, dass Siegfried auf ihn zurückgeht. Ute heißt die Mutter Kriemhilds im Nibelungenlied, auch in der Thidreks saga (dort: Oda). In der Volsunga saga heißt sie dagegen Grimhild (weil man diesen Namen der deutschen Sage irgendwie unterbringen wollte, aber der Name von Gunnars Schwester im Norden fest mit Gudrun besetzt war). Volker von Alzey ist im Nibelungenlied ein Spielmann und Ritter König Gunthers. Im ersten Teil wird er von Siegfried im Krieg gegen die Sachsen zum Fahnenträger gewählt; im zweiten Teil sticht er hervor, sowohl durch seine große musikalisch-künstlerische Begabung (Fidelspiel) als auch durch seine Tapferkeit und unbedingte Kriegerfreundschaft mit Hagen und die ironisch-bissigen Sprüche gegen die Feinde, in denen sich die beiden überbieten. In der Thidreks saga (dort: Folker) ist er ein tapferer adliger Kämpfer, ohne Verbindung zur Kunst oder zu Spielmännischem. Wolfhart ist Neffe Hildebrands und einer der jungen Heißsporne in Dietrichs Gefolgschaft. Durch seinen übersteigerten Ehrbegriff, der es ihm nicht erlaubt, die Schmähungen Volkers ungerächt zu lassen, werden Dietrichs Versuche, wenigstens die letzten Überlebenden zu retten, vereitelt. Wolfhart fällt im Zweikampf gegen Giselher; stolz, durch einen König den Tod zu finden und sich noch dafür rächen zu können, indem er sterbend Giselher erschlägt, und außerdem noch Zeugen dafür zu haben, die seinen Nachruhm verbreiten können. Wolfhart ist damit der Repräsentant von „heldischer Gesinnung“ im Nibelungenlied schlechthin; sein Wunsch nach einem Heldentod geht in Erfüllung, während Hagen von der Erzählung dies nicht gewährt wird; er wird unrühmlich von einer Frau erschlagen. Forschungsdiskussion Da die schriftliche Überlieferung der Nibelungensage erst im Hochmittelalter einsetzt, sind Entstehung und Entwicklung der Sage auf Quellenkritik und hypothetische Rekonstruktionen angewiesen. Die Geschichte der Rekonstruktionen der vorschriftlichen germanischen Heldendichtung ist voll von theoriegestützten Vermutungen, Spekulationen und Sondermeinungen, die von der Mehrheit der Experten nicht oder nur für kurze Zeit als erwägenswert angesehen wurden. Der Privatgelehrte Heinz Ritter-Schaumburg vertrat die Auffassung, das „christlich geprägte“ und sich auf altiu maere (alte „Mären“, Erzählungen) berufende Nibelungenlied beruhe auf einer Frühform der „heidnisch geprägten“, von historischen Ereignissen im norddeutschen Raum des 5./6. Jahrhunderts n. Chr. berichtenden Thidrekssaga, die als Vorlage gedient habe. elehnt. Vielmehr seien sowohl das Nibelungenlied wie die für die Thidrekssaga vorauszusetzenden deutschen Vorlagen schriftepische Bearbeitungen von schriftlichen und mündlichen Sagenfassungen, die im 12. Jahrhundert im ober- und niederdeutschen Sprachraum kursierten. Inhalt, poetische Form und Verwandtschaft dieser Fassungen werden sich nie genau bestimmen lassen. Jedoch wird heute mehrheitlich angenommen, dass die Thidrekssaga niederdeutsche, großteils schriftliche Quellen benutzt, die ihrerseits zu einem guten Teil Bearbeitungen schriftlicher oberdeutscher (bairischer) Vorlagen sind. Vor allem die Verlegung des Unterganges der Nibelungen nach Westfalen scheint sekundär zu sein. 2011 erschien unter dem Titel „Attil und Krimkilte“ die deutsche Übersetzung eines tschuwaschischen Manuskriptes eines dortigen Epos, das in Tscheboksary, der Hauptstadt Tschuwaschiens gefunden wurde: eine „hunnische Variante der Nibelungensage“, die 1956 nach mündlichen Überlieferungen aufgezeichnet wurde. Handschriften Das Nibelungenlied zählt zu den herausragenden Beispielen der europäischen Heldenepik. Die drei Handschriften A, B und C gelten als die wichtigsten und vollständigsten. Die Handschrift A befindet sich im Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek, die Handschrift B wird in St. Gallen in der Schweiz aufbewahrt und die Handschrift C liegt in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe. Die UNESCO hat im Juli 2009 die drei wichtigsten und vollständigsten Handschriften des Nibelungenlieds in das Weltdokumentenerbe aufgenommen. Als Germanen wird eine Anzahl von Stämmen in Mitteleuropa und im südlichen Skandinavien bezeichnet, deren ethnische Identität die Forschung traditionell über die Sprache bestimmt. Sprachzeugnisse, die gegenüber den rekonstruierten indogermanischen Dialekten die erste (germanische) Lautverschiebung aufweisen, gelten als Beleg für germanische Völker. Ab der Zeitenwende prägte der Kontakt mit den Römern die germanische Welt, wie auch die Entwicklung des Römischen Reichs sich dann zunehmend mit der germanischen Welt verband. In der Spätantike entwickelten sich aus der Vielzahl germanischer Stämme einige größere Völker, welche über weite Entfernungen innerhalb Europas und den angrenzenden Regionen wanderten. Einige gründeten Reiche nach antikem römischen Vorbild. Elemente der germanischen Religion und des religiösen Brauchtums wurden unter anderem durch Akkommodation in das angenommene Christentum übertragen. Dieser Artikel beschreibt die allgemeine Geschichte der germanischen Völker beginnend vor der Zeitenwende bis in die Spätantike. In der Forschung wird auch die Geschichte Skandinaviens bis ins Mittelalter im germanischen Kontext gesehen. Die Geschichte einzelner Stämme, die germanische Mythologie und die germanischen Stammesrechte sind Thema weiterer Artikel. Begriffskritik: Germanen Die Herkunft des Begriffs ist bis heute nicht zweifelsfrei geklärt. Von „Germanen“ kann strenggenommen erst zu der Zeit gesprochen werden, in der sie in den schriftlichen Quellen erscheinen und auch so genannt werden. Älteste historische Berichte über germanische Kulturen stammen von Begegnungen mit den Griechen und dem Römischen Reich; eigene Schriftzeugnisse wie z. B. die Runen finden sich erst nach der Zeitenwende. Der Germanenbegriff ist eine völkerkundliche Einteilung in antiker Tradition für eine Großgruppe zwischen Kelten und Skyten. Er ist zum geringen Teil eine Selbstbezeichnung, im übrigen aber eine Fremdbenennung von außen. Auch eine Selbstbenennung lässt keinen Schluss auf ein Bewusstsein gesamtgermanischer Identität zu, schon gar nicht im Sinne moderner Vorstellungen von Ethnizität, da die gentes, die Stämme, auch sehr inhomogen zusammengesetzt waren. Der namensgebende Kern wird nach Poseidonios in den Stämmen am Niederrhein und am Nordseeküstengebiet gesehen. Die Ausweitung des Namens wird den Kelten und Römern zugeschrieben, ist aber des näheren nicht mehr zu erhellen. Auch eine Selbstzuordnung von Stämmen zu den Germanen ist möglich, wie es nach Tacitus die Marrsi, Gambrivii, Suebi und Vandilii taten, indem sie behaupteten, zur Mannus-Genealogie zu gehören. Als das wichtigste Ereignis der Ethnogenese wird die Ausbreitung der Sueben angesehen. Nach Wenskus waren es die Sueben, die die ethnische Einigung der Germanen in die Wege leiteten. Dass, obwohl sich der Suebenname immer weiter ausbreitete, sich nicht der Suebenname, sondern die Germanenbezeichnung durchsetzte, ist nach ihm auf die Konfrontation der Sueben mit den Römern zurückzuführen, die die politische Kraft des Suebentums zerbrochen habe. Das Wachsen eines Einheitsgefühls ging von verschiedenen Zentren aus und war mehr von außen als von innen her stimuliert. Dabei spielte auch die Infiltration von geografischen Randgruppen an der Elbe und in Jütland sowie in Südskandinavien und die damit einhergehende Selbstkeltisierung eine Rolle. Historische Quellen Bereits der griechische Reisende Pytheas aus Massilia berichtete um 330 v. Chr. über die Länder um die Nordsee und die dort lebenden Völker. Die ostgermanischen Bastarnen drangen ab ca. 200 v. Chr. nach Südosten in das heutige Ostrumänien vor und wurden ab 179 v. Chr. in Kämpfe der Makedonen und anderer Völker auf dem Balkan verwickelt. Als ältester Beleg für das Wort „Germanen“ gelten die fasti triumphales zum Jahre 222 v. Chr. Dort wird der Sieg des Marcus Claudius Marcellus bei Clastidium „de Galleis et Germaneis“ genannt. Damals belegte man offenbar die Gallier die nördlich der Alpen siedelten mit dem Germanenbegriff. Plinius der Ältere nennt in seiner Naturalis historia 3, 25 Germanen in den Alpen. In Rom wurden also noch lange die in Mitteleuropa lebenden Völkerschaften nicht als Germanen bezeichnet. Erst in der späteren römischen Literatur wurde der Beginn der römisch-germanischen Konfrontation mit dem Kimberneinfall verbunden. Zur Zeit ihres Auftretens wurden die Kimbern noch nicht als Germanen identifiziert. Plutarch selbst trat dann für die Bezeichnung „Germanen“ für die Kimbern ein. Überwiegend wurden die Kimbern aber für Kelten gehalten. Die historischen Überlieferungen über auch so bezeichnete Germanen beginnen in den Berichten antiker Schriftsteller im 1. Jh. v. Chr. Der älteste Hinweis findet sich um das Jahr 80 v. Chr. bei Poseidonios von Apameia im 30. Buch. Dort schildert er, dass die Germanen als Hauptmahlzeit Glieder gebratenen Fleischs zu sich nähmen, Milch tränken und unvermischten Wein. Für die Leser der damaligen Zeit beschreibt diese Charakterisierung Barbaren. Poseidonios kannte die Germanen offenbar nur als ein in der Nähe des Rheins lebendes, den Kelten (s.a. Gallier) nahestehendes Volk, zu denen die Kimbern am Nordrand der bekannten Welt (Oikoumene) nicht gehörten. Auch Strabon hielt die Germanen für ein den Galliern verwandtes Volk. Kurze Zeit später prägte Julius Caesar in seinem Buch „Der gallische Krieg“ 51 v. Chr. den Begriff, indem er Gallien am Rhein enden ließ und alles Land östlich davon als Germanien bezeichnete (Germanenexkurs). Bis dahin glaubte man, nördlich der Alpen würden im Westen die Kelten und im Osten durch den Fluss Tanaïs (Don) getrennt die Skythen leben. Caesar definierte die Gruppe der Germani cisrhenani nach der militärischen Aufgebotsordnung und Wehrgenossenschaft der Belger: Er rechnete die Condrusi, Eburones, Caerosi, Caemani, Ambivariti und die Segni dazu, nicht aber die benachbarten Atuatucer, obgleich er sie für Abkömmlinge der Kimbern hielt, weil sie nicht zu dieser Aufgebotsordnung gehörten. Sie haben sich auch selbst gegenüber Caesar als „Germani“ bezeichnet.[4] Die Bezeichnung cisrhenani legt aber nahe, dass man sie schon damals von rechtsrheinischen Germani unterschied. Wie Caesar dazu kam, alle östlich des Rheins lebenden Völkerschaften mit Germanen zu identifizieren, ist umstritten. Der Germanenbegriff wird im Laufe seines Kriegsberichts inhaltlich weiter aufgefüllt bis hin zu seinen Erläuterungen in 6, 11 ff. Eine Erklärung könnte sich aus einem politischen Ziel ergeben, den Rhein als Völkergrenze anzusehen und eine tiefe Kluft zwischen Galliern und Germanen zu beschreiben und so sein Werk als „Eroberung Galliens“ darzustellen. Für Pomponius Mela waren die südliche Grenze des Germanengebietes die Alpen, die westliche Grenze der Rhein, die östliche die Weichsel und das Gebiet der Sarmaten, die nördliche die Meeresküste. Eine tatsächliche Kulturscheide stellte der Rhein jedoch nicht dar, da sowohl östlich davon keltische als auch westlich davon germanische Gruppierungen siedelten und Caesar dies auch bekannt war. Archäologisch lässt sich lediglich das Gebiet der oppida in nördlicher und östlicher Richtung abgrenzen. Diese Festschreibung Caesars wirkte sich jedoch fortan in ethnografischer Hinsicht differenzierend aus. Der römische Historiker Tacitus schreibt in seiner Ethnografie „Germania“ im Jahre 98: Die ersten, die den Rhein überschritten und die Gallier vertrieben hätten, die jetzigen Tungrer, seien damals Germanen genannt worden. So habe der Name eines Stammes, nicht eines ganzen Volkes, allmählich weite Geltung erlangt: zuerst wurden alle nach dem Sieger, aus Furcht vor ihm, als Ger-manen bezeichnet, bald aber nannten auch sie selbst sich so, nachdem der Name einmal aufgekommen war. Tacitus zufolge wurden alle rechtsrheinischen Stämme zuerst von den Galliern als Germanen im umfassenden Sinn bezeichnet. Cicero kannte den Germanenbegriff Caesars noch nicht. Von Tacitus stammt die Überlieferung der mythischen Genealogie, die die Germanen auf Tuisto, Mannus und dessen drei Söhne, zurückführte und die den Stammesgruppen der Ingaevonen, Hermionen und Istaevonen ihren Namen gegeben hätten. Eine Variante habe noch die Marsi, Gambrivii, Suebi und Vandilii hinzugefügt. Der Germanenname galt zunächst für kleine Völker im belgisch-niederrheinischen Bereich beiderseits des Rheins. Diese Völker befanden sich vor Caesar noch außerhalb des Horizonts der antiken Beobachter und wurden, als man von ihnen erfuhr, zunächst für Kelten gehalten. Die Ausbreitung des Germanennamens wird heute meist darauf zurückgeführt, dass die Gallier die östlichen Invasoren als Fremde empfanden, sich von ihnen abgrenzten und für die Invasoren den Germanennamen verwendeten. Die Römer hätten ihn dann von den Galliern übernommen. Das Wort Germanen ist nicht, wie häufig versucht, auf den Ger (von germ. *gaizaz), einen Wurfspeer, zurückzuführen. Es wird jedoch Verwandtschaft mit lat. germānus ‘leiblich, echt, wahr’, air. gairm ‘Schrei’ oder air. gair ‘Nachbar’ erwogen. Anfänglich waren es die Sueben, deren Tradition und Erscheinung bestimmend für die ethnografische Wahrnehmung und Beschreibung zahlreicher germanischer Stämme in der antiken Welt wurden. Später lag diese Dominanz bei den gotischen Stämmen. In der Spätantike wurde der Germanenbegriff weiterhin nur für die auf germanischem Gebiet siedelnden Stämme gebraucht, die wandernden (ostgermanischen) Großstämme traten unter einer eigenen Identität auf (Goten, Vandalen usw.). Die Skandinavier wurden schon nicht mehr zu den Germanen gezählt. Moderner Germanenbegriff Der moderne Germanenbegiff setzt auf der Begriffsbildung Caesars auf. Im 19. und 20 Jahrhundert wurden die Germanen weithin als „Volk“ verstanden, das Volkstum wurde an der Sprachentwicklung wie der Lautverschiebung festgemacht. Diese Identifizierung führte zu der These, dass die in der antiken Überlieferung genannten westgermanischen Stämme nach modernen sprachlichen Kriterien im wesentlichen Kelten gewesen seien. Auch der archäologische Germanenbegriff ging vom sprachwissenschaftlichen Germanenbegriff aus: Weil sich der „Volksgeist“ auch in seinen materiellen Schöpfungen ausdrücke, wurden archäologische Fundtypen beständigen Kulturgruppen dann zugeordnet, wenn eine durchgehende Besiedlung nachgewiesen werden konnte und diese mit den antiken Quellen vereinbar war. So setzte der archäologische Germanenbegriff den sprachwissenschaftlichen voraus und dieser den in der antiken Literatur. Der antike Germanenbegriff umfasste schon aus geografischer Unkenntnis heraus den skandinavischen Raum nicht, schloss aber die im Ostseeraum siedelnden Suebenstämme ein. Er wurde in der Zeit des Humanismus beherrschend. Der humanistische Germanenbegriff wurde im 19. Jahrhundert mit dem romantischen Volksbegriff zusammengebracht und fand über die „Volksgeistlehre“ Eingang in die Germanenideologie. Dieser einheitliche Germanenbegriff ist heute in verschiedene Germanenbegriffe aufgelöst. Dafür gibt es mehrere Ursachen: Zum einen ist die Identifizierung von archäologischen Fundtypen mit einheitlichen Volksgruppen nicht mehr aufrecht zu erhalten. Auch der durchaus berechtigte Sprachstammbaum rechtfertigt nicht eine wesensmäßige Einheit „germanischer Völker“. Die den unterschiedlichen Fachrichtungen (Archäologie, historische Forschung, Linguistik) eigentümlichen Germanenbegriffe sind nicht mehr deckungsgleich. Wenn auf der einen Seite die Fundtypen keinen Völkern zugeordnet werden können, die historischen Germanen nicht eine Sprachfamilie bilden und diejenigen, welche germanische Sprachen redeten, nicht unbedingt Germanen sind, dann handeln die Einzelwissenschaften nicht mehr von einem identischen Gegenstand „Germanen“. Ein besonderes Beispiel ist, dass das einzige Volk, das sich nach antiker Überlieferung selbst als Germanen bezeichnete, nämlich die caesarischen Germani cisrhenani, nach heutiger Erkenntnis keine Germanen, sondern keltisch assimilierte Belger waren. Der in dem einen wissenschaftlichen Bereich vorherrschende Germanenbegriff gilt nicht notwendig in einem anderen. Die Skandinavier sind nur im Bereich der Germanischen Philologie Germanen, die Vertreter der Jastorfkultur nur bei den Prähistorikern und die historischen Franken ihrem eigenen Verständnis nach gar keine Germanen. So wurde der Germanenbegriff auf Zeiträume übertragen, in denen es ein germanisches Identitätsbewusstsein nicht gab. In der Reaktion gegen den Gedanken einer Substanz des Germanentums, die in einer geschichtsbiologistischen Ideologie gipfelte, wurde nunmehr das ethnische Selbstbewusstsein zum Kern des Volks- oder Stammesbegriffs. Diese Sichtweise wird auch dem häufig zu beobachtenden Wechsel in der Zuordnung der Stämme, der geringen Beständigkeit der Stämme und Stammesgesellschaften sowie ihren Wanderungen eher gerecht. Der Charakter der Stämme reduziert sich damit auf Abstammungsgemeinschaften, die sich in Traditionskernen und genealogischen Überlieferungen niederschlagen. Diese Unterschiede im Germanenbegriff sind noch Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Die frühgermanischen Kulturen Für die Forschung zur frühen Entwicklung der germanischen Stämme werden archäologische, linguistische und historische Erkenntnisse genutzt. Für die Zeit vor 100 v. Chr. existieren nur wenige historische Zeugnisse. Konsequenterweise kann von Germanen auch erst ab dieser Zeit die Rede sein. Archäologische Untersuchungen Die Archäologie kann von sich aus die Frage, was unter dem Begriff Germanen zu verstehen ist, nicht beantworten. Sie stellt Kulturgruppen fest, die einander mehr gleichen als den Nachbarn, muss aber für ihre Einordnung auf die historische Namensgebung zurückgreifen. Die Fundgruppen weisen Beziehungen zu historischen Stämmen auf, decken sich aber nicht mit diesen. Eine indogermanische Ethnizität früher nord- und mitteleuropäischer Kulturen wie der Ackerbau betreibenden Trichterbecherkultur ab ca. 4000 v. Chr., die zwischen (ca. 3500–2800 v. Chr.), zu einer Megalithkultur wurde, gilt als nahezu ausgeschlossen. Die Identität der so genannten Streitaxtleute (ca. 2800–2200 v. Chr.; auch Schnurkeramiker genannt) mit den frühen germanischen Kulturen bzw. ihren west-indogermanischen Vorfahren ist umstritten, insbesondere weil sich hier linguistische und archäologische Begriffe überlagern. Am ehesten waren die Träger dieser Kultur jedoch die Vorfahren mehrerer Zweige der indogermanischen Völker, darunter auch der frühgermanischen. Die Zugehörigkeit der vorgermanischen Kulturen zum Nordischen Kreis (Nordische Bronzezeit, ca. 1800–500 v. Chr.) gilt als relativ sicher. Der Norden der Mark Brandenburg lässt sich dieser Kultur zuordnen, Südbrandenburg, Sachsen und Polen dagegen der Lausitzer Kultur, von einigen Autoren als slawisch angesehen. Die daran anschließende Ausbreitung der Jastorfkultur scheint die Expansion einer frühen germanischen Kultur und ihre Vermischung mit der einheimischen Bevölkerung widerzuspiegeln; z. B. geht die im Nordwesten Deutschlands gelegene früheisenzeitliche Nienburger Kultur in der Jastorfkultur auf. Da eine Einwanderung in das Gebiet des Nordischen Kreises seit der Bronzezeit nicht nachweisbar ist, wird angenommen, dass dort bereits zu dieser Zeit (zumindest teilweise) germanisch gesprochen wurde. Nebenbei – eine Abwanderung in der Eisenzeit ist nachgewiesen. Die Gruppierungen zwischen Nordsee und Weichsel waren Bauernkulturen der Urnenfelderkultur mit oft großen Friedhöfen. Nördlich des keltischen Gebiets der oppida lassen sich archäologisch mehrere frühgermanische Gruppen unterscheiden: im Westen die Harpstedter Gruppe – deren charakteristisches Merkmal die auch als Urnen genutzten Rauhtöpfe sind. in der Mitte die Jastorfer Gruppe die pomerellische oder pommersche Gesichtsurnengruppe im östlichen Gebiet – benannt nach ihren Urnen mit einem Gesichtsrelief Obwohl in den Stammessagen germanischer Völker oft Skandinavien als mythische Urheimat angegeben wird, lässt sich eine entsprechende von Skandinavien ausgehende Siedlungsbewegung archäologisch nicht nachweisen (zu den Herkunftsgeschichten siehe auch Origo gentis). Nach ihrem Herkunftsmythos – von Jordanes in der Getica niedergeschrieben – entstammen beispielsweise die Goten der Insel Scandza. Noch nach der älteren Forschung verließen die Goten um das Ende des 2. Jahrhunderts v. Chr. ihre vorgebliche Heimat in Südschweden und/oder auf der Insel Gotland (da „Scandza“ eben nicht genau zu lokalisieren ist). Sie zogen über das Meer und ließen sich auf dem Gebiet des heutigen Polen nieder. Archäologisch lässt sich jedoch eine Herkunft aus Schweden oder Gotland nicht bestätigen und in der neueren Forschung wird von dieser These Abstand genommen. Möglich ist auch eine Bildung der Goten als polyethnischer Verband erst auf dem Boden des heutigen Polen. Es wird als Zentrum der frühgermanischen Kulturen das Gebiet des heutigen Dänemark sowie Südschweden und Norddeutschland angenommen. Von hier aus haben sie sich seit Mitte/Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. vor allem nach Süden und Südosten ausgebreitet. Begründet wird diese Hypothese: mit dem Fehlen einer frühgermanischen Schicht an Toponymen (Ortsnamen) in diesem Gebiet mit der archäologisch nachweisbaren Ausbreitung typisch germanischer Funde im späten 2. und im 1. Jahrtausend v. Chr. in Richtung Süden Der Schwerpunkt germanisch einzuordnender Gewässer- und Ortsbezeichnungen weist jedoch nach dem Onomastiker Prof. Jürgen Udolph in den südniedersächsischen Raum, an den Nordrand der deutschen Mittelgebirge. Diese noch junge Hypothese hat in letzter Zeit an Zustimmung gewonnen, wird aber von der Mehrheit der Wissenschaftler (bislang) nicht geteilt. Die 1920 entwickelte „siedlungsarchäologische Methode“ Gustaf Kossinnas zur Suche nach frühgeschichtlichen germanischen Ethnien der Kupfer- und Bronze- und frühen Eisenzeit wurde – durch ihre Gleichsetzung von archäologischer Kultur und Ethnie – von den Nationalsozialisten missbraucht und hält wissenschaftlicher Kritik nicht stand. Die moderne Siedlungsarchäologie versucht heutzutage unter anderen Grundannahmen, archäologische und linguistische Befunde der prähistorischen Zeit zu einem widerspruchslosen Gesamtbild zusammenzuführen. Die frühe germanische Sprache Die germanischen Sprachen zählen zur indogermanischen Sprachfamilie. Die Sprachwissenschaftler des 19. und 20. Jahrhunderts gingen davon aus, dass sich die germanische Sprache ca. 500 v. Chr. durch die germanische Lautverschiebung (siehe Grimmsches Gesetz und Vernersches Gesetz) von anderen indogermanischen Kentumsprachen löste. Zwei Beispiele für die Verschiebung: lat. pater → dt. Vater bzw. lat. kentum → dt. hundert. Zur Zeit wird diese Datierung sowie die Abfolge der verschiedenen Lautwandelprozesse jedoch hinterfragt. Auch die Unterteilung in Kentum- und Satem-Sprachen entspricht nicht mehr der aktuellen Systematik. Heutzutage geht man davon aus, dass das frühe Germanische mit den Vorläufern der baltischen und slawischen Sprachen eine Dialektgruppe innerhalb der indogermanischen Sprachen bildet. Die germanischen Sprachen lösten sich dann aus dieser Gruppe, wobei sie vielleicht von uralischen Sprachen beeinflusst wurden. Lebensweise der Germanen Generalisierende Beschreibungen über die soziale, wirtschaftliche und politische Struktur sind notwendigerweise undifferenziert und der sehr komplexen Wirklichkeit kaum angemessen. Sie speisen sich meist aus den Texten Caesars und der Germania des Tacitus, die jedoch in die Zeit und in den Kontext der Absichten der Verfasser zu stellen sind. Aber einige Züge haben in der Wissenschaft eine allgemeine Anerkennung gefunden. Dies ist für die folgenden Ausführungen zu beachten. Siedlung Die Germanen wohnten in verhältnismäßig kleinen Siedlungen. Aus den Bestattungsplätzen der Germanen schließen Archäologen, dass die Größe von Siedlungen bei etwa zweihundert Menschen lag. Die Siedlungen entwickelten sich selten planmäßig: Dort, wo bereits ein Germane siedelte, kamen bald weitere hinzu. Ein Erbe dieser Siedlungsweise sind bis heute die so genannten Haufendörfer in Deutschland und anderen Ländern des germanischen Kulturkreises. Häufig wurden die Dörfer von einer Art Zaun, selten durch eine richtige Palisade umgeben. Nur in den Grenzregionen zum Römischen Reich wurden mit Beginn der Feindseligkeiten und gegenseitigen Übergriffe die Dörfer mit Wällen oder Palisaden geschützt und bewacht. Aus Ausgrabungen ist bekannt, dass die Germanen in Holzhäusern in Skelettbauweise wohnten. Da im Gegensatz zu Steinhäusern das Holz mit der Zeit verrottet, geben lediglich die archäologisch nachweisbaren Pfostenlöcher einen Aufschluss über den genauen Aufbau der Häuser. Die verbreitetste Art war das dreischiffige Langhaus, 6–8 m breit und oft mehr als doppelt so lang, in Einzelfällen über 60 m. Unter seinem Dach beherbergte es sowohl die Familie als auch alle Halbfreien und Sklaven sowie die Tiere, die lediglich durch eine Wand getrennt waren. Dies hatte vor allem den Vorteil, dass die Tiere dazu beitrugen, das Haus in den kalten Wintermonaten mitzuheizen. Der Wohnraum besaß keine weiteren Trennwände, in seiner Mitte befand sich eine Feuerstelle. Der Rauch konnte über eine Öffnung im Dach abziehen. Fenster besaßen die germanischen Häuser wohl nicht. Obwohl die wichtigste Bestattungsmethode zur Zeitenwende die Verbrennung mit anschließender Urnenbestattung war, sind auch zahlreiche Moorleichen bekannt, die mit sehr unterschiedlichen Todesumständen verknüpft sind. Ab etwa 300 nimmt der Anteil der Körpergräber stark zu, wenn auch die Verbrennung bei einigen Stämmen weiterhin üblich bleibt. Gesellschaft Prinzipien Das Volk war in die Stände Freie, Halbfreie (Knechte) und Rechtlose (Kriegsgefangene, Sklaven) gegliedert. Zu bestimmten Zeitpunkten fanden die Versammlungen der freien Männer (Volksthing) statt, bei denen wichtige Entscheidungen besprochen und getroffen wurden, so z. B. die Wahl des Königs. König und Gaufürsten hatten beim Volksthing nur das Vorschlagsrecht. Die Gesellschaft war patriarchalisch organisiert und die Hausgemeinschaft hatte eine besondere Stellung in ihr. Die Macht des Königs reichte nur bis zum Hausherrn, aber alle im Haus Lebenden unterstanden diesem, wobei die Aufsicht der Sippe einen Schutz vor Willkür bot. Nach Tacitus war die Einehe verbreitet. Damit bildeten die Germanen eine Ausnahme unter den barbarischen Stämmen der Antike. Entwicklung Grabfunde weisen auf eine zunehmende soziale Differenzierung in den ersten Jahrhunderten n. Chr. hin. Angehörige der Adelsschicht wurden zunehmend unverbrannt mit reichen Beigaben bestattet, während sonst die Urnenbestattung weiterhin üblich blieb. Die Aristokratien beruhten auf Gefolgschaft und überdauerten politische Bündnisse und Heerkönige. Die halbnomadische Lebensweise ließ ein stabiles Königtum nicht zu. Im Laufe der Zeit bildete sich bei den germanischen Stämmen eine aristokratische Führungsschicht heraus – erkennbar auch an den sich verbreitenden Erdbestattungen mit Grabbeilagen – und die Kultgemeinschaften der früheren Kaiserzeit wurden durch Gefolgschaftsverbände abgelöst, die mehrere Stämme umfassen konnten. Der Aristokratie entstammten die Heerkönige, deren Herrschaft oft auf die einzelne Person beschränkt blieb. Es handelte sich um die faktische Stellung durch Leistung und selbsterrungener Macht. Es gab im Osten auch geteiltes Königtum, entweder bei mehreren Stämmen im Gesamtverband, oder neben dem politischen ein sakrales Königtum. Ein monarchisches Königtum bildete sich erst im frühen Mittelalter mit der Entstehung germanischer Königreiche heraus. Die erste Erwähnung eines Königs Maelo für die Sugambrer bei Augustus gilt als unsicher. Der erste historisch bekannte Heerkönig germanischer Völker ist Ariovist. Seine Herrschaft war nicht auf einen einzelnen Stamm beschränkt. Zur Zeitenwende bildeten bereits die Sueben einen Großverband, der so auch von Tacitus beschrieben wurde. Über die mit der germanischen Großstammbildung verbundenen sozialen Konflikte ist wenig bekannt und der Gegensatz von Arminius und Marbod kann hier lediglich als ein Beispiel dienen: Arminius und Marbod Der Cherusker Arminius (†21 n. Chr.) und der Markomanne Marbod (†36 n. Chr.) waren beide adliger Abstammung und verfolgten in Bezug auf Rom die gleichen Ziele – die Unabhängigkeit ihrer Stämme. Beide hatten die römische Kultur intensiv kennengelernt. Marbod war einige Jahre in Rom und stand in der Gunst Augustus. Nach seiner Rückkehr wurde er Stammesführer der Markomannen. Arminius und sein Bruder Flavus standen als Befehlshaber cheruskischer Einheiten in römischen Diensten und besaßen das römische Bürgerrecht. Arminius besaß den römischen Ritterstand; die Cherusker hatten sich freiwillig den Römern unterworfen. In der folgenden Zeit spaltete der Konflikt mit den Römern auch die cheruskische Führungsschicht. Arminius heiratete Thusnelda gegen den Willen ihres Vaters Segestes. Es kam zu gegenseitigen Belagerungen. Segestes paktierte mit Varus und Germanicus, Arminius' Onkel namens „Inguimer“ mit Marbod. Für beide Heerführer war die adlige Abstammung notwendige Voraussetzung für den Aufstieg zum Heerkönig, jedoch allein nicht ausreichend. In der gegebenen historischen Situation waren auch militärische Erfolge gegen die Römer erforderlich und beide besaßen die nötige Kenntnis römischer Militärorganisation. Arminius errang den militärischen Erfolg 9 n. Chr. durch einen Sieg über die drei römischen Legionen des Varus und konnte sich auch gegenüber den Angriffen des Germanicus 14–16 n. Chr. behaupten. Auch Marbod verfügte über ein Heer von vermutlich 70000 Fußsoldaten und 4000 Reitern gegen das Tiberius 6 n. Chr. zwölf Legionen aufbot. Lediglich ein pannonischer Aufstand verhinderte die direkte Konfrontation. Nach Verhandlungen wurden ein Frieden „unter gleichen Bedingungen“ geschlossen, der das militärische Prestige Marbods ungemein stärkte. Vor allem Arminius konnte nach Ende der römischen Bedrohung die monarchische Gewalt nur aufrechterhalten, wenn er gegen Marbod kämpfte. Im Jahre 17 n. Chr. kam es zur Schlacht, Marbod zog sich zurück, verlor sein militärisches Prestige, zwei Jahre später sein Königreich durch Katwalda und musste bei den alten Feinden um Asyl bitten. Dass es kein Konflikt zwischen Stämmen war, zeigt auch, dass Inguimer auf der Seite Marbods kämpfte. Arminius schließlich, dessen Macht zu groß wurde, brachten seine eigenen Verwandten um. Wirtschaft Die Germanen waren hauptsächlich sesshafte Bauern und gingen, im Gegensatz zu einer weit verbreiteten Vorstellung, nur selten zur Jagd. Sie waren vor allem Selbstversorger. Aber neben der Landwirtschaft gab es auch Handwerker wie Schmiede, Töpfer und Tischler. Das Rad war bereits seit indoeuropäischer Zeit bekannt. Es gab in den germanischen Dialekten sogar zwei Wörter dafür. Geld kannten die Germanen nicht, ihr Handel beschränkte sich auf reine Naturalienwirtschaft. Hauptwertgegenstand war wie bei den Römern das Vieh. Davon zeugt bis heute die Bedeutung des englischen Wortes fee = Gebühr (ursprünglich eben: Vieh!). Unter den Feldfrüchten kam der Gerste eine besondere Rolle zu. Verschiedene Weizenarten, Roggen, Hafer und Hirse kamen – regional unterschiedlich – hinzu. Vor allem im Nordseeküstengebiet wurde die Ackerbohne angebaut. Ansonsten auch die Erbse, der Flachs und etwas Hanf. Gartenbau wurde ebenso betrieben; Obstbau wahrscheinlich nicht. Auch Wildfrüchte wurden gesammelt, zum Beispiel Eicheln [27], verschiedene Beeren (Brombeeren, Himbeeren, Wald-Erdbeeren) Schlehen und Wildkräuter wie Spörgel, der in den Mägen einiger germanischer Moorleichen nachgewiesen werden konnte. Bienenhonig wurde von wildlebenden oder eingefangenen Wildbienen-Völkern gesammelt, [28] Bienenzucht im heutigen Sinne gab es noch nicht. Gezüchtet wurden hauptsächlich Rinder, ebenso Schafe, Schweine, Ziegen und Geflügel sowie Pferde, Hund und Katze. Ebenfalls wussten die Germanen, wie Käse zubereitet wird. Die germanische Sprachen kannten ein eigenes Wort für Weichkäse, das in den skandinavischen Sprachen im Wort „Ust“ bzw. „Ost“ (= Käse) fortlebt. Für Hartkäse entlehnten sie das lateinische Wort caseus (= Käse). Der einfache Pflug war lange bekannt, vereinzelt wurde auch ein Scharpflug genutzt. Ebenso war die Egge bekannt, sowie der Spaten, die Hacke, die Harke, die Sichel und die Sense. Die Äcker ließen sie regelmäßig brach liegen, und sie wussten um den Nutzen der Düngung. Getreide wurde hauptsächlich in Form von Brei gegessen, Brot konnte sich bis ins Mittelalter nur die Oberschicht leisten. Die ländlichen Siedlungen waren ebenso der Raum handwerklicher Tätigkeiten. Die Verarbeitung von Leder oblag den Männern, während Textilien (Spinnen und Weben) von Frauen produziert wurden. Spezialisierte Personen – die immer auch noch Bauern waren – waren als Zimmerer, Tischler, Drechsler oder Schnitzer tätig. Ebenso wurde Eisen, Buntmetall, Bein sowie Ton verarbeitet. Überörtliche Manufakturen bzw. Handwerksbetriebe waren selten. Es gibt keine Hinweise auf ein ausgebautes Straßennetz, Warenverkehr auf Rädern oder mit Schiffen. Jedoch sind römische Luxusgüter überall auf germanischem Gebiet zu finden. Umgekehrt wurden vermutlich Bernstein, Pelze und von Römerinnen sehr geschätztes blondes Frauenhaar exportiert. Römisches Geld war in Besitz von vielen, diente jedoch nicht dem Geldverkehr. Eine eigene Münzprägung ist erst aus nachantiker Zeit bekannt. Nach neuesten Erkenntnissen soll sich in der Nähe des heutigen Berlin bereits eine Art Hütten-„Industrie“ entwickelt haben. Der dort hergestellte Stahl soll von hoher Qualität gewesen und vor allem in das Römische Reich exportiert worden sein. Auch der Schiffbau (Hjortspringboot, Nydam-Schiff) war bereits hoch entwickelt. Die Produktivität war wesentlich geringer als bei den Römern. Es gab Hungersnöte und viele Germanen litten an Unternährung, was zu einer deutlich verringerten Lebenserwartung führte. Der Gesundheitszustand der Germanen war oft schlecht; Gelenkerkrankungen und Bandscheibenschäden waren verbreitet. Religion, Mythologie und Christentum Germanische Religion Die Religion der Germanen ist insgesamt betrachtet, über die Zeit- und Kulturräume der einzelnen germanischen Völker und Stammesgruppen hinweg, eine dezentral auf lokale Kultzentren bezogene Religion. Die religionswissenschaftliche Klassifizierung in nordgermanischen, südgermanischen und gesonderten angelsächsischen Kultus erschließt sich aus der allgemeinen Quellenlage der schriftlichen und archäologischen Zeugnisse und den historischen Entwicklungen und Ereignissen. Der religiöse Kult und der damit verbundene Ritus war nie konstant, sondern muss immer auch unter den gesamtpolitisch-kulturellen Verhältnissen betrachtet werden, welchen die einzelnen Gruppen ausgesetzt waren und welchen die jeweiligen Zeugnisse zugeordnet sind. Grundsätzlich prägend für die germanische Geschichte – und folglich auch für die germanische Religionskultur – war der Übergang von der Jagdgesellschaft zur agrarisch bäuerlichen Kultur und der Übertritt zur christlichen Religion. In der ca. 2000-jährigen Periode, zwischen diesen epochalen Zäsuren, war die germanische Religion als solche mit ihren regionalen Unterschieden in ihren Grundzügen relativ homogen. Der Zusammenhalt der germanischen Stämme wurde vor allem durch gemeinsamen Götterkult und Opferhandlungen begründet. Teilweise kamen auch verschiedene Stämme zu gemeinsamen Riten zusammen und bekräftigten so ihr Bündnis. Allgemein waren die religiösen Handlungen der germanischen Kulturen jedoch sehr vielfältig. Unter den Göttern sind Odin (Wodan), Thor (Donar) und Freyja die bekanntesten Namen, die sich auch in unseren heutigen Wochentagsnamen widerspiegeln. Tempelbauten wie bei den Römern sind nicht bekannt. Die Götter wurden auf Waldlichtungen, in heiligen Hainen und an heiligen Gewässern bzw. Mooren verehrt – teilweise mit Menschen- und Tieropfern. Auch Waffen und andere militärischen Ausrüstung (vermutlich von besiegten Feinden) wurden an Seen geopfert. Entsprechend den weiblichen Gottheiten gab es Priesterinnen und Seherinnen. Christianisierung Eine monographische Gesamtdarstellung der Christianisierungsgeschichte der Germanen fehlt bisher. Diese Geschichte muss in drei großen, in Raum und Zeit unterschiedlichen Verläufen gesehen werden: die Verbreitung des gotischen arianischen Christentums im 4. bis 6. Jahrhundert die Christianisierung des fränkischen Reiches vom Ende des 5. bis zum frühen 9. Jahrhundert und die der Angelsachsen vom Ende des 6. bis zum 7. Jahrhundert die Christianisierung des Nordens Europas im 10. und 11. Jahrhundert Die Goten waren die ersten, die an der unteren Donau und auf der Krim mit dem Christentum in Form des Arianismus in Berührung kamen. Die abwertende Fremdbezeichnung arianisch – nach dem alexandrischen Presbyter Arius († 336) – bezeichnet eine um 350 entstandene Position, die in den Streitigkeiten um die Trinitätslehre vermitteln sollte und die in der römischen Staatskirche zeitweilig (im Ostteil des Reiches bis 378) offizielle Geltung besaß. So wurde sie einerseits von den reichsansässigen sogenannten Kleingoten Wulfilas, für den allerdings Jesus Christus im Widerspruch zu der Lehre des reinen Arianismus „Gott und Herr“ war, und auch von den Terwingen (Westgoten) aufgenommen. Kurz vor dem Hunneneinfall im Jahre 375 wurde bei den Terwingen noch mit römischer Unterstützung eine rudimentäre kirchliche Organisation aufgebaut. Wulfila wurde einer der ersten Bischöfe der Westgoten. In einem ähnlichen Kontext ist auch die Wulfilabibel zu sehen. Im Gegensatz zu westlichen Kirche, die den Gottesdienst an die lateinische Sprache band, war die östliche Kirche bereit, die Volkssprache in der Liturgie zu verwenden. Das gotische Christentum ist auch als eine Nationalkirche und christliche Nationalkultur des Ostens zu sehen. Die Übersetzung der Bibel ins Gotische ist nicht gleichzusetzen mit mittelalterlichen Übersetzungen biblischer Texte, die der Erbauung und Unterweisung dienten. Die gotische Bibel war ein liturgisches Buch, dessen Sprache eng mit der Vorlage verbunden blieb. Ein im Westen provokantes Merkmal des östlichen Ursprungs der gotischen arianischen Kirche war die erneute Taufe übertretender nichtarianischer Christen. Die Verdrängung der heidnischen Religion wurde auch als Bedrohung der sozialen Ordnung gesehen und es kam 350 bzw. 370 zu Christenverfolgungen. Mit der Westwanderung christianisierter Germanen (Goten, Vandalen, Burgunden, Langobarden) und den Reichsgründungen verbreitete sich der Arianismus auch in der – ansonsten katholischen – westlichen Hälfte des römischen Reiches. Jedoch wurden längst nicht alle Germanen christianisiert, sodass mit dem Zusammenbruch des römischen Reiches auch die Verbreitung des Christentums einen Rückschlag erlitt. Das Frankenreich wurde von dem kulturellen Überlagerungsbereich zwischen Rhein und Loire aus christianisiert. Bereits Chlodwig I. hatte sich taufen lassen, um sich den Einfluss auf die katholische Kirche zu sichern. Ab dem 7. Jahrhundert griff die Christianiserung auch auf die Randzonen und Nachbarländer des Fränkischen Reiches über und fand ihren Abschluss mit der Eroberung und Eingliederung der Friesen und Sachsen. Ab dem Ende des 7. Jahrhunderts waren auch angelsächsische Kräfte an der Mission beteiligt. Die Missionierung des angelsächsischen Englands ging mit unterschiedlichen Traditionen vom Kontinent und von Irland aus. Die Christianisierung des Nordens erfolgte durch deutsche und englische Kräfte und hatte entscheidenden Anteil an der Ausbildung der Königsmacht ab dem Ende der Wikingerzeit. Die Missionierung setzte bei den politischen Führungsspitzen an. Für diese ergaben sich durch die Annahme des Christentums neue Möglichkeiten der religiösen Legitimierung, die sich voll ausgebildet zuerst im Westgotenreich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts in Form der Königssalbung zeigen. Die neuartige Verbindung königlicher Kirchenherrschaft führte zur räumlichen Abgrenzung der kirchlichen Bezirke durch politische Herrschaft und trug zur spätrömischen Partikularisierung der westlichen Kirche bei. Diese Entwicklung wurde ab dem letzten Drittel des 7. Jahrhunderts u.a. durch das „Leitbild der romorientierten Partikularkirche“ umgekehrt. Die Religion der Germanen galt für die christliche Mission wie auch vorher schon die hellenistisch-römischen Religionen als dämonische Verblendung, die die Menschen hinderte, zu ihrer gottgegebenen Bestimmung zu finden. Die Missionierung verfolgte einerseits das Ziel der Integration des ganzen politischen Verbandes in die heilsanstaltliche Kirchorganisation und andererseits die Beseitigung der heidnischen Kulte. Massenhaft vollzogene Taufungen ohne ausreichende Vorbereitung dienten der Aufnahme in die Kirche und die christliche Religion ersetzte als neuer einzuhaltender Kult den alten. In der Karolingerzeit wurde die dem Taufgelöbnis vorangehende Absage an den Teufel um das Abschwören der heidnischen Götter und Kulte erweitert. Im Lex Saxonum Karls des Großen wurden bestimmte heidnische Bräuche (Hexenverbrennung, Leichenverbrennung, Menschenopfer u.a.) mit der Todesstrafe bedroht. Private heidnische Kultausübung wurde mit Geldstrafen belegt. Der Alleingeltungsanspruch wurde zuerst im öffentlichen Raum durchgesetzt und die politisch-sozialen Funktionen der heidnischen Kulte übernommen. Diese funktionale Kontinuität hatte auch Auswirkungen auf die Entwicklung des Christentums. In der Forschung wird in diesem Zusammenhang aktuell der Begriff der Germanisierung des Christentums diskutiert. Darstellende Kunst Die germanische Kulturwelt war arm an Bildern. Erst ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. wurden Szenen und Gestalten der Mythologie auf goldenen Schmuckscheiben abgebildet. In der jüngeren Kaiserzeit wurden von römischen Vorbildern nach Tierformen gestaltete Fibeln übernommen. Besonders beliebt waren Eber und Hirsch. Bronzene vollplastische Rinderfiguren waren ebenso bekannt, wenn auch selten. Über die Holzschnitzerei kann natürlich wenig gesagt werden. Die Nachahmungen römischer Tierbilder wurden mit der Zeit zu einer eigenständigen germanischen Tierornamentik weiterentwickelt. Entwicklung der Schrift Erste eigene schriftliche Überlieferungen der Germanen setzen um 200 n. Chr. mit den ältesten urnordischen Runeninschriften ein. Die Runen wurden hauptsächlich als magische Zeichen benutzt. Längere Schriften sind selten, häufig wurden Runen in Waffen (Lanzenspitzen, Schwerter) oder Fibeln geritzt. Das einzig zusammenhängende schriftlich erhaltene Werk vor dem Ende der Völkerwanderung ist die Wulfilabibel aus dem 4. Jahrhundert. Da die Goten keine eigene Schrift besaßen, entwickelte Wulfila ein Alphabet, das sich aus griechischen, lateinischen und runischen Schriftzeichen zusammensetze. Siehe auch: Samnordisk runtextdatabas Die germanischen Stämme Bedeutung der Stämme Wesentliches Element der politischen und gesellschaftlichen Ordnung auf germanischem Gebiet waren die Stämme. Ein Stamm verfügte als Siedlungsgemeinschaft über ein bestimmtes Siedlungsgebiet, auf dem auch Angehörige anderer ethnischer Gruppierungen leben konnten, wie beispielsweise in eroberten Gebieten. Der Stamm besaß eine einheitliche politische Führung und stellte eine Rechtegemeinschaft dar. Ebenso gab es natürlich eine gemeinsame Sprache, religiöse Riten und ein Identitätsbewusstsein, dessen deutlichster Ausdruck ein Mythos der gemeinsamen Abstammung war. Tatsächlich waren jedoch auch Stämme keine einheitlichen und stabilen Gebilde, sondern immer von Durchmischung, Neubildung, Abwanderung, Untergang und dergleichen betroffen. Erstmals detaillierte Beschreibungen der Germanen finden sich bei Tacitus. Er beschreibt eine recht einheitliche germanische Kultur auf einem Gebiet ungefähr vom Rhein im Westen bis zur Weichsel im Osten und von der Nordsee im Norden bis zu Donau und Moldau im Süden. Hinzu kommen die – von Tacitus nicht beschriebenen – germanischen Siedlungsgebiete in Skandinavien. Tacitus legt dar, dass sich die germanischen Stämme in drei Gruppen gliedern und dass es zahlreiche Stämme gibt, die nicht in diese Gliederung passen. Nach Tacitus unterscheiden sich die einzelnen Stämme nach ihren Kultorten. Die germanischen Stämme zur Zeitenwende waren also vermutlich vor allem Kultgemeinschaften. Dieser Unterteilung lassen sich auch archäologischen Gruppierungen zuordnen. Seit dem 2. Jahrhundert traten Großstämme als bedeutendste Akteure in der germanischen Welt auf. Sie wurden aggressive Gegner des römischen Imperiums und Träger der Völkerwanderungsreiche. Sie verflochten sich in unterschiedlicher Weise mit der mediterranen Hochkultur und beendeten die relative Einheit der Germanen zu Gunsten gesonderter Entwicklungen. Der Germanenname verschwand aus den antiken Quellen und wurde durch die Namen der Großstämme mit eigenen Traditionen ersetzt. Sie bestimmten das Geschehen der Völkerwanderungszeit und bildeten die Grundlage der europäischen Völker- und Nationalstaatengeschichte. Die diesen Vorgang analysierenden Untersuchungen von Wenskus stellen den heutigen Forschungsstand zu diesem Thema dar. Es handelte sich um einen aus Bündnissen entstehenden Konzentrationsprozess, der politische und militärische Durchschlagskraft zum Ziel hatte. Gleichzeitig setzte eine zunehmende Differenzierung der sozialen Schichtung ein. Herrschaftsbildung auf personaler Grundlage, Land-, Menschen- und Beutegewinn auf der einen Seite und Instabilität der Ergebnisse auf der anderen Seite war auf engen Austausch mit imperialen und kulturellen Gegebenheiten im römischen Machtbereich angewiesen. Tiefgreifende politische und soziale Veränderungen waren Voraussetzung für stabile politische Formen. Dabei ist ein fundamentaler Unterschied zwischen den Großstämmen des Westens (Franken, Alamannen) und den gentes des Ostens (Goten, Vandalen, Heruler, Gepiden) festzustellen. Die Großstämme des Westens sind erst im 3. Jahrhundert bezeugt, während sich die gentes des Ostens zunächst der antiken Wahrnehmung entzogen. Deren Wanderungsverbände bildeten sich nicht an der Peripherie des Reiches, sondern weit im Hinterland. Die Grenznachbarn des römischen Reiches wurden dann auf diesen Zügen integriert. Stämme zur Zeitenwende Die Siedlungsgebiete der Germanen im ersten Jahrhundert (siehe Karte) lassen sich unterteilen in (keine vollständige Auflistung): Nordseegermanen Die Nordseegermanen (bei Tacitus Ingaevonen) – Angeln, Chauken, Friesen, Sachsen, Warnen: Sie bildeten später den Großstamm der Sachsen. Rhein-Weser-Germanen Die Rhein-Weser-Germanen – Angrivarier, Bataver, Brukterer, Chamaven, Chatten, Chattuarier, Cherusker, Sigambrer, Sugambrer, Tenkterer, Ubier, Usipeter: Aus ihnen ging im 3. Jahrhundert der Großstamm der Franken hervor. (siehe auch Nordwestblock) Sueben Siehe Hauptartikel Sueben. Die suebischen (auch swebischen) bzw. elbgermanischen Gruppen – bestehend aus Hermunduren, Langobarden, Markomannen, Quaden, Semnonen und vielleicht (umstritten) die Bastarnen: Aus ihnen ging im 3. Jahrhundert vor allem der Großstamm der Alamannen hervor, dazu bildeten v.a. die Markomannen durch Vermischung mit anderen Stämmen und Volksgruppen den Großstamm der Bayern, die Hermunduren den der Thüringer. Ein Teil der Sueben überquerte zusammen mit Alanen und Vandalen 406 den Rhein (siehe Rheinübergang von 406) und wanderte mit diesen 409 nach Hispanien ein. Dort bildeten sie im Nordwesten das Reich der Sueben, das die Grundlage des späteren Staates Portugal bildete. Die Langobarden, nach denen die Lombardei benannt ist, nahmen ebenfalls andere germanische Gruppen in ihren Stamm auf, gründeten zuerst in Pannonien und 568 nach Eroberung in Italien ein Reich. Nordgermanen Die Nordgermanen bzw. Ostseegermanen auf der jütischen Halbinsel und im südlichen Skandinavien – Ästier, Suionen (Schweden) – Zu den Nordgermanen werden auf Grund sprachlicher Indizien die skandinavischen Stämme gerechnet. Einen Übergangsbereich zu den Nordseegermanen bilden die Angeln und die Jüten. Aus ihnen gingen später die Dänen, die Schweden und die südlichen Norweger hervor. Wie weit die übrigen Norweger und Isländer hinzuzurechnen sind, hängt vom Germanenbegriff ab, wie er im Kapitel Begiffskritik dargestellt ist. (siehe auch: Skandinavier). Archäologisch werden die Nordgermanen in die Ost- und Westnordische Gruppe aufgeteilt. Oder-Warthe-Germanen Die Oder-Warthe-Germanen – Burgunden, Lugier, Vandalen: Archäologisch wird die Przeworsker Kultur (im südlichen Polen) zugeordnet. Weichselgermanen Die Weichselgermanen – Bastarnen, Gepiden, Gotonen, Rugier, Skiren: Archäologisch wird die Wielbark-Kultur (Willenbergkultur) zugeordnet, deren Vorgänger die Oksywie-Kultur (Oxhöftkultur) war. Nachdem die Wielbark-Kultur in den Raum südlich der Ostsee expandierte, hat sie sich nach Südosten verlagert, wo sie in die Cernjachov-Kultur des 2. bis 5. Jahrhunderts übergeht. Diese archäologischen Funde spiegeln sicherlich die Wanderung der Goten wider. Spätantike – Völkerwanderung Die Stämme, unter deren Namen germanischen Völker in der Spätantike bekannt wurden, existierten zur Zeit Tacitus noch nicht oder waren vage Bezeichnungen. Franken, Goten, Burgunden u.a. bildeten sich als Großstämme erst in den Jahrhunderten nach der Zeitenwende heraus. Diese Entwicklung blieb den römischen und griechischen Ethnographen lange verborgen, sodass sich in den historischen Aufzeichnungen kaum Beschreibungen finden. Die Vielfalt von über 40 Stämmen bei Tacitus reduzierte sich auf einige wenige, die in der Antike als „neue“ Völker zu den bisherigen dazugezählt wurden. Als kleinere Verbände oder als Volksgruppen, die sich den Großstämmen anschlossen oder Teilstämme bildeten, wurden noch in der Spätantike u. a. folgende Stammesnamen genannt: Warnen, Angeln, Jüten, Juthungen, Rugier, Heruler. Zu den neugebildeten Großverbänden zählen in der Spätantike u. a. Alamannen, Burgunden, Franken, Goten, Gepiden, Langobarden, Markomannen, Sachsen, Thüringer, Angelsachsen und Vandalen. Anstelle der Markomannen werden ab dem 6. Jahrhundert die Bajuwaren genannt. Alamannen Die Alamannen/Alemannen werden das erste Mal unter den Stämmen erwähnt, die nach 260 das von den Römern aufgegebene rechtsrheinische Dekumatland (Agri decumates) besetzen. Zu diesen Zeitpunkt waren die Alemannen eine Mischung aus Stammesgruppen der Semnonen, Burgundionen, Rätovariern, Brisigaviern u.a. Entsprechend bedeutete der Name ursprünglich „zusammengespülte und vermengte Menschen“. Die Alemannen wurden von den Römern geduldet, da sie den Rhein als Grenze anerkannten. Erst ab der Mitte des 5. Jh. dehnten sie ihr Siedlungsgebiet auch auf linksrheinische Gebiete aus – bis in die Champagne. Damit kam es zum Konflikt mit den Franken und die nördlichen Territorien gingen nach der Schlacht von Zülpich (lat. Tolbiacum) 496 an diese verloren. Im 7. Jh. expandierten die Alemannen in die Nordschweiz. Burgunden Die ostgermanischen Burgunden siedelten zur Zeitenwende nach Plinius im Gebiet zwischen Oder und Weichsel. Ab dem 2. Jh. bewegten sie sich nach Westen und besiedelten die Lausitz und östliche Teile Brandenburgs. Ein Jahrhundert später erreichten Stammesgruppen das Maintal und zu Beginn des 5. Jh. kam es zur ersten Reichsgründung in der Region von Worms und Speyer. Die Burgunden kamen in intensiveren Kontakt mit dem Römischen Reich und traten auch zum Christentum über. Franken Die Franken, bildeten sich aus einem lockeren Kampfverband der Chamaven, Salier, Chattuarier, Ampsivarier, Brukterer und anderen Stammesgruppen. Raubzüge in Gallien werden ab der Mitte des 3. Jh. erwähnt. Im Norden Galliens wurden fränkische Söldner in römischen Diensten angesiedelt. Die salischen Franken erhielten als foederati Siedlungsgebiet in Toxandrien. Diese Besiedlung expandierte und umfasste im 5. Jh. die Region zwischen Lüttich und Tournai. Am Niederrhein gründeten ripuarische Franken ein Fürstentum mit Köln als Zentrum. Goten Die Goten entwickelten sich wahrscheinlich als Stammesverband im Gebiet der Weichselmündung. Dort sind sie jedenfalls zur Zeitenwende belegt. Aussagen über die Herkunft der Goten sind jedoch sehr problematisch: Die von Jordanes überlieferte Stammeslegende, wonach die Goten aus Skandza (Skandinavien oder Gotland) stammen sollen, ist archäologisch nicht zu beweisen, zumal die Goten wohl polyethnisch zusammengesetzt waren. Nach 150 verschob sich ihr Siedlungsraum langsam in Richtung Schwarzes Meer. Langobarden Die Vorfahren der Langobarden siedelten zunächst im Bereich der Niederelbe. Später zogen erste Gruppen entlang der Elbe nach Böhmen und in angrenzende Gebiete. Zur Zeit der Markomannenkriege in der zweiten Hälfte des 2. Jh. gelangten Langobarden über die Donau bis nach Pannonien. Dort schlossen sich ihnen weitere elbgermanische Stammesgruppen an. Ebenso erhielten sie Zuzug von germanischen Populationen aus Thüringen. Bis zur Mitte des 5. Jh. bildeten diese Gruppen ein ethisches Eigenprofil aus und werden 488 erstmals als Langobarden erwähnt. Markomannen Die Markomannen treten erstmals im Heer des Ariovist in Erscheinung. Ihr ursprüngliches Gebiet war am Main, jedoch wanderten sie unter dem Druck der Römer kurz vor der Zeitenwende unter dem Heerführer Marbod nach Böhmen. Dort bildeten sie das Zentrum eines Stämmebundes. In den Markomannenkriegen konnten die Römer die Nordgrenze ihres Reiches nur unter großen Anstrengungen stabilisieren. Auch in den folgenden Jahrhunderten stießen die Markomannen immer wieder nach Süden vor. Im 4. Jh. erwähnte man sie das letzte Mal. Sachsen Die Sachsen waren zunächst ein einzelner Stamm der Nordseegermanen, deren gemeinschaftliche Organisation sich im 2. Jh. zur Stammesgruppe bzw. zum Großstamm erweiterte. Der Name wird zuerst wohl bei dem griechischen Geographen Claudius Ptolemäus in der Mitte des 2. Jh. genannt. Im 5. Jh. teilten sich die Sachsen in die nach England abwandernden Angelsachsen und die auf dem Festland verbleibenden Altsachsen. Ein Jahrhundert später beherrschten die Altsachsen weite Gebiete an der Nordseeküste. Gleichzeitig verstärkte sich im Westen der Druck des Frankenreichs und im Osten der in den Elbraum expandierenden Slawen. Der Konflikt mit dem Frankenreich führte unter Karl dem Großen zu den Sachsenkriegen (772-804). In dieser Zeit waren sie organisatorisch in auch Heerschaften genannten Teilstämme Westfalen, Engern und Ostfalen gegliedert. Nach der Zwangschristianisierung wurde diese Einteilung durch Grafschaften ersetzt. Erst im 13. Jh. wurde das inzwischen weiterentwickelte Stammesrecht „Lex Saxonum“ im „Sachsenspiegel“ niedergeschrieben. Dagegen existiert keine Kontinuität zwischen den „heutigen Sachsen“ im Freistaat und den „historischen Sachsen“, da die heute so genannten Sachsen ursprünglich eine durch Kolonisation und Assimilation entstandene kulturelle Mischbevölkerung hauptsächlich süd-, mitteldeutschen und slawischen Ursprungs waren. Thüringer Nach dem Abzug der Hunnen etablierten die Thüringer ein Königreich, welches 531 n. Chr. von den Franken unterworfen wurde. Nordthüringen (ungefähr das heutige Sachsen-Anhalt links der Elbe) wurde danach teilweise von den Sachsen besiedelt, ebenso wurden Hessen, Schwaben und Friesen angesiedelt. Die vermutlich eher dünn besiedelte Gegend zwischen Saale und Elbe im heutigen Freistaat Sachsen hingegend konnte gegen die eindringenden Slawen nicht gehalten werden. Die slawische Landnahme in diesen Gebieten erfolgt im ausgehenden 6. Jahrhundert. Vandalen Die Vandalen hatten ihr ursprüngliches Siedlungsgebiet in der Region zwischen Oder und Warthe im Bereich der Przeworsker Kultur. Die Stammesgruppe war in die Teilverbände der Hasdingen und der Silingen – die der Region möglicher Weise den Namen „Schlesien“ gaben – gegliedert. Im 2. Jh. migrierten einige Stammesgruppen bis zum Karpatenbogen und in die Theißebene.[45] Kriege und germanische Reichsbildungen Die den Germanen benachbarten keltischen Kulturen hatte der Kontakt mit den Römern an die Schwelle zur Hochkultur geführt, bevor sie erobert und romanisiert wurden. Die Romanisierung war z.T. so umfassend, dass z. B. die keltischen Sprachen auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs verschwanden. Die Germanen bildeten keine gemeinsame kulturelle Einheit zu dem Zeitpunkt, als sie die Kelten bzw. Gallier in der Rolle der nördlichen Nachbarn des römischen Reichs beerbten. Sie bewahrten ihre Eigenständigkeit, obwohl es auch zwischen Römern und Germanen einen intensiven Austausch gab. Die Konfrontation mit den Römern verhalf den Germanen zu „germanischer“ Identität. In der Folgezeit gab es unterschiedliche Bestrebungen, an der römischen Kultur teilzuhaben. Oft ging es nur um den Erwerb materieller Güter, die friedlich durch Handel oder Geschenke oder kriegerisch durch Raub und Plünderung angeeignet wurden. Später kam die Teilhabe an der Macht und die Aneignung römischen Territoriums hinzu. Diese Bestrebungen waren von Stamm zu Stamm unterschiedlich, jedoch waren alle germanischen Kulturen bestrebt, ihre ursprüngliche barbarische Existenz hinter sich lassen und eine höhere Stufe der gesellschaftlichen und staatlichen Ordnung zu erreichen. Dies lief in der konkreten historischen Situation auf eine beständige Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen hinaus und sie endete im Westen mit einem Erfolg der Germanen, während der Osten des römischen Reiches diese Bedrohung abwenden konnte. Der Marsch der Kimbern, Teutonen und Ambronen Um 120 v. Chr. brachen Kimbern, Teutonen und Ambronen in Richtung Süden auf. Die Ursache ist nicht eindeutig geklärt: Die historischen Quellen berichten von einer Sturmflut in Jütland, aufgrund derer die Einwohner ihre Heimat verließen. Allerdings vermutet man heute, dass vielmehr Hungersnöte aufgrund klimatischer Veränderungen dafür verantwortlich waren. Um 113 v. Chr. trafen die Germanenstämme auf die Römer. Bei der folgenden Schlacht (auch als „Schlacht bei Noreia“ bezeichnet) entgingen die Römer der völligen Vernichtung ihrer Truppen nur durch ein plötzlich einsetzendes Gewitter, welches die Germanen als ein warnendes Omen (Grollen) ihres Wettergottes Donar deuteten. Um 109 v. Chr., 107 v. Chr. und 105 v. Chr. kam es noch weitere Male zu Kämpfen zwischen den Römern und den Germanen, bei denen die Römer jedes Mal eine Niederlage erlitten. Erst nachdem sich die germanischen Stämme in zwei Gruppen aufgeteilt hatten, gelang es den Römern 102 v. Chr., die Teutonen und Ambronen zu besiegen, 101 v. Chr. die Kimbern. Ariovist und Caesar Der Durchbruch der Kimbern und Teutonen durch das damals noch keltische Mittelgebirge führte zur Erschütterung der keltischen Macht in Mittel- und Süddeutschland, sodass später auch andere Germanen, insbesondere suebische Stämme, in Hessen und das Maingebiet eindringen konnten. Unter ihrem Führer Ariovist ließen sie sich ab 71 v. Chr. teilweise am Oberrhein nieder. Andere Gruppen drangen in Gallien ein, wurden jedoch durch Caesar 58 v. Chr. geschlagen und hinter den Rhein zurückgeworfen. Im 1. Jahrhundert v. Chr. machte die römische Eroberung Galliens durch Caesar die Germanen zu direkten Nachbarn des Römischen Reiches. Dieser Kontakt führte in der darauffolgenden Zeit zu ständigen Konflikten: Immer wieder kam es zu Übergriffen der Germanen auf die Römer. Im Gegenzug führte Caesar in den Jahren 55 und 53 v. Chr. Strafexpeditionen gegen die Germanen durch, bei denen er in spektakulärer Weise eine Rheinbrücke in nur zehn Tagen errichten ließ. Diese Expeditionen hatten vor allem demonstrativen Charakter und führten zu keiner dauerhaften rechtsrheinischen Präsenz der Römer. Caesar erkannte den Rhein als Grenzlinie zwischen Germanen und Römern an. Drusus und Tiberius – Vorstoß bis zur Elbe Auch in der Folgezeit kam die Rheingrenze nicht zur Ruhe. Der römische Kaiser Augustus beschloss deshalb die Verlagerung von Truppen an den Rhein, die bisher in Gallien stationiert waren. Die Rheingrenze blieb dennoch unsicher, woraufhin Augustus seine Taktik änderte: Er beabsichtigte, das Römische Reich bis an die Elbe auszudehnen. Zwischen 12 v. Chr. und 9 v. Chr. führte Drusus, Stiefsohn von Augustus, mehrere Feldzüge gegen die Germanen durch und unterwarf die Friesen, Chauken, Brukterer, Marser und Chatten. Trotz der Feldzüge des Drusus gerieten aber die wenigsten Germanenstämme wirklich in dauerhafte römische Abhängigkeit. Nachdem Drusus beim Rückzug bei einem Sturz von seinem Pferd gestorben war, setzte sein Bruder Tiberius 8 v. Chr. die Feldzüge fort. Im Jahre 4 n. Chr. gelang es ihm, die bis dahin aufständischen Cherusker zu unterwerfen. Die Römer begannen repräsentative römische Städte östlich des späteren Limes zu gründen, beispielsweise im heutigen Waldgirmes in Hessen. Der lateinische Name dieser Siedlung ist so wenig bekannt wie etwa die lateinischen Namen der Kastelle in Haltern, Anreppen oder Marktbreit am Main. Ein letzter großer Feldzug im Jahre 6 n. Chr. sollte das Reich des Markomannenkönigs Marbod in Böhmen zerschlagen. Er war kein Gegner Roms, legte jedoch Wert auf seine Unabhängigkeit. Eine Zerschlagung seines Reiches wäre wahrscheinlich der Schlussstein der römischen Unterwerfung der Germanen gewesen. Von Mogontiacum mainaufwärts und dem Raum Wien Richtung Nordwesten bewegten sich zwei große römische Marschsäulen. Doch die Operation musste wegen eines überraschenden, großen Aufstandes in Pannonien, dem heutigen Ungarn, abgebrochen werden. Die Varusschlacht Nachdem der Widerstand der Germanen gebrochen schien, wurde Publius Quinctilius Varus damit beauftragt, in den Gebieten rechts des Rheins römisches Recht einzuführen und Steuern zu erheben. Als Statthalter war er gleichzeitig Oberbefehlshaber über die rheinischen Legionen. Varus, der sich zuvor in der römischen Provinz Syrien den Ruf eines brutalen und korrupten Verwaltungsfachmanns erworben hatte, brachte die Germanen bald gegen sich auf. Gegner der Besatzung ließ er mit aller Härte des römischen Rechts bestrafen. Die von ihm eingeführten Steuern wurden von den Germanen zudem als zutiefst ungerecht empfunden, da sie eine solche Abgabe nur für Unfreie kannten. Unter diesen Umständen gelang es dem Cheruskerfürst Arminius, der die römischen Bürgerrechte und Ritterwürden besaß, mehrere germanische Stämme zu einen. Arminius nutzte das Vertrauen, das ihm Varus entgegenbrachte aus und lockte diesen in einen Hinterhalt. In der darauffolgenden Schlacht („Varusschlacht“ oder „Schlacht im Teutoburger Wald“ genannt) verloren die Römer drei Legionen (etwa 18.000 Legionäre, plus etwa 2.000 bis 3.000 zusätzliche Truppen). Laut den Überlieferungen des Sueton soll Augustus daraufhin ausgerufen haben: „Quinctili Vare, legiones redde!“ („Quintilius Varus, gib mir die Legionen zurück!“). Der römische Eroberungsversuch scheiterte damit im Jahre 9 n. Chr. Germanien blieb danach bis zur Völkerwanderung von der römischen Kultur wenig beeinflusst. Die Römisch-Germanischen Beziehungen nach der Varusschlacht Unter Germanicus unternahmen die Römer zwischen 14 und 16 n. Chr. weitere Vorstöße über die Rheingrenze hinweg. Ob es sich dabei um Strafexpeditionen oder die Fortsetzung der römischen Expansionspläne handelte, ist umstritten. In den Folgejahren kam es immer wieder zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und Römern: Im Jahr 29 schlugen die Römer einen Aufstand der bis dahin römerfreundlichen Friesen nieder. Im Jahr 69 mussten sogar Truppen aus Spanien und Britannien für Verstärkung herangezogen werden, um die Revolte der Bataver (Bataveraufstand) unter Führung des Julius Civilis niederzuschlagen. Im Jahre 83 entschloss sich Kaiser Domitian, die römische Grenze zwischen Rhein und Donau weiter gegen Norden zu verschieben. Nach Beendigung der Chattenkriege begannen die Römer mit dem Bau des Limes, der im Süden durch die so genannte Sibyllenspur, den Lautertal-Limes, mit dem Alblimes verbunden war, um die Grenzen zwischen Germanien und dem römischen Reich zu sichern. Im selben Zeitraum entstanden die Provinzen Germania Superior (Obergermanien) und Germania Inferior (Untergermanien). Neueste Forschungen (ab etwa 1995) deuten allerdings darauf hin, dass der Neckar-Odenwald-Limes nicht schon um 83/85 unter Domitian, sondern erst um das Jahr 98 unter Kaiser Trajan angelegt wurde. Vor allem fehlt bis heute auch nach über hundertjähriger Forschung ein zuverlässig datierter römischer Fund von der Neckar-Odenwald-Linie vor dem Jahre 98, sei es eine Inschrift, ein Militärdiplom oder ein dendrochronologisch datierbarer Holzfund. Außerdem passt der Neckar-Odenwald-Limes militärtechnisch zu anderen Anlagen aus der Zeit Kaiser Trajans, während für die Zeit Domitians ähnliche Parallelen fehlen. Um das Jahr 122 wurde die römisch-germanische Grenze unter Kaiser Hadrian zwischen dem mittleren Neckar und der Donau bei Eining um etwa 20 bis 40 Kilometer nach Norden verschoben. Die letzte römische Expansion in Germanien, die Verschiebung des Neckar-Odenwald-Limes um rund 25 Kilometer nach Osten unter Kaiser Antoninus Pius, ist inzwischen recht sicher auf das Jahr 159 datierbar. Die Markomannenkriege Im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. fanden zwei entscheidende Veränderungen rechts des Rheins statt: Zum einen schlossen sich die germanischen Stämme zu Großstämmen zusammen, zum anderen nahm der Druck verschiedener Stämme auf die römischen Grenzen immer mehr zu. Im Jahre 167 fielen die Markomannen, Quaden, Langobarden, Vandalen, Jazygen und weitere Stämme in die römische Provinz Pannonien ein und lösten damit die Markomannenkriege (167 bis 180) aus. In insgesamt vier Feldzügen schlug der römische Kaiser Mark Aurel unter Aufbietung aller Kräfte des Imperiums die Germanen. In der sehr unzuverlässigen Historia Augusta wird erwähnt, dass die Römer planten, zwei neue Provinzen einzurichten; ob dies den Tatsachen entspricht, ist ungewiss. Damit wäre jedenfalls das Vorfeld der italienischen Halbinsel auch in nordöstlicher Richtung nach gallischem Vorbild gesichert worden. Viele Historiker sehen die Markomannenkriege als die Vorboten der großen Völkerwanderung. Ausgelöst wurde der zunehmende Bevölkerungsdruck auf die römischen Grenzen wohl durch die Wanderungen der Goten zum Schwarzen Meer und der Vandalen in Richtung Donau. Die Ursachen für diese aufkommende Wanderbewegung germanischer Stämme konnten bisher nicht geklärt werden, denkbar wären z. B. Hungersnöte. Zwischen Markomannenkriegen und Völkerwanderung Mit den Markomannenkriegen 166–180 unter Mark Aurel hatten die Konflikte zwischen Germanen und Römern eine neue Qualität bekommen. Als Mark Aurel 180 starb, waren die Germanen zwar geschlagen, aber nicht endgültig besiegt; der Erfolg war nur vorübergehender Natur. Aurels Sohn Commodus kehrte jedoch zur Defensivpolitik des Augustus zurück und schloss Friedensverträge mit den Germanen. Auch die Kräfte des Römischen Reiches waren erschöpft und die verwüsteten Provinzen mussten restauriert werden. Der Verzicht auf eine expansive Politik gegen Germanien unter Augustus, die sich auf die Grenzsicherung des Römisches Reiches konzentrierte, war den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen. Die Bündnisse mit einzelnen Stämmen waren nicht von Bestand, da ein stabiles Königtum als zuverlässiger Ansprechpartner noch nicht existierte. Auch der Limes reichte als Kontrollinstrument nicht aus, um die sich oft jährlich wiederholenden Einfälle gewaltiger Völkermassen zu stoppen. Zudem geriet das Imperium in eine schwere Krise, die von der modernen Forschung als Reichskrise des 3. Jahrhunderts bezeichnet wird: Die meisten dieser Soldatenkaiser hielten sich nur für kurze Zeit auf dem Thron, während der Druck durch die gentilen Großverbände an Rhein und Donau auf der einen, am Euphrat durch das Sassanidenreich auf der anderen Seite stetig zunahm. Die nötige Trennung des Heeres in einen Teil zur Grenzsicherung und eine weitere mobile Eingreiftruppe erfolgte erst um 260 unter Kaiser Gallienus. Hauptmotiv der Germaneneinfälle war Ansiedlung im Römischen Reich, doch das Imperium konnte bzw. wollte diesen Wunsch nicht erfüllen. Es kam zum Wechselspiel von Einfällen, Plünderungen, Landnahme und später Usurpationen. Wanderungen und Reichsgründungen Die zur Zeit der Völkerwanderung weit wandernden germanischen Stämme gehörten vor allem zu den Ostgermanen – z. B. die Burgunden, Gepiden, Goten, Langobarden und Vandalen. Ihre Reichsgründungen hatten jedoch keinen dauerhaften Bestand; die ostgermanischen Sprachen sind heute ausgestorben. Die westlich der Elbe lebenden Stämme – z. B. die Franken, Sachsen und Angeln – waren vergleichsweise sesshaft. Ebenso die Nordgermanen, die erst im Mittelalter zur Zeit der Wikinger unter anderen Bedingungen ausgedehnte Wanderungstätigkeiten entwickelten. Ihre Sprachen (westgermanische Sprachen und nordgermanische Sprachen) haben sich bis heute erhalten und weiterentwickelt. In der Zeit der Völkerwanderung gründeten Germanenstämme Reiche in Nordafrika, im heutigen Frankreich, in Italien, auf der iberischen Halbinsel und wanderten nach Britannien. Die Germanen kannten meist kein Verwaltungsstaatswesen im römischen oder heutigen Sinne. Die Reiche der germanischen Stämme waren ähnlich dem Personenverbandsstaat organisiert, oft wurden aber römische Verwaltungsmuster übernommen. Die Angehörigen eines Stammes oder Stammesverband schworen ihrem König Treue und waren damit an das Reich gebunden. Der „Staat“ (wobei nicht der moderne Terminus von Staatlichkeit zugrunde gelegt werden darf) wurde nicht über eine räumliche Ausdehnung definiert, sondern über seine Menschen und deren Stellung zum Herrscher. Deshalb waren die Reiche stark mit dem jeweiligen König verbunden, und der Tod des Königs bedeutete oft auch den Untergang des Reiches. Allerdings traten auch zahlreiche Germanen (einzeln oder in Gruppen) in römische Dienste und kämpften anschließend auch gegen ihre alten Stammesgenossen. Viele dieser Germanen stiegen im römischen Militär auf, wobei die germanischen Heermeister teils eine unrühmliche Rolle spielten, vor allem im Weströmischen Reich. Andere wiederum standen aber durchaus loyal zum Kaiser (wie etwa Stilicho, Bauto oder Fravitta). Während im Oströmischen Reich der Kaiser schließlich die Kontrolle über die Germanen gewinnen konnte, konnte im Westen nur noch mit ihnen regiert werden. Spätestens nach dem Tod des Aëtius entglitt den Römern die Kontrolle über die auf dem Boden des Imperiums siedelnde Germanen vollends. Burgundenreich Nach dem Rückzug der Römer überschreiten ab 406 die Burgunden zusammen mit den Vandalen den Rhein und lassen sich als römische Bundesgenossen in Mogontiacum (Mainz), Vicani Altiaienses (Alzey) und Borbetomagus (Worms) nieder. Das Gebiet wird ihnen vertraglich zugesichert. Nach einem Einfall in die römische Provinz Belgica 435 wird im darauffolgenden Jahr das Burgundenreich durch den weströmischen Heermeister Aëtius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen zerstört – bis ins Spätmittelalter wird die Erinnerung an dieses Ereignis in der Nibelungensage bewahrt. Die verbliebenen Burgunden werden durch Rom ins Gebiet des Rhône-Tals umgesiedelt und gründen dort später ein neues Reich, das 532 im Fränkischen Reich aufgeht und dort neben Austrien und Neustrien einen eigenen Reichsteil bildet. England Nach dem Zusammenbruch der Rheingrenze 406/407 wurden die Legionen aus Britannien abgezogen und die römische Präsenz auf der Insel erlosch vollständig. Die romano-britische Bevölkerung warb zum Schutz angelsächsische Söldner an. Gruppierungen der Angeln, Sachsen und Jüten siedelten sich im östlichen Teil der Insel an und vertrieben teilweise die keltische Bevölkerung, die im Laufe der Zeit immer weiter nach Westen abgedrängt wurde. Bis zum Ende des 7. Jahrhunderts hatten die Angelsachsen den größten Teil der Insel unterworfen und konnten ihre Herrschaft auch gegen die späteren Wikingereinfälle behaupten, bis England 1066 durch die Normannen erobert wurde. Frankenreich Bereits seit Beginn des 4. Jahrhunderts waren am nordöstlichen Ende Galliens Franken (später auch Salfranken) als Föderaten angesiedelt worden. Ende des 4. Jahrhunderts kam es wiederholt zu Kampfhandlungen zwischen Franken und Römern (siehe Marcomer). Nach dem Tode des weströmischen Heermeisters Aëtius, der 436 das Burgundenreich zerstörte und 451 in der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern die Hunnen stoppte, wurde das Gebiet durch Westrom praktisch nicht mehr kontrolliert. Nach dem Zusammenbruch 476 existierte im Norden Galliens im Gebiet um Soissons ein römisches Restreich unter dem Statthalter Syagrius, dem Sohn des Heermeisters Aegidius. 486/487 besiegten die Salfranken unter dem Merowinger Chlodwig I. Syagrius in der Schlacht von Soissons. Dadurch verschob sich die Grenze des durch die Franken kontrollierten Gebiets bis an die Loire; das Salfränkische Reich wird nun Reich von Soissons genannt. Chlodwig, der zuerst nur einer von mehreren fränkischen Kleinkönigen war, beseitigte die anderen Teilkönigreiche. Er sah sich selbst in der Kontinuität römischer Herrschaft, übernahm die römischen Verwaltungsinstitutionen, trat zum katholischen Glauben über und sicherte sich seinen Einfluss auf die Kirche. Militärische Siege 496 und 506 gegen die Alamannen sowie 507 gegen die Westgoten in der Schlacht von Vouillé trugen zur weiteren Expansion fränkischer Herrschaft bei. Die Politik des Frankenreichs blieb auch weiterhin feindlich gegen die letzten unabhängigen germanischen Gentes. Aus der Verschenkung eroberten Grundbesitzes durch den König entwickelte sich das Lehnswesen. Im frühen 6. Jahrhundert (nach 507) entstand die lateinische Sammlung des Volksrechts der Franken Lex Salica. Das Reich von Soissons wird als Neustrien Bestandteil des Fränkischen Reichs, das bis zu seiner Teilung 843 im Vertrag von Verdun die bestimmende Großmacht in Mittel- und Westeuropa war. Gotenreiche Um 150 bis zur Mitte des 3. Jahrhunderts dehnten sich die Goten entlang Weichsel und Dnister bis zum Schwarzen Meer aus. Um 290 kam es zur Trennung der Goten in Terwingen und Greutungen; beide sind nicht völlig deckungsgleich mit den späteren West- und Ostgoten. In Südrussland errichteten die Greutungen ein Reich, über dessen Größe und inneren Aufbau wenig bekannt ist. Die Terwingen rückten in das von den Römern unter Aurelian aufgegebene Dakien ein und ließen sich dort nieder. Die Goten lagen häufig mit den Römern im Konflikt, wurden jedoch nie unterworfen und besiegten 252 n. Chr. sogar ein ganzes römisches Heer. Durch den Einfall der Hunnen aus den asiatischen Steppen um 375 n. Chr. wurde das Reich der Greutungen zerstört bzw. fiel an die Hunnen. Die Greutungen zogen nach Westen und siedelten im Raum des heutigen Ungarn. Fortan standen sie unter Waffengefolgschaft der Hunnen und zogen 451 n. Chr. bei der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern gegen die Westgoten (u.a. Burgunder) zu Felde. 488 n. Chr. zog der ostgotische König Theoderich mit den sich nun formierten Ostgoten nach Italien und besiegte den dortigen germanischen Herrscher Odoaker. Theoderich gründete daraufhin ein neues ostgotisches Reich in Italien, welches aber bald nach seinem Tod unterging. Die Terwingen hingegen hatten sich dem hunnischen Zugriff entzogen und sich 376 über die Donau ins römische Reich abgesetzt. Dort wurden sie angesiedelt, rebellierten aber bald darauf, was zur Schlacht von Adrianopel 378 führte, in der Kaiser Valens und der Großteil des römischen Bewegungsheeres im Osten untergingen. Erst Theodosius I. schloss 382 einen Vertrag, der ihnen weitgehende Rechte einräumte. Nach dem Tod des Theodosius im Jahre 395, plünderte der Gote Alarich I. mit seinem Heer die römischen Provinzen; 410 eroberte er sogar Rom. Im Jahre 418 wurden die Terwingen, die sich nun endgültig zu den Westgoten formiert hatten, in Aquitanien angesiedelt, wo sie das Tolosanische Reich – begründeten, das später als Toledanisches Reich bis zur Eroberung durch die Mauren im Jahre 711 bestand. Die Langobarden Nach der Eroberung des Gepidenreichs 567 wurden die Langobarden durch die Awaren verdrängt und eroberten unter König Alboin Norditalien mit der Hauptstadt Pavia und weitere Gebiete in Mittel- und Süditalien. Die anderen Regionen blieben unter Kontrolle des oströmischen Reiches. Diese Landnahme gilt als Abschluss der spätantiken Völkerwanderung. König Authari (584-590) trat vom arianischen zum katholischen Glauben über. Erst 662 verdrängt der Katholizismus den Arianismus offiziell – gleichzeitig mit dem Vordringen des Islam. Karl der Große eroberte 774 Pavia unter dem letzten Langobardenkönig Desiderius und ließ sich selbst zum König der Langobarden krönen. Im Süden blieb das Herzogtum Benevent bis zur Eroberung durch die Normannen im 11. Jahrhundert selbstständig. Der Name „Langobarden“ ist in der Bezeichnung Lombardei (ital. Lombardia), für eine norditalienische Region, bis heute erhalten geblieben. Nordeuropa Reich der Vandalen Im Jahre 406 fallen die Vandalen gemeinsam mit anderen germanischen Stämmen nach Gallien ein. Drei Jahre später haben sie die iberische Halbinsel erreicht. Unter König Geiserich dringen sie 429 zusammen mit Alanen nach Nordafrika vor und erobern die dortigen römischen Provinzen. Hippo Regius – während der Belagerung stirbt Augustinus von Hippo – ist bis 439 Hauptstadt. Mit der Eroberung von Africa Proconsularis wird Karthago Hauptstadt und die dortige römische Flotte wird erbeutet. In der Folgezeit werden zahlreiche Mittelmeerinseln erobert und 455 Rom geplündert und besetzt. Der oströmische Kaiser Zenon erkennt die Herrschaft der Vandalen 474 an. Im Jahre 477 wird Hunerich der Nachfolger von Geiserich und es kommt ab 483 zu Verfolgungen der Katholiken durch die arianischen Vandalen. Erst 523 wird für kurze Zeit unter Hilderich die katholische Religion wieder zugelassen. 534 erobert der oströmische Feldherr Belisar im Auftrag Justinians das Vandalenreich und beendet deren Herrschaft. Das Ende der kaiserzeitlichen archäologischen Kulturen östlich der Elbe Über den Niedergang der germanischen Besiedlung des ostelbischen Raums gibt es wenig historische Quellen. Es muss auf archäologische Untersuchungen zurückgegriffen werden. In der ersten Hälfte des 5. Jahrhundert ist auf polnischem Gebiet noch eine intensive Besiedlung durch die letzte Entwicklungsphase der Przeworsker Kultur nachweisbar. Das Gebiet stand in regen Beziehungen zum Reich von Attila (mittlerer Donauraum) und hatte wahrscheinlich auch eine gewisse politische Bedeutung („Fürstengrab“ von Jakuszowice). Das Ende dieser Kultur lässt sich um die späte Mitte des 5. Jahrhundert datieren. Bereits davor brechen die kaiserzeitlichen Spuren auf ukrainischem Gebiet ab. Die Gebiete der Slowakei, Mährens, Niederösterreichs, Böhmens und Ungarns weisen für das 5. Jahrhundert eine intensive germanische Besiedlung auf. Spätere Funde germanischer Kulturen sind in der Slowakei nicht mehr zu finden. Bereits die frühen donauländischen Bügelfibeln sind dort selten zu finden. Die Goldmünzfunde aus dem 6. Jahrhundert fehlen bis auf eine Ausnahme ganz. Die gepidische Besiedlung ist für das 6. Jh. auf dem Gebiet Ostungarns nachweisbar, jedoch nicht in der Ostslowakei. Im nordöstlichen Teil Mährens enden die germanischen Funde zu Beginn des 6. Jahrhunderts. In den anderen Regionen, in Niederösterreich und der Südslowakei westlich der Kleinen Karpaten ist die langobardische Besiedlung nachweisbar. Diese Besiedlung nimmt zur Mitte des 6. Jahrhunderts hin ab, als die Langobarden Pannonien besetzten. Für Böhmen wird bis nach der Mitte des 6. Jahrhunderts eine germanische Besiedlung vermutet. Über diese Besiedlungsbrücke könnten die Kontakte des mitteldeutschen Raums mit dem mittleren Donauraum verlaufen sein. Die genannten Gebiete werden nachfolgend von den Slawen besiedelt. Der Charakter dieser Landnahme ist nicht zweifelsfrei zu klären. Die Kämpfe mit den Bayern (593 und 595) oder die Einfälle in Thüringen im 7. Jh. legen verheerende Einfälle mit anschließender Eroberung nahe. Jedoch waren auch Gebiete (Schlesien, Slowakei) möglicherweise einige Zeit unbewohnt, bevor sie durch die Slawen besetzt wurden. Die geräumten Gebiete sind oft sehr fruchtbar gewesen und die Motive für die Aufgabe der germanischen Besiedlung bleiben unklar. Mit dem Abzug der Langobarden nach Italien im Jahre 568 und dem Erscheinen der Awaren ergaben sich dann für die slawische Landnahme neue Möglichkeiten. Das Nibelungenlied ist ein mittelalterliches Heldenepos. Es entstand zu Beginn des 13. Jahrhunderts und wurde in der damaligen Volkssprache Mittelhochdeutsch aufgeschrieben. Der Titel, unter dem es seit seiner Wiederentdeckung Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt ist, leitet sich von der Schlusszeile in einer der beiden Haupttextfassungen, *C, ab: hie hât daz mære ein ende: daz ist der Nibelunge liet („hier hat die Geschichte ein Ende: das ist ‚das Lied von den Nibelungen‘“). Allerdings muss man beachten, dass „liet“ im Mittelhochdeutschen nicht als „Lied“ in unserem Sinne zu verstehen ist, sondern „Strophen“ oder „Epos“ bedeuten kann. Die dem (verlorenen) Original näher stehende Fassung *B (Haupthandschrift in St. Gallen) endet diz ist der Nibelunge NOT. Angehängt an das Nibelungenlied ist in den mittelalterlichen Handschriften eine formal eigenständige Erzählung, die das Geschehen fortzusetzen und zu rekapitulieren scheint, die „Klage“. Der historische Kern Das Nibelungenlied ist die wichtigste hochmittelalterliche deutsche Ausformung der Nibelungensage, deren Ursprünge bis in das heroische Zeitalter der germanischen Völkerwanderung zurückreichen. Ein historischer Kern der Sage ist die Zerschlagung des Burgunderreiches im Raum von Worms in der Spätantike (um 436) durch den römischen Heermeister Aëtius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen. Weitere historische Ereignisse, die hier vermutlich eine Rolle spielen, sind die Hochzeit zwischen Attila und der germanischen Fürstentochter Ildikó (453), sowie nach Meinung mancher auch der Streit im Haus der Merowinger zwischen Brunichild und Fredegunde. Vgl. dazu den Artikel Nibelungensage. Verfasser und Entstehung Der Verfasser des Nibelungenliedes nennt sich im Text nicht. Dies entspricht der Gattungskonvention der Heldenepik, die nicht die literarische Eigenleistung eines Dichters akzentuiert, sondern die Verwurzelung des Erzählstoffes in der mündlichen Überlieferung (altiu maere, „Sagen“) hervorhebt. Offensichtlich ist das Werk aber eine geschlossene Dichtung eines einzigen Autors, das auf schriftlich vorliegende Werke Bezug nimmt und als Original vom Dichter selbst (oder nach seinem Diktat) niedergeschrieben wurde. Deshalb wird heutzutage nur mehr selten bezweifelt, dass es eine einzige „Originalfassung“ (und damit einen einzigen „Autor“) gegeben hat. Die These, dass es sich eher um einen Redaktor oder gar nur um einen oder mehrere begnadete Rezitatoren von älteren, mündlich überlieferten Stoffen handele, gilt als weitgehend überholt. Allerdings enthalten die einzelnen Handschriften größere oder kleinere Änderungen und Zusätze von Bearbeitern. Die Handschrift „B“ scheint solche Änderungen nur in geringem Ausmaß zu enthalten, während vor allem „C“ eine starke Umarbeitung mit anderer Aussage und anderem Gestaltungswillen darstellt. Die Entstehung des Textes lässt sich durch in ihm vorausgesetzte politische Strukturen und durch Bezüge zur zeitgenössischen Dichtung auf die Jahre 1180 bis 1210 (und damit auf die „Blütezeit“ der mittelhochdeutschen Literatur) eindeutig eingrenzen; Indizien gibt es für eine Entstehung knapp vor 1204. Genauere Ortskenntnis des Verfassers, ein Übergewicht der frühen Überlieferung im südostdeutsch-österreichischen Raum und die augenfällige Hervorhebung des Bischofs von Passau als handelnder Figur machen das Gebiet zwischen Passau und Wien als Entstehungsort wahrscheinlich, insbesondere den Hof des als Mäzen bekannten Bischofs von Passau, Wolfger von Erla (Bischof in Passau 1191–1204). Wolfger ist für die Datierung mittelhochdeutscher Literatur von großer Bedeutung, weil sich in seinen Reiserechnungen mit dem Datum 12. November 1203 eine Notiz findet, dass dem cantor („Spielmann“) Walther von der Vogelweide Geld für einen Pelzmantel ausgezahlt wurde. Diese Notiz stellt den einzigen außerliterarischen Nachweis für die Existenz dieses Dichters dar und ist damit ein wichtiges Indiz zur zeitlichen Einordnung der mittelhochdeutschen Dichtung, die größtenteils ohne Jahres- und Verfasserangaben überliefert ist. Meist geht man heute davon aus, dass der Dichter des Nibelungenliedes ein sowohl geistlich wie literarisch gebildeter Mann im Umkreis des Passauer Bischofshofs war und dass sein Publikum ebenfalls dort unter den Klerikern und adligen Laien zu suchen ist. In einer Art Anhang zum Nibelungenlied, der Nibelungenklage, wird auch von der Entstehung der Dichtung erzählt. Diesen für die Heldenepik topischen Angaben ist daran gelegen, den Inhalt der Sage als „wirklich geschehen“ auszuweisen und die erste Aufzeichnung noch in die Lebenszeit der Protagonisten zu verlegen. Ein „Meister Konrad“ wird genannt, den der Bischof „Pilgrim“ von Passau als Augenzeuge der Geschehnisse mit der Niederschrift beauftragt habe. Man nimmt an, dass dies einen ehrenden Verweis auf einen Amtsvorgänger des mutmaßlichen Förderers Wolfger darstellt, den heiligen Bischof Pilgrim von Passau (971–991). Da sich die politische Situation der Ungarnkriege des 10. Jahrhunderts und die wichtige Rolle Passaus bei der Christianisierung Ungarns unter Pilgrim im Nibelungenlied spiegelt, haben dem Dichter vermutlich schriftliche Aufzeichnungen aus der Zeit Pilgrims vorgelegen. Ob mit „Meister Konrad“ tatsächlich der Autor einer Quelle aus der Zeit Pilgrims gemeint ist oder der Autor des Nibelungenliedes oder der Autor der „Klage“ sich hinter dieser Nennung verbirgt, ist ungewiss. Der Name „Konrad“ kann außerdem nicht auf die Spur einer bestimmten Person führen, da es der zweithäufigste Name (nach Heinrich) im deutschen Mittelalter war. Versuche, einen irgendwo genannten „Konrad“ als Autor eines dieser Werke nachzuweisen, sind daher haltlos. Suche nach einem Verfasser Vor allem populärwissenschaftliche und heimatgeschichtliche Forschungen haben im Laufe der Zeit das Nibelungenlied an nahezu jeden zwischen 1180 und 1230 im bairisch-österreichischen Raum bezeugten Literaten anknüpfen wollen. Auch heute werden regelmäßig Namen aufs Tapet gebracht. Ausnahmslos handelt es sich dabei um methodisch fragwürdige Außenseiterthesen, die sich der Diskussion in anerkannten Fachzeitschriften nicht stellen. Dazu gehören (geordnet nach Wahrscheinlichkeit): Der Kürenberger (Der Kürnberger Wald liegt bei Linz, Oberösterreich), in dessen Strophenform das Nibelungenlied geschrieben ist, und auf dessen „Falkenlied“ auch der Falkentraum Kriemhilds verweist. Der Kürenberger wird aber von den meisten Forschern zu früh für das Nibelungenlied datiert. Walther von der Vogelweide. Auf ihn treffen viele für den Dichter des Nibelungenliedes geforderte Charakteristika zu: starke Anteile gemeinsamen Wortschatzes, die aber wohl aus der gemeinsamen räumlichen Herkunft (österreichischer Donauraum) zu erklären sind; Gönnerschaft Bischof Wolfgers von Passau. In wesentlichen Punkten der Weltsicht unterscheidet sich aber das Nibelungenlied von Walther stark. Bligger von Steinach Konrad von Fußesbrunnen (Feuersbrunn, Niederösterreich), urkundlich um 1182 bezeugt. Er ist Autor des in 3.000 Reimpaarversen verfassten Werkes „Die Kindheit Jesu“ und wirkte in Passau[1]. Sein Stil hat aber nichts mit dem des Nibelungenliedes gemeinsam. eine unbekannte Niedernburger Nonne. Die Erwähnung des Klosters Passau-Niedernburg, neben dem Passauer Bischof und den Kaufleuten der Stadt, im Nibelungenlied ist aber am besten so zu erklären, dass sie zum Publikum des Autors bei einem Vortrag gehörten und als Gönner und Mäzene verewigt wurden; nicht so, dass sich der Autor (oder eine Autorin) unter ihnen befunden hätte. Bischof Wolfger von Passau war wohl der Haupt-Mäzen, der die Arbeit sicherlich einem erfahrenen und gleichzeitig literarisch gebildeten und schriftkundigen Sänger von Heldenliedern anvertraute. Die drei letztgenannten „Verfasser“theorien (Bligger von Steinach, Konrad von Fußesbrunnen und die Niedernburger Nonne) werden von den meisten Fachgermanisten als kaum diskussionswürdig angesehen. Form und Sprache Das Nibelungenlied ist in sangbaren vierzeiligen Strophen gedichtet (heute als Nibelungenstrophe bezeichnet), deren Melodie sich jedoch nicht rekonstruieren lässt. Diese metrische Form ist ein Charakteristikum der Heldenepik (vgl. das Kudrun-Epos eines unbekannten Dichters und die Dietrichepik); tritt aber schon vor dem Nibelungenlied in der Lyrik auf, beim „Kürenberger“. Gesungene Strophenepik unterscheidet sich aufs deutlichste von der zeitgleichen höfischen Erzählliteratur, vor allem dem Antiken- und Artusroman, die fast ohne Ausnahme in (gesprochenen) Reimpaarversen gehalten ist. In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied „archaischer“ als die „moderne“ Ritterliteratur eines Hartmann von Aue, Wolfram von Eschenbach (der sich in seinem 'Titurel' allerdings auch in strophischer Epik versuchte) und Gottfried von Straßburg. Die ca. 2.400 Strophen des Nibelungenlieds sind in 39 âventiuren (sprich: Aventüren) untergliedert, kapitelartige Erzähleinheiten von variabler Länge, die in den meisten Handschriften Überschriften tragen. Diese Überschriften und die Bezeichnung der Abschnitte als 'Aventüren' gehen jedoch nicht auf den Autor zurück, da jede Handschrift andere Titel setzt, diese also unabhängig von einander sind, und die dem Original am nächsten stehende St. Galler Handschrift nur Absätze zwischen den Abschnitten macht, ohne Titel. An der Sprache und Erzählhaltung des Nibelungenliedes lässt sich ein zweifaches Dilemma ablesen: Nicht nur die Kluft zwischen mündlicher Improvisationstradition und Literarisierung (Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) wollte überbrückt sein; daneben war auch die auf völkerwanderungszeitliche (pseudo-)historische Sagenstoffe zurückgehende Tradition in ein christlich-hochadelig-höfisches Umfeld zu adaptieren. Der Kern der Nibelungensage muss 700 Jahre lang durch Epensänger mündlich tradiert worden sein. Dabei entstanden unzählige Varianten der Geschichte; verschiedene Sagenkreise wurden aneinandergeknüpft, Figuren wechselten ihre Rolle usw. Kein Wille eines Autors konnte den Stoff fixieren. Vor 1200 hatte man noch nie eine Umsetzung dieser Sage in eine buchliterarische Form versucht. So weist das Nibelungenlied – als Erstling einer neuen literarischen Tradition – sowohl (inhaltliche) Spuren seiner „autorlosen“ Vorgeschichte wie (sprachliche) Spuren der Dichtersprache der mündlichen Erzählkunst auf; aber zugleich zeigt es Züge des „großen“ antik-historischen Buchepos, an denen sich der Verschriftlichungsprozess sicherlich orientierte. Die bekannte Eingangsstrophe ist ein wohl erst später, von der Fassung „C“, eingefügter einleitender Zusatz: Uns ist in alten mæren wunders vil geseit von helden lobebæren, von grôzer arebeit, von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen, von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen. Das Original begann sicher, wie die Handschrift „B“, mit der Vorstellung Kriemhilds: Ez wuohs in Burgonden ein vil edel magedîn, daz in allen landen niht schoeners möhte sîn, Kriemhild geheizen. Si wart ein schoene wîp. dar umbe muosen degene vil verliesen den lîp. 'Es wuchs im Burgundenland eine Prinzessin (wörtlich: ein sehr adliges Mädchen) auf, so schön, dass es auf der ganzen Welt (wörtlich: in allen Landen) nichts Schöneres geben könnte, Kriemhild genannt. Sie wurde eine schöne Frau. Deswegen mussten viele Helden das Leben verlieren.' Viele berühmte Szenen der Sage, wie der Drachenkampf Jung-Siegfrieds etwa, tauchen im Nibelungenlied nur in Form von Erwähnungen auf; die ganze Vorgeschichte wird entweder als bekannt vorausgesetzt oder, wahrscheinlicher, zu Gunsten Kriemhilds als Hauptfigur reduziert. Das Lied ist stilistisch von den Ansprüchen des mündlichen Vortrags geprägt, denn Alltagssprache und höfische Sprache mischen sich ebenso, wie bereits damals schon historisches Vokabular und zeitgenössische Begriffe des frühen dreizehnten Jahrhunderts. Kunstvoller literarischer Ton und komplizierte Konstruktionen wechseln mit formelhaften Formulierungen und einfachen, fast distanzierten Schilderungen durch den Erzähler, der sich selbst nur an wenigen Stellen des Werks erwähnt. Sozialstruktur Die literarische Version der Zeit um 1200 thematisiert anhand der Personen unterschiedliche Konzepte feudaler Gesellschaft: Siegfried verkörpert einen Herrschertyp, dessen Herrschaft auf körperlicher Stärke beruht, aber auch auf ererbtem königlichem Rang und der Akzeptanz der Gefolgsleute, die er sich durch weise Urteile verdient. König Gunther repräsentiert einen Herrscher, dessen Macht sich auf Familienangehörige und Ministeriale stützt, und der den Kampf um Herrschaft delegiert. Dietrich von Bern und Etzel wirken durch eine Autorität, die zum Teil auf dem Einsatz ihrer kräftigen Stimme beruht. Dazu kommt bei Dietrich, dass er nicht nur die Rechte des Herrn über die Gefolgschaft wahrnimmt, sondern bereit ist, seinen Leuten dafür auch Schutz angedeihen zu lassen, und aus der Wechselseitigkeit des Treueverhältnisses Ernst macht. Dietrich beweint den Tod seiner Leute, auch wenn sie ihn selbst verschuldeten, auch aus Mitleid mit ihnen und nicht nur als sein Unglück, dass er dadurch Gefolgsleute verlor (im Gegensatz zu Gunther, der nur erzürnt, dass man ihn der Gefolgsleute beraubt, wenn sie erschlagen werden, aber keine Trauer über ihren Tod zeigt). Bei Etzel kommt zur Autorität Toleranz hinzu (er duldet Christen und Heiden neben einander an seinem Hof) und die Bereitschaft, Vertriebenen aus vielen Ländern Gastfreundschaft zu gewähren. Der zentrale Konflikt ist der zwischen Vasallität, die Unterordnung und Gehorsam verlangt, und einer modernisierten Feudalherrschaft, die nicht mehr oder nur zum Teil auf dem Lehnswesen fußt. So sehen es jedenfalls derzeit viele Interpreten; da Begriffe wie „Vasallität“ und „Ministerialität“ im Nibelungenlied nicht genannt werden, sondern nur das Ergebnis von Interpretationen sind, ist diese Sichtweise stark umstritten. Der Begriff 'Vasall' wird in Deutschland im Hochmittelalter fast nie (mehr) gebraucht; er trifft eigentlich nur auf die Verhältnisse in Frankreich zu, von denen sich die deutschen auch um 1200 ziemlich stark unterscheiden. Während die Ministerialität um 1200 gerade nicht aus der Verwandtschaft der Herrscher kam, sind am Wormser Hof die bedeutendsten Positionen durch Verwandte der Könige besetzt (Hagen von Tronje, Dankwart, Ortwin von Metz). Die soziale Welt des Nibelungenliedes gibt sich, zumindest teilweise, archaisch. Vor allem in der Denkwelt Hagens ist ein zentraler Begriff 'mitfolgen', das heißt, der Gefolgsmann muss mit dem Herrn mitkommen (auf Reisen oder Kriegszüge), wenn dieser es befiehlt. Dem Namen nach ist also das alte Gefolgschaftswesen noch lebendig, wenn es sich auch inhaltlich stark vom sogenannten 'altgermanischen Gefolgschaftswesen' unterscheidet. Gender im Nibelungenlied Auch die Geschlechterrollen werden problematisiert: Die Wormser Könige werden nicht als solche eingeführt, sondern in ihrer Eigenschaft als Vormunde ihrer Schwester Kriemhild, der Hauptfigur. Sie steht nach dem Tod des Vaters zunächst unter der Vormundschaft der Brüder, nach ihrer Verheiratung unter der des Gatten. Ihre Schwägerin Brünhild akzeptiert die Vorherrschaft des Mannes nur, wenn er sie besiegen kann, dann aber vollständig. Im Gegensatz dazu akzeptiert Kriemhild die Geschlechterrollen zunächst vollständig, obwohl sie mehrfach mit ihnen Schwierigkeiten hat: Als sie anlässlich ihrer Eheschließung verlangt, dass ihr, als einem von vier Kindern des verstorbenen Vaters, die Brüder einen Anteil am Erbe herausgeben, sind alle Männer dagegen, auch ihr Gatte Siegfried. Vor allem für Hagen ist es unvorstellbar, dass er in Zukunft Gefolgsmann einer Frau werden könnte. Es ist ererbte Verpflichtung seiner Familie, 'den Königen' zu dienen. Dass das einmal eine Frau sein könnte, ist für ihn undenkbar. Er fühlt sich durch dieses Ansinnen von Kriemhild schwer beleidigt. Trotzdem ordnet Kriemhild sich zunächst unter; sogar das Züchtigungsrecht des Gatten akzeptiert sie (als Siegfried sie zur Strafe verprügelt, weil sie Brünhild beleidigte). Erst als ihr nicht nur der Gatte ermordet wird, sondern dann auch noch ihr Vermögen, durch fortgesetzten gemeinen Betrug, geraubt, und die Brüder in diesem Konflikt immer mehr zu Hagen halten, aus Treue zum Gefolgsmann, die sie höher werten als die Treue zur Schwester, wächst sie aus dieser Rolle heraus: „Wenn ich ein Ritter wäre“, wünscht sie sich (Strophe 1413 der Fassung „B“). Als sie schließlich ganz die Rolle der Frau verlässt und selbst zum rächenden Schwert greift, mit dem sie Hagen den Kopf abschlägt, kann das die Männerwelt nicht ertragen: Obwohl Hildebrand selbst Hagen zu erschlagen versucht hatte, ist es für ihn undenkbar, dass ein Held durch die Hand einer Frau stirbt, und er erschlägt sie dafür. Mit dem vollständigen Verlassen der von ihr zunächst gelebten Rolle der Frau ist auch ihr Leben beendet. So werden drei Frauenbilder vorgestellt: das moderne höfische, das zunächst das Kriemhilds ist, das Freude der Gesellschaft und Liebe für den Einzelnen und die Möglichkeit individueller Wahl des Partners durch die Frau mit Unterordnung unter die patriarchale Herrschaftsordnung zu vereinen versucht (was aber misslingt) als Gegenkonzept das archaisch-mythische Brünhilds, die die Herrschaft des Mannes nur akzeptiert, wenn er die Frau zu besiegen vermag. Ihr entspricht auch die Einstellung Siegfrieds, der seinem Kampf im Bett gegen Brünhild gesellschaftsrelevante, gleichsam mythische Dimensionen gibt (Strophe 670 in Hs. B): „O weh“, dachte der Held, „wenn ich jetzt durch eine Jungfrau das Leben verliere, dann dürfen alle Frauen von jetzt an in alle Zukunft gegen ihren Mann übermütig sein, auch eine, die es sonst nie tun würde.“ unauffällig im Hintergrund das Frauenbild von Kriemhilds Mutter Ute, die ihr eigenes Leben als glücklich empfindet und aus dem Schutz durch die männlichen Verwandten Sicherheit schöpft. Dieses Frauenbild einer alten Generation wird durch das neue, zum Scheitern verurteilte Konzept individueller höfischer Liebe und gesellschaftlicher Freude bedroht. Die Rolle des Mannes wird von Siegfried, Dietrich, Rüdiger von Bechelaren und Etzel unterschiedlich, und in jedem Fall abweichend von der Sichtweise des Wormser Hofes gesehen, an dem eine ziemlich einheitliche Sichtweise von richtig männlichem Verhalten herrscht: Über alles geht die Treue zum Kriegerkameraden; auch wenn er sich ins Unrecht gesetzt hat, ist er bedingungslos gegen seine Gegner zu unterstützen. Das höchste Ziel des Kriegers wird am deutlichsten ausgesprochen von Wolfhart, einem jungen Heißsporn unter den Leuten Dietrichs von Bern: der Nachruhm nach einem Heldentod. Das gewährt ihm das Nibelungenlied auch: Wolfhart erhält von einem König, Giselher, eine tödliche Wunde, ist aber nicht sofort tot. Da er weiß, dass er gleich sterben wird, ist Verteidigung sinnlos. Er kann daher den Schild wegwerfen und mit beiden Händen das Schwert packen und so fest auf Giselhers Haupt schlagen, dass dessen Helm bricht. Giselher ist sofort tot. Wolfhart kann im Sterben noch sehen, dass ein würdiger Gegner ihn fällte, er selbst sich dafür rächen konnte und außerdem sein Oheim Hildebrand anwesend ist, der den Nachruhm Wolfharts verbreiten kann. Er stirbt glücklich (Strophe 2299 in Hs. B). Dagegen beweint Dietrich Wolfharts Tod: dieses Heldenideal gilt nicht für alle. Die Handlung Das Nibelungenlied besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil steht Kriemhilds erste Ehe mit Siegfried und Siegfrieds Tod, im zweiten ihre Rache im Mittelpunkt. Das räumliche Umfeld ist das Burgundenreich am Rhein, sowie (im zweiten Teil) Südostdeutschland und das Donaugebiet des heutigen Österreichs und Ungarns. Am Königshof in Worms lebt Kriemhild zusammen mit ihren drei Brüdern Gunther, Gernot und Giselher, die ihre Vormunde sind, und ihrer Mutter Ute. Wichtige Gefolgsleute der Könige sind Hagen von Tronje, ein Verwandter der Könige, Hagens Bruder Dankwart und aus deren Verwandtschaft weiterhin Ortwin von Metz; sowie unter den Hofbeamten der Küchenmeister Rumold. Kriemhild träumt, dass sie einen Falken aufzieht, den zwei Adler zerfleischen. Ihre Mutter deutet den Traum: der Falke bedeutet einen edlen Mann, und Kriemhild läuft Gefahr, ihn zu verlieren, wenn Gott ihn nicht beschützt. Kriemhild weist den Gedanken an Mann und Liebe von sich; sie will bis an ihren Tod jungfräulich bleiben, weil die Liebe schon vielen Frauen Leid brachte. Die Mutter versucht, sie zu beruhigen und weder den Traum noch die Liebe, die den Menschen glücklich mache, als gefährlich darzustellen. Trotzdem wird Kriemhild lange Zeit die Liebe ablehnen. Parallel dazu wird Siegfried vorgestellt, der Sohn König Siegmunds und Königin Sieglindes von Xanten am Niederrhein. Siegfried hat wunderbare Anlagen und wird von weisen Erziehern zu einem in jeder Hinsicht vorbildlichen zukünftigen Herrscher erzogen. Wichtigstes im Detail geschildertes Ereignis in Siegfrieds Jugend: seine Schwertleite (Ritterschlag); das erste der Feste im Nibelungenlied und das einzige, auf dem alle nur Freude und niemand Leid empfindet. Obwohl die Fürsten seines Reiches Siegfried gerne als Herrscher sähen, respektiert er seine Eltern und will sie nicht zum Abdanken bringen, sondern zieht aus, sich ein eigenes Reich zu erwerben und um die alle Werber ablehnende Kriemhild zu werben, obwohl seine Eltern einwenden, dass das mächtige Wormser Königreich nicht eine Prinzessin an das kleinere Xantener Reich verheiraten würde. Trotzdem zieht Siegfried mit nur zwölf Gefährten aus und ist sich sicher, dass er Kriemhild - notfalls mit Gewalt - für sich gewinnen kann. Als er in Worms ankommt, ahnt Hagen, dass der Ankömmling nur Siegfried sein kann, und erzählt dem Hof dessen Geschichte: Siegfried hat den wunderbaren Hort des verstorbenen Königs Nibelung erworben, indem er dessen Söhne erschlug, die bei der Erbteilung in Streit gekommen waren, daraufhin Siegfried baten, ihnen den Hort zu teilen, aber auch mit seinem Teilungsvorschlag nicht einverstanden waren und zornig auf ihn losgingen. Vorausschauend hatte Siegfried im voraus als Lohn für die Erbteilung das Schwert des Nibelung, Balmung, verlangt, und erschlug damit sie und ihr riesisches Gefolge. Dem Zwergen Alberich, der den Hort in einem unsichtbar machenden Tarnmantel, genannt tarnkappe (Tarnkappe), bewachte, konnte er diese abnehmen und ihn dann fesseln. Alberich musste hinfort als Kämmerer den Hort für Siegfried bewachen. Außerdem, setzt Hagen fort, erschlug Siegfried einmal einen Drachen und badete in dessen Blut, so dass er seither eine unverletzliche Hornhaut besitzt. Wir sehen: das erste, was Hagen von Siegfried berichtet, ist die Erwerbung des Hortes. Vor allem Hagens Gedanken sind immer wieder auf dessen Besitz fixiert. Gunther geht daraufhin Siegfried entgegen (was ehrenvoll ist und die Anerkennung von Gleichrangigkeit bedeutet), aber Siegfried fordert zur Überraschung aller Gunther zum Zweikampf heraus, und dem Sieger sollten die Erbe beider gehören. Der Wormser Hof geht darauf nicht ein: das Burgundenreich ist ein Erbreich; man hat es weder nötig, jemandem sein Reich mit Gewalt abzunehmen, noch will man es gegen Gewalt abtreten. Daraufhin entschließt sich Siegfried, die freundschaftlichen Angebote der Wormser anzunehmen und als Gast zu bleiben. Dass sein eigentlicher Zweck die Werbung um Kriemhild ist, erwähnt er nicht, denn das niederrheinische Reich um Xanten ist nicht so bedeutend wie das Burgundenreich am Oberrhein um Worms; man würde die Prinzessin wohl nicht dorthin verheiraten. Er bleibt ein Jahr, in dem es ihm gelingt, sich den Wormsern unentbehrlich zu machen. Insbesondere hilft er ihnen, als die Sachsen und Dänen mit einem übermächtigen Heer das Wormser Reich erobern wollen. Siegfried leitet umsichtig den Kriegszug und besiegt außerdem persönlich die beiden feindlichen Könige im Zweikampf und nimmt sie gefangen. Beim Siegesfest versucht man, ihn mit Kriemhild zu ködern, um weiterhin seiner Hilfe sicher zu sein, da man erkannt hat, was ihn zur Hilfeleistung motiviert. Kriemhild und Siegfried tauschen liebevolle Blicke. Trotzdem will Siegfried erst werben, wenn er auch Gunther zu einer Braut verholfen hat. Gunther hat sich Brünhild in den Kopf gesetzt, die Königin von Island, wovon Siegfried abrät. Siegfried war schon an Brünhilds Hof und kennt sich dort gut aus. Brünhild verlangt von den Werbern, sie in einem Dreikampf zu besiegen; ansonsten verlieren sie das Leben. Gunther könnte ihre magischen Kräfte nie besiegen, die sie ihrer Jungfräulichkeit verdankt. Hagen rät, Siegfried möge Gunther zu ihr verhelfen. Siegfried verspricht es, wenn Gunther ihm dafür Kriemhild zur Frau gibt. Auf märchenhafte Weise segeln Gunther, Siegfried, Hagen und Dankwart nur zu viert in einem kleinen Schifflein nach Island. Brünhild erwartet zunächst, Siegfried wolle um sie werben. Um nicht Brünhilds Verdacht zu erregen, warum er mitkommt, wenn Gunther wirbt, gibt Siegfried sich als Gefolgsmann Gunthers aus. Um diese Täuschung zu vervollkommnen, leistet Siegfried für Gunther den Stratordienst: er führt Gunthers Pferd vor aller Augen am Zügel. Durch die Tarnkappe unsichtbar gemacht, besiegt Siegfried Brünhild so, dass sie glaubt, Gunther habe es geleistet. Um die Ehe (damit auch die politische Einheit Gunther-Brünhild) nicht zu gefährden, darf sie nicht erfahren, dass sie einem Betrug aufgesessen ist. In Worms wird Siegfried zu ihrer Verwunderung genau so königlich behandelt wie Gunther. Es gibt eine Doppelhochzeit: Gunther – Brünhild und Siegfried – Kriemhild. Siegfrieds Vermählung mit ihrer Schwägerin Kriemhild erscheint Brünhild als eine Mesalliance (franz. Missheirat). Brünhild weint an der Hochzeitstafel und verlangt von Gunther Aufklärung. In der Hochzeitsnacht (in Worms) fesselt Brünhild Gunther mit ihrem Gürtel und hängt ihn an einen Nagel an der Wand, weil er ihr nicht verrät, warum seine Schwester Kriemhild nicht zu gut als Frau für Siegfried ist, obwohl Siegfried als Gatte für Brünhild nicht ebenbürtig wäre. Erst Siegfried bezwingt Brünhild in der zweiten Nacht – wieder mit Hilfe der Tarnkappe. Dabei entwendet er ihren Ring und ihren Gürtel, die klassischen Zeichen für eine erfolgreiche Defloration, obwohl ausdrücklich betont wird, dass Gunther seine Frau selbst entjungfert. Es ist keine Vergewaltigung, sondern nachdem der vermeintliche Gatte sie niedergerungen und ihr dadurch seine Stärke bewiesen hat, ergibt sie sich freiwillig. Erst durch den Verlust der Jungfräulichkeit ist sie nicht mehr stärker als eine normale Frau. Noch neun Jahre später bewegt Brünhild immer wieder die Frage nach einer eventuellen Vasallität Siegfrieds, beziehungsweise vor allem, dass Kriemhild in ihrer Ehe glücklich ist, obwohl Siegfried auf Island gesagt hatte, dass er nicht um Brünhild werbe, weil er nur Gefolgsmann Gunthers sei. Nach der Ankunft in Worms war plötzlich alles anders, und weder Siegfried noch Kriemhild leisteten irgendwelche Dienste für Gunther, nun schon neun Jahre lang. Brünhild ist sich sicher, dass sie irgendwie betrogen wurde, aber sie ahnt nicht, wie und warum. Sie will die Wahrheit wissen und lässt ihre Überredungskünste spielen, bis Gunther auf ihre Bitten Siegfried und Kriemhild zu Besuch nach Worms einlädt. Siegfried und Kriemhild leben teils im Reich seines Vaters, um Xanten, teils im Nibelungenland, das in Norwegen gedacht ist. Hagen denkt auch bei dieser Gelegenheit wieder an Siegfrieds Reichtum und den Nibelungenhort. In Worms geraten die Frauen über die Frage nach dem Rang ihrer Männer in Streit: Auf ein überschwängliches Lob, das Kriemhild über ihren Gatten Siegfried ausspricht, als er sich im Turnier hervortut, erklärt Brünhild, dass sie selbst gehört habe, wie Siegfried sagte, dass Gunther sein Herr sei. Daher, überspitzt Brünhild, halte sie ihn für einen Eigenmann (einen Unfreien), und Kriemhild sei durch die Heirat zu einer Dienstmagd geworden – so weit waren Siegfrieds Äußerungen und Handlungen auf Island nicht gegangen (und den Steigbügeldienst als Symbol der Unterordnung hatte auch Papst Hadrian IV. von Kaiser Friedrich I. Barbarossa verlangt – für das Publikum des Nibelungenliedes hat die Frage, wie tief man sich durch den Stratordienst erniedrigt, also eine hochpolitische Komponente). Kriemhild gerät ebenfalls in Zorn. Beide wollen den Streit in der Öffentlichkeit austragen, um zu sehen, ob die Gemahlin Gunthers oder die Gemahlin Siegfrieds als ranghöher gilt: welche der beiden zur Abendmesse zuerst das Münster betreten darf, soll die Entscheidung bringen. Kriemhild bereitet sich für diesen Auftritt entsprechend vor: Als Brünhild vor dem Eintritt ins Münster Kriemhild befiehlt, stillzustehen, und sie als eigen diu ('leibeigene Dienstmagd') beschimpft, weist Kriemhild Ring und Gürtel von Brünhild vor (die ihr Siegfried geschenkt hatte, als Beweis, wo er in der Nacht gewesen war – Kriemhild hatte ihn natürlich danach gefragt) und nennt sie eigen mannes kebse ('die Kebse [Mätresse] eines leibeigenen Mannes'). Der Streit (den Streit in den altnordischen Parallelüberlieferungen bezeichnet man mit dem altnordischen Wort „Senna“), dessen letzter Teil öffentlich, vor dem Münster, ausgetragen wird, endet mit Tränen Brünhilds. Daraufhin schlägt Hagen Gunther im „Mordrat“ die Ermordung Siegfrieds vor. Hagen von Tronje hält Siegfried für eine Bedrohung des Hofes von Worms. Hagen überzeugt Gunther davon, dass es ihm nützt, wenn man Siegfried ermordet. Zögernd gibt Gunther nach. Hagen gelingt es, Kriemhild das Geheimnis zu entlocken, dass eine Stelle von Siegfrieds Rücken, die beim Bad im Drachenblut von einem Lindenblatt bedeckt wurde, verwundbar blieb. Hagen tötet Siegfried mit einer Lanze, als dieser sich zu trinken über eine Quelle beugt. Er hatte Siegfrieds verwundbare Stelle von Kriemhild auf der Kleidung markieren lassen unter dem Vorwand, gerade diese Stelle besonders beschützen zu wollen. Kriemhild bleibt nach dem Tod Siegfrieds in Worms und lehnt das Angebot Siegmunds ab, mit ihm nach Xanten zu kommen. Besonders Ute und Giselher überreden sie dazu, weil die Blutsverwandten ihr besseren Schutz geben könnten als die Verwandten des ermordeten Gatten. Kriemhild verbringt Jahre mit Trauer und Gebet. Brünhild herrscht dagegen stolz und unangefochten, mit übermüete ('Hochmut'). Das Weinen Kriemhilds ist ihr gleichgültig. Hagen bringt die Könige dazu, Kriemhild zu überreden, den Nibelungenhort nach Worms kommen zu lassen. Sie benutzt aber den Schatz (ihre Morgengabe, daher ihr Eigentum), um fremde Recken an sich zu binden, indem sie ihnen Geschenke macht, aus denen sie eine Verpflichtung herleiten kann. Hagen ahnt, dass sie damit Freunde gewinnen könnte, die den Mord rächen und Hagen gefährlich werden könnten. Als Hagen das bemerkt, unterrichtet er Gunther von der Bedrohung. Während die Könige eine „Reise“ unternehmen, nimmt Hagen den Schatz an sich und versteckt ihn im Rhein. Die Reise dient der Rechtfertigung der Könige, die so vorgeben können, nichts gewusst zu haben. Kriemhilds Klagen bei ihren Brüdern bleiben fruchtlos, sie weisen die Verantwortung von sich; Hagen zieht sich für eine Weile vom Hof zurück. Damit endet der erste Teil. Kriemhilds Rachepläne erhalten eine Chance zur Umsetzung, als der Hunnenkönig Etzel sie heiraten will. Schon im Vorfeld sichert sie sich die unbedingte Gefolgschaft des Werbers, Rüdigers von Bechelaren (Pöchlarn an der Donau). Hagen versucht, die Ehe zu verhindern; er erkennt, dass Kriemhild ihre Macht benutzen wird, um Siegfried zu rächen. Die Könige, besonders Giselher, hoffen aber, sie mit dieser Heirat, die ihr Ehre und Ansehen zurückgeben wird, zu „ergetzen“, d. h. die Schuld (Siegfrieds Tod) zu sühnen. Kriemhild zieht mit großem Gefolge ins Land der Hunnen und wird dort zu einer mächtigen Monarchin. Jahre später lädt sie ihre Brüder und Hagen, dem sie den Mord an Siegfried und den Raub des Nibelungenschatzes niemals verziehen hat, ins Land der Hunnen (Ungarn) zu einem Hoffest ein. Die Eingeladenen vermuten eine Falle. Zu den Warnern gehören der Küchenmeister Rumold, dessen humorvolle Worte berühmt sind ('Rumolds Rat'), sowie die alte Ute. Gerade wegen der Warnungen, um nicht als Feigling zu gelten, befürwortet Hagen nun die Reise, obwohl er zunächst als erster vor ihr gewarnt hatte. Die Burgunden begeben sich schließlich auf die Reise entlang der Donau, weil sie der Meinung sind, durch die Mitnahme von 1000 Kriegern (mit 9000 Knechten) genug gegen Rachepläne Kriemhilds oder Herrschaftspläne Etzels geschützt zu sein. Zum Abschied hält Gunther noch einmal das Beilager mit Brünhild. Das ist ihr letztes Auftreten im Nibelungenlied. Während der Reise an Etzels Hof wird Hagen von weissagenden Wasserfrauen gewarnt, allen stehe der Untergang bevor, nur der Kaplan werde lebend nach Worms zurückkehren. Hagen will diesen sogleich töten, damit die Prophezeiung sich nicht erfülle, und wirft ihn, der nicht schwimmen kann, während der Überfahrt mitten in die Hochwasser führende Donau; aber der Kaplan kann sich durch ein Wunder Gottes ans Ufer retten. Damit weiß Hagen: die Prophezeiung ist wahr. Bis zum Ende tut er daher alles, um das Schicksal herauszufordern, und verhöhnt gleich nach der Ankunft in Ungarn Kriemhild offen. Die Burgunden weigern sich, am Hof Etzels die Waffen abzulegen: im Feudalismus eine offene Kampfansage und schwere Beleidigung des Gastgebers. Doch Etzel gibt nach und lässt den Gästen die Waffen. Er ahnt nichts von den Racheplänen seiner Frau. Kriemhild versucht mit Hilfe von Etzels Bruder Blödel, Hagen töten zu lassen. Das misslingt jedoch. Ebenso kann Kriemhild ihre beiden Brüder Gernot und Giselher nicht zur Abkehr von Hagen bewegen. Etzel ist den Gästen freundlich gesinnt und will den sechsjährigen Sohn Kriemhilds und Etzels, Ortlieb, den sie hatte christlich taufen lassen, als Bindeglied zwischen beiden Reichen den Burgunden zur Erziehung nach Worms mitgeben. Hagen prophezeit daraufhin den Tod des Kindes; er ahnt in diesem anscheinend guten Angebot einen Vormachtsanspruch Etzels. Zugleich bringt Kriemhild es durch ihr Intrigenspiel dazu, dass Etzels Bruder Blödel den Bruder Hagens, Dankwart, der die Knechte beaufsichtigt, zum Zweikampf herausfordert. Dankwart erschlägt Blödel sofort; daraufhin erschlägt eine Schar von Hunnen die wehrlosen Knechte der Burgunden. Dankwart kann sich durch die Hunnen eine blutige Gasse zum Rittersaal bahnen und Hagen den Vorfall berichten. Daraufhin tötet Hagen Ortlieb und fordert die Burgunden auf, die Hunnen zu erschlagen. Es kommt zum Blutbad. Im Laufe der Kämpfe gehen die Helden beider Seiten zugrunde; von den Burgunden leben nur mehr Gunther und Hagen. Dietrich von Bern bezwingt Hagen und Gunther und liefert sie gefesselt Kriemhild aus, verlangt aber, dass sie ihnen das Leben lassen soll, falls sie zu Genugtuung für das ihr angetane Leid bereit sind. Dietrich vertritt den Standpunkt, dass auch für einen Mord Geldbuße geleistet werden kann. Daraufhin fordert Kriemhild von Hagen Genugtuung, um Dietrichs Bedingung zu erfüllen – allerdings ohne zu erwarten, dass Hagen sie leisten wird. Hagen erklärt, so lange einer der drei Könige lebt, nicht zu verraten, wo sich der Hort befindet. Daraufhin lässt sie Gunther das Leben nehmen. Als sie mit dem Haupt ihres Bruders vor Hagen tritt, erklärt dieser, nun wüssten nur Gott und er den Aufenthalt des Hortes. Provokant hat er das Schwert Siegfrieds, das er widerrechtlich, durch Leichenraub, sich nach dem Mord angeeignet hatte, an den Etzelshof mitgenommen. Dieses ergreift nun Kriemhild und, nachdem es den von ihr dazu angestifteten Männern nicht gelungen war, sie zu rächen, schlägt sie Hagen eigenhändig mit Siegfrieds Schwert den Kopf ab. Die Männer sind entsetzt, auch Etzel; nicht über den Tod Hagens, den er selbst wünschte, sondern dass der größte Held durch die Hand einer Frau starb. Zur Rache dafür erschlägt Hildebrand, der alte Waffenmeister Dietrichs, Kriemhild. Am Ende stehen Dietrich von Bern, Hildebrand, Etzel und die ritterliche Gesellschaft weinend vor der Bilanz unsagbaren Elends, und auch der Erzähler nimmt trauernd Abschied. Die Worte der unerfahrenen Kriemhild aus der Eingangsaventüre, „Es hat sich an vielen Frauen gezeigt, dass Liebe am Schluss mit Leid lohnen kann“, werden vom Erzähler in der vorletzten Strophe variiert zu: „wie die Liebe am Schluss immer Leid gibt“. Dieses Leid betrifft aber nicht nur die Liebeshandlung, sondern die ganze höfische Gesellschaft mit ihrem Streben nach Freude, sowohl kollektiver Freude, die im Fest verwirklicht werden soll, als auch nach individueller Freude. Um Freude empfinden zu können, braucht das höfische Individuum vor allem zweierlei: individuelles Liebesglück mit einem selbst gewählten Partner (im Gegensatz zur vorhöfischen Gesellschaft, in der man glücklich wurde, wenn man gut verheiratet wurde, wie Kriemhilds Mutter Ute in Str. B 14 formuliert) und außerdem Ehre, das ist das Ansehen, das man bei den anderen genießt. Dem Mann wird Ehre vor allem für heldenhaften Kampf zuteil. Dieses Streben des Individuums und der höfischen Gesellschaft nach Freude ist am Ende gescheitert. Überlieferung Der Text des Nibelungenlieds ist in ca. 35 (großteils nur fragmentarisch erhaltenen) deutschen Handschriften und einer niederländischen Umarbeitung erhalten (darunter zwei Handschriften, die nur die „Klage“ enthalten und ein Aventiurenverzeichnis). Die Handschriften wurden vorwiegend im südlichen Teil des deutschen Sprachgebietes (Schweiz, Vorarlberg, Tirol) gefunden. Die drei ältesten Textzeugen (Haupthandschriften) bezeichnete Karl Lachmann mit Buchstaben (Siglen) folgendermaßen: Diese drei Manuskripte gelten gleichzeitig als Hauptvertreter dreier verschiedener Textfassungen, deren Verhältnis zueinander bis heute weitgehend ungeklärt ist. Die autornächste Fassung ist zweifellos B. Neben den drei Hauptüberlieferungssträngen (A, B und C) wird man auch von einer breiten mündlichen Tradition ausgehen müssen, deren Rückwirkung auf die schriftlichen Fassungen jedoch schwer einzuschätzen ist. Weiterhin gruppiert man die Handschriften bzw. ihre Textfassungen nach dem letzten Vers des Textes. So enden Handschrift A und B mit dem Text: „daz ist der Nibelunge not“ („das ist der Untergang der Nibelungen“). Diese Texte werden darum als Not-Fassung bezeichnet. Handschrift C allerdings endet auf „daz ist der Nibelunge liet“ („das ist das Lied/Epos von den Nibelungen“). Dieser Text wird darum „Lied-Fassung“ genannt. Der C-Text ist eine Bearbeitung mit Rücksicht auf das Publikum und mildert vor allem die Tragik. Dadurch wurde er beliebter, obwohl, zumindest für heutiges ästhetisches Empfinden, der B-Text die größere künstlerische Leistung darstellt. Nibelungenkenntnis im Mittelalter Der Stoff der Nibelungensage war im deutschen, nordischen und englischen Sprachraum das ganze Mittelalter hindurch sehr bekannt und verbreitet. Dichter und Geschichtsschreiber erwähnen gelegentlich Figuren oder Konstellationen der Sage; dabei kann man jedoch nicht immer entscheiden, ob die Kenntnis auf das Nibelungenlied (bzw. eine seiner Vorstufen) zurückgeht oder auf eine der zahlreichen anderen Fassungen (Teilversionen) dieses Stoffes. So erzählt im 10. Jahrhundert ein süddeutscher (vermutlich bairischer) Mönch in dem lateinischen Schulepos Waltharius Hagens und Gunthers Vorgeschichte, die im Nibelungenlied in der 28. Aventiure und in der 39. Aventiure mehrmals anklingt. Im 'Waltharius' sind Gunther und Hagen Franken, in Worms am Rhein, aber nicht Burgunden wie im Nibelungenlied. Auch dort ist Gunther schatzgierig und raubt mit Hagens Hilfe in einem feigen Überfall in den Vogesen einen Schatz, aber weder Siegfried noch ein anderer Drachentöter kommt vor, sondern die beiden berauben Walther von Aquitanien, der mit seiner Braut Hildegund von Attilas Hof (in Ungarn) floh, dabei Attilas Schatzkiste mitnahm und bei Worms den Rhein überquerte. Dem lateinischen Ruodlieb des 11. Jahrhunderts hat man nachgesagt, dass er von Siegfrieds Biographie angeregt gewesen sein könnte. Um 1165–1175 erwähnt der Kleriker Metellus von Tegernsee (Ode 30), dass ein bei den Teutones berühmtes Lied von den Taten des Roger (Rüdiger) und Tetrix (Dietrich) an der Erlaf (heute Erlauf; Fluss, der bei Pöchlarn in die Donau mündet) handelt. Etwa zur selben Zeit muss sich der Bischof Gunther von Bamberg von seinem Domscholaster Meinhart dafür rügen lassen, dass er sich immer nur mit Attila und den Amelungen (Dietrich von Bern) beschäftigt – damit ist die Heldenepik insgesamt angesprochen. Der Spruchdichter Herger (2. Hälfte des 12. Jahrhunderts) vergleicht Wernhart von Steinsberg (bei Sinsheim) mit Rüedeger von Bechelaeren (26,2). Damals war also am Mittel-/Oberrhein in Adelskreisen der Nibelungenstoff gut bekannt. Der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus berichtet um 1200, freilich anekdotenhaft, dass ein deutscher Sänger den 1131 ermordeten schleswigschen Herzog Knut habe warnen wollen, indem er speciosissimi carminis contextu notissimam Grimilde erga fratres perfidiam de industria memorare adorsus ('indem er absichtlich begann, im Kontext eines ausgezeichneten Gedichtes den allseits bekannten Verrat Kriemhilds an ihren Brüdern vorzutragen'). Auch die Versenkung des Nibelungenhorts im Rhein war sprichwörtlich. Der Minnesänger Otto von Botenlauben spielt in einem seiner Lieder darauf an (ze loche in dem rine). Literarisch bedeutsame Querbeziehungen hat das Nibelungenlied insbesondere mit dem vermutlich nahezu gleichzeitig entstandenen Parzival-Roman Wolframs von Eschenbach. Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt der gelehrte Wanderdichter Marner Kriemhilds Verrat an ihren Brüdern, Siegfrieds Tod und den Nibelungenhort als Publikumsrenner, die er jedoch selbst nicht im Programm habe. Hugo von Trimberg spricht in seiner höfischen Lehrschrift Renner in einer ähnlichen Aufzählung von gern gehörten Erzählstoffen von Kriemhilds „mort“, von Siegfrieds Drachen und vom Nibelungenhort (V. 16183ff.). In Schweden und Norwegen waren Teile der Nibelungensage schon um 1000 bekannt. In England erscheint sie schon im Beowulf (spätestens 10. Jh.), doch in ganz anderer Ausformung: der Drachentöter heißt dort Sigmund (im Nibelungenlied: Siegfrieds Vater), und er tötet den Drachen erst, als er schon einen erwachsenen Sohn hat. Auch in Skandinavien, wo die dem deutschen 'Siegfried' entsprechende Figur 'Sigurd' heißt, ist die Geschichte von dessen Vater Sigmund ausführlich erzählt und vielleicht älter als die Sigurdsage. Der Sohn Sigmunds, der im Beowulf genannt wird, ist im Norden Halbbruder Sigurds. Der Nibelungenstoff im Spätmittelalter Aus dem 15. Jahrhundert stammen Fassungen des Nibelungenlieds, die es im Grunde zu neuen Texten umarbeiten. Generell besteht in der handschriftlichen Überlieferung die Tendenz zur Integration des Stoffes in das Leben des Dietrich von Bern. In diesen Fassungen werden beispielsweise der erste Teil stark reduziert (z. B. Handschrift n) oder neue motivliche Anbindungen gesucht (z. B. Heldenbuch-Prosa um 1480: Burgundenuntergang als Kriemhilds Rache an Dietrich für den Mord an Siegfried im Rosengarten zu Worms). Im 16. und 17. Jahrhundert wird das strophische Lied vom Hürnen Seyfried (Vom verhornten Siegfried) gedruckt, das in Details wohl auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und manche Züge aufweist, die sonst nur die nordische Überlieferung kennt. Der Vater Kriemhilds heißt hier Gybich (nord. Gjuki); Günther, Hagen und Gyrnot sind Brüder. 1557 dramatisiert Hans Sachs in seiner „Tragedj mit 17 personen: Der Huernen Sewfrid“ das Lied. Im 17. bis 19. Jahrhundert blieb der Stoff populär, wie an den mehrfachen Auflagen des Volksbuchs mit dem Titel Eine Wunderschöne Historie von dem gehörnten Siegfried abzulesen ist. Der älteste bekannte (jedoch nicht erhaltene) Druck dieser Prosa-Umarbeitung erschien 1657 in Hamburg. Dem Zeitgeschmack entsprechend heißt Kriemhild hier Florimunda (Florigunda?). Rezeptionsgeschichte Nach der Wiederentdeckung der Handschriften des Nibelungenlieds durch Jacob Hermann Obereit (1755) und der ersten vollständigen Ausgabe in einem Sammelband von Christoph Heinrich Myller (1782) wusste die Aufklärung zunächst wenig mit mittelalterlicher Dichtung anzufangen. Schuld daran trägt allerdings nicht nur die 'aufklärerische' Haltung der Leser, sondern auch, dass die Myller'sche Ausgabe so fehlerhaft ist, dass man den Sinn der Dichtungen sehr oft nicht versteht. Am 22. Februar 1784 schrieb Friedrich der Große an Myller, der seine Sammlung von deutschen Dichtungen des Mittelalters (die unter anderem das Nibelungenlied und Wolframs Parzival enthielt) dem König gewidmet hatte, folgendes: Hochgelahrter, lieber Getreuer! Ihr urtheilt viel zu vorteilhafft von denen Gedichten aus dem 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuss Pulver werth; und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal in der dortigen großen Bibliothek abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem nicht, Euer sonst gnädiger König Frch. Goethe las den Weimarer Damen in einer Folge mehrerer Abende das ganze Nibelungenlied vor (aus der Ausgabe von der Hagens) und machte mehrere detaillierte Bemerkungen dazu (dass sich nach seinem Tod in seiner Bibliothek ein unaufgeschnittenes, d.h. nicht gelesenes, Exemplar der Myller'schen Ausgabe fand, bedeutet also nicht, dass er das Nibelungenlied nicht gelesen hätte). Erst nach Goethes freundlichem Urteil über das „köstliche Werk“ und seiner Forderung, das Heldenlied in eine epische Form zu bringen, setzen in der Romantik zahlreiche Bemühungen um eine dramatischen Neuformung ein. Seitdem wurden zwei Wege eingeschlagen: Teilweise wurde der Stoff des Nibelungenlieds bearbeitet, teilweise griffen die Autoren auf die Sigurd-Brünhild-Version zurück, die in der Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Wölsungensaga, beziehungsweise in einigen Liedern der Edda gestaltet ist. Von den zahlreichen Bearbeitungen des neunzehnten Jahrhunderts sind heute nur noch drei Werke von Interesse, die Trilogie „Der Held des Nordens“, eine dramatische Bearbeitung von Friedrich de la Motte Fouqué, Hebbels Drama und Wagners „Der Ring des Nibelungen“. Friedrich de la Motte Fouqués dramatisches Gedicht folgt im ersten Teil „Sigurd, der Schlangentödter“ der nordischen Tradition: Sigurd befreit Brynhild aus der Waberlohe, heiratet aber nach einem Vergessenstrank Gunnars Schwester Gudrun, hilft Gunnar bei der Werbung um Brynhild, die nach seiner Ermordung durch einen Bruder Gunnars Selbstmord begeht. Im zweiten Teil „Sigurd's Rache“ heiratet Gudrun – erneut unter dem Einfluss eines Zaubertranks ihrer Mutter – den Hunnenkönig Atli. Er will sich in den Besitz des Horts bringen und lädt die Brüder in sein Land ein. Nach deren Ermordung tötet Gudrun ihre eigenen Kinder und setzt sie Atli als Speise vor. Schließlich wird Atli ermordet, und Gudrun wählt wie Brynhild den Freitod. Der dritte Teil „Aslauga“ erzählt, angelehnt an ein Bruchstück aus der Edda, das Geschick der Tochter Sigurds und Brynhilds: Sie wächst bei Hirten als Hütemädchen auf, wird aber wegen ihrer Schönheit vom König von Dänemark geheiratet, worauf die üblichen Verwicklungen folgen. Die Geschichte geht aber gut aus. Fouqué hatte mit dem Werk beim Publikum großen Erfolg und erhielt auch von anderen Dichtern der Zeit wie Jean Paul, Adelbert von Chamisso und Rahel Varnhagen großes Lob. Heinrich Heine dagegen bemängelte die fehlende Charakterisierung der Personen und das Fehlen der dramatischen Spannung. Diese Meinung hat sich durchgesetzt, und seit fast 100 Jahren gibt es keine Ausgabe des Werkes mehr. Wichtiger als das Werk selbst ist aus heutiger Sicht seine Wirkung auf Richard Wagner, der im „Ring des Nibelungen“ viel von Fouqué übernommen hat, ja sogar bezüglich des Versbaus und des Sprachrhythmus als Fouqués Schüler betrachtet werden kann. Friedrich Hebbel hält sich im Gegensatz zu Fouqué im Handlungsverlauf seiner Trilogie an das Nibelungenlied und blendet den mythologischen Hintergrund der Vorgeschichte weitgehend aus. Seine Figuren sind in unterschiedlicher Ausprägung Typen und Individuen zugleich und dadurch ohne durchgängige Motivation. Brunhild wird zum Ding, zum Tauschobjekt erniedrigt, Kriemhild am Ende wie im Nibelungenlied quasi kommentarlos erschlagen. Wegen der Schlussworte wurde in das Stück mitunter ein geschichtsphilosophisches Anliegen hineininterpretiert (Ablösung der mythischen Welt der Riesen durch das Christentum), aber in Hebbels Äußerungen lassen sich dafür keine Hinweise finden. Hebbels Stück fand auf dem Theater eine günstige Aufnahme und verdrängte die anderen dramatischen Bearbeitungen fast vollständig von den deutschen Bühnen – auch die Fassung von Emanuel Geibel, der den Stoff zu einem bürgerlichen Trauerspiel umformte. Im Gegensatz zu Goethe äußerte sich Heinrich Heine (1797–1856) zwar fasziniert, aber gleichzeitig auch befremdet über den Ton des Nibelungenlieds: „Es ist eine Sprache von Stein, und die Verse sind gleichsam gereimte Quadern. Hie und da, aus den Spalten, quellen rote Blumen hervor wie Blutstropfen oder zieht sich der lange Epheu herunter wie grüne Tränen.“ Trotz Heines Kritik erlangte der Stoff im 19. Jahrhundert den Rang eines deutschen Nationalepos. Zusätzlich zu den Theaterfassungen entstanden viele z. T. illustrierte Ausgaben (z. B. von Alfred Rethel, 1840, und von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1843). In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts diente das Nibelungenlied mehreren Romanen mit nationalistischer Tendenz als Vorlage. Mit dem Stück „Der Nibelungen Not“ knüpfte Max Mell an die Wölsungen-Variante, Wagners Mythologisierung und das Walkürenmotiv an. Er konzentrierte das Geschehen auf die bühnenwirksamen Höhepunkte. Im ersten Teil: Siegfrieds und Kriemhilds Ankunft in Worms, der Streit der Königinnen, Siegfrieds Ermordung, Brünhilds Freitod in den Flammen und ihre Rückkehr in den Bereich der Götter. Im zweiten Teil: Empfang der Burgunden an Etzels Hof, Racheintrige Kriemhilds, Untergang der Burgunden, Kriemhilds Ermordung und ein Schluss, der der Dietrichsage entnommen ist (Dietrich reitet auf seinem Pferd davon). Im N. feierte man die Wiederkehr der germanischen Größe und des Heldentums, der germanischen Gefolgstreue und des männlichen Rittertums und unterlegte die Idee des deutschen Volkstums mit diesen „germanischen Tugenden“. Man berief sich auf die schöpferischen Kräfte der Germanen, denen das Dritte Reich wieder Lebensmöglichkeiten gebe. Das Nibelungenlied wurde so als Vehikel nationaler Ideen instrumentalisiert und missbraucht, wie z. B. von Hermann Göring, der die Lage der deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad mit der Lage der Nibelungen im brennenden Saal verglich („Wir kennen ein gewaltiges historisches Lied...“). In der Spätphase des Krieges wurde damit häufig persönliches Verhalten in chancenloser Lage thematisiert: "Wir müssen doch ersterben, sprach da Giselher / so soll uns niemand scheiden von ritterlicher Wehr. / Wer gerne mit uns stritte, wir sind noch immer hie / verlier' ich meine Treue an einem Freund doch nie." (36. Aventiure) Nach 1945 war das Nibelungenlied wegen der Inanspruchnahme des Stoffes durch den Nationalsozialismus zunächst mit einem Tabu belegt, und jahrelang gab es keine zeitgemäße Prosafassung. Erst seit dem Einströmen von Fantasy-Elementen in die literarische Unterhaltungsliteratur – schon in J. R. R. Tolkiens Werken (Herr der Ringe) lassen sich etliche Elemente der Nibelungensaga (das Ring-Motiv!) wiederfinden – beschäftigten sich mehrere Romane aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Thema. Z. B. folgt „Rheingold“ von Stephan Grundy der Wölsungen-Linie, „Siegfried und Krimhild“ von Jürgen Lodemann dagegen dem Nibelungenlied, in drei anderen Romanen steht entweder Kriemhild (Roman von Sabina Trooger), Hagen (Siehe Wolfgang Hohlbeins Roman „Hagen von Tronje“ oder Joachim Fernaus „Disteln für Hagen“) oder Brünhild im Mittelpunkt. Der Roman „Sigfrieds Tochter“ von Eric Gutzler verknüpft die Wölsungensaga mit dem Nibelungenlied zu einem durchgehenden Handlungsstrang und erweitert den Stoff zu einem historischen Fantasy-Roman, in dem Sigfrieds Tochter im Brennpunkt steht. Baal Müllers „Die Nibelungen – nach alten Quellen neu erzählt“ schildert die Geschichte vom Untergang der Burgunden aus der Sicht des alten Hildebrand.