Marcel Marceau (Pantomime).
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März 1923 in Straßburg, Frankreich; † 22. September 2007 in Cahors, eigentlich Marcel Mangel) war ein französischer Pantomime. Dem Publikum war er als „Bip“ vertraut, der tragikomische Clown im Ringelhemd mit dem weiß geschminkten Gesicht, dem zerbeulten Seidenhut und der roten Blume. Leben Marcel Marceau wuchs in Straßburg als Sohn des jüdischen Metzgers, Vorbeters und Sängers Karl (Kalman) Mangel und der Anna geb. Werzberg auf. Schon während seiner Jugend fiel er dadurch auf, dass er wenig sprach und seine Eindrücke und Ideen lieber durch Mimik und Gestik ausdrückte. Die Stummfilm-Stars wie Charlie Chaplin und Buster Keaton weckten schon früh sein Interesse für die Schauspielbühne, um die „Kunst der Stille“ (L’Art du Silence) zu seinem Beruf zu machen. Der Besuch der Schauspielschule wurde aber durch den Zweiten Weltkrieg zunächst unmöglich. Bei Kriegsausbruch 1940 musste seine Familie fliehen. 1942 schloss sich Marcel gemeinsam mit seinem Bruder Simon (Alain) in Limoges einer Gruppe der französischen Widerstandsbewegung an, welche später Teil der Widerstandsorganisation Francs-tireurs et partisans (FTP) wurde. Hier hatte er Pässe zu fälschen. Auch für sich selbst fertigte er einen Ausweis auf den neutralen Namen Marceau an und behielt ihn nach dem Krieg zur Erinnerung bei. Ab 1943 half er drei Mal, jüdische Kinder in die Schweiz zu schmuggeln. Später kämpfte er als Angehöriger der französischen Armee gegen die deutschen Besatzer. Wegen seiner guten Englischkenntnisse war er Verbindungsoffizier zur 3. US Army unter General George S. Patton. Sein Vater Charles wurde im Februar 1944 von der Polizei des Vichy-Regimes in Limoges verhaftet, über Drancy nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. 1946 begann Marcel seine Ausbildung im Pariser Sarah-Bernhardt-Theater. Seine Lehrer waren Charles Dullin und Étienne Decroux, der auch Jean-Louis Barrault unterrichtete. An der Seite von Barrault und Madeleine Renaud spielte Marceau in der Compagnie Barraults auf der Bühne den „Harlekin“ in der Pantomime Baptiste nach dem Film Kinder des Olymp. Die positive Kritik ermutigte ihn, eigene Mimodramen aufzuführen. 1947, im Alter von 24 Jahren, trat Marceau in Paris zum ersten Mal als „Monsieur Bip“ auf. In dieser Rolle, die ihn weltberühmt machte, tourte er über 40 Jahre lang um den Globus. Die von ihm gegründete Compagnie de Mime Marcel Marceau war einzigartig auf der Welt und führte zahlreiche bekannte Theaterstücke als Mimodramen auf, u. a. Gogols Der Mantel (mit Soubeyran) und Tirso de Molinas Don Juan. Seinen internationalen Durchbruch schaffte er schließlich in der Bundesrepublik Deutschland. 1951 plante er ein viertägiges Gastspiel in Berlin, blieb dann aber für zwei Monate. Zu seinen Aufführungen kamen auch Bertolt Brecht und der Kritiker Friedrich Luft, der hinterher schrieb: „Marceau macht eine neue Kunst, das muss man gesehen haben.“ Ähnlich erging es ihm 1955 bei seiner ersten USA-Tournee. Aus einem zweiwöchigen Gastspiel wurde eine sechsmonatige Erfolgstournee zwischen Broadway und Hollywood. In dieser Zeit lernte er auch seine Idole Charles Laughton, Buster Keaton, Stan Laurel, Oliver Hardy und die Marx Brothers persönlich kennen. Seinem größten Vorbild, Charlie Chaplin, begegnete er 1967 am Pariser Flughafen Orly. Seit den 1960er Jahren wurde er auch durch Solo-Auftritte über das Fernsehen bekannt. Im späteren Kult-Science-Fiction-Film Barbarella des französischen Regisseurs Roger Vadim aus dem Jahr 1968 spielte er den Professor Ping. Neben seinen Tourneen und Fernsehauftritten setzte Marceau sich für die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses ein. 1978 gründete er mit Hilfe des damaligen Pariser Bürgermeisters Jacques Chirac die Schauspielschule École Internationale de Mimodrame de Paris, Marcel Marceau, in der als Fächer neben der Pantomime auch die mime corporel dramatique von Étienne Decroux, Schauspiel, Klassischer Tanz und Fechten angeboten wurden. Mit den besten Absolventen bildete er 1993 eine neue Truppe, die Nouvelle Compagnie de Mimodrame. Ferner gehörte er seit 1950 dem internationalen Salzburg-Seminar an, das er durch mehrere künstlerisch sensationelle Benefiz-Veranstaltungen persönlich finanziell unterstützte. Erfolg hatte Marceau auch als Maler und Zeichner. Seine Werke wurden u. a. in Deutschland, Frankreich, Japan und in den USA gezeigt. Zudem schrieb und illustrierte er mehrere Bücher, darunter Die Geschichte des Bip und Pimporello, die Geschichte eines alten Straßenmimen und dessen Zuneigung zu einem kleinen verwilderten Mädchen, eine Hommage an Charlie Chaplins The Kid. Marcel Marceau starb im Jahr 2007 im Alter von 84 Jahren in Paris im Kreis seiner Familie, wie seine Kinder bekanntgaben. Während der Beisetzungszeremonie, zu der sich etwa 300 Personen auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise zusammenfanden, war Marceaus Hut mit der roten Blume auf einem Tisch niedergelegt worden. Der ehemalige Oberrabbiner Frankreichs René-Samuel Sirat sprach Gebete in hebräischer und in französischer Sprache. Marceau schloss drei Ehen, die alle drei geschieden wurden. Aus der Verbindung mit Huguette Mallet gingen die Söhne Michel und Baptiste hervor. Danach heiratete er die polnische Tänzerin und Choreografin Ella Jaroszewicz, Gründerin und Leiterin des Pariser Pantomimenstudios Magénia und des gleichnamigen Ensembles. Der dritten Ehe mit Anne Sicco entstammen die beiden Töchter Camille und Aurelia. Wirkung und Rezeption Im Laufe seiner Karriere hatte Marceau die Themen und Ausdrucksmöglichkeiten der Pantomime ständig erweitert und seinem Publikum in den berühmten Pantomimes de Style vorgeführt. Zum festen Repertoire gehörten u. a. Die Erschaffung der Welt; Das Tribunal; Der Maskenmacher; Die Treppe; Im Volksgarten; Der Vogelfänger; Der Gerichtshof; Die Hände – Kampf zwischen Gut und Böse; Jugend, Reife, Alter, Tod; Der Alptraum des Taschendiebs; Die Bürokraten und Der Marsch gegen den Wind. Er bezeichnete seine pantomimischen Bilder auch als „Schreie der Stille“ und verstand sie als Möglichkeit, die Unbeholfenheit des Menschen auszudrücken. Marceau beeinflusste bis heute zahlreiche Künstler aus allen Genres. Samuel Beckett inspirierte er zum pantomimischen Finale im Endspiel. Samy Molcho, Milan Sládek und Jango Edwards betonten seinen Einfluss auf ihre Karriere. Deutsche Mimen wie JOMI, Peter Makal und Rolf Mielke haben bei ihm gelernt. Der Schauspieler Anthony Hopkins und der Tänzer Rudolf Nurejew beriefen sich auf sein Vorbild. Michael Jackson wurde zum Moonwalk, der später zu seinem Markenzeichen wurde, durch den von Marceau kreierten Marsch gegen den Wind inspiriert. Diesen führte Marceau auch 1976 in der Stummfilm-Hommage Silent Movie von Mel Brooks auf. (In diesem Film war Marceau ironischerweise der einzige Darsteller, der ein Wort spricht, nämlich „Non!“) Noch 2005 ging der über 80-jährige Pantomime auf Tournee. In seiner Pariser Schule gab er nach wie vor Meisterkurse und nahm sämtliche Premieren ab. Dabei beharrte er auf dem wichtigsten Merkmal seiner Körperkunst: „Der Filmschauspieler muss vergessen machen, dass er spielt. Der Pantomime darf das nicht, er muss in beständiger Anspannung sein.“ „Die Pantomime ist die Kunst der Haltung.“ Ein Film mit dem Titel Resistance über das Wirken von Marcel Marceau im 2. Weltkrieg soll überwiegend in Bayern gedreht werden. Filmografie (Auswahl) 1947: La Bague (Kurzfilm) 1955: Der Park (Un jardin public; Kurzfilm) 1959: Die schöne Lügnerin 1966: Es 1968: Barbarella 1974: Shanks 1976: Mel Brooks’ letzte Verrücktheit: Silent Movie (Silent Movie) 1983: Les îles 1989: Kinski Paganini 1997: Joseph's Gift Ehrungen und Auszeichnungen Offizier der Ehrenlegion (1986) Großoffizier des Ordre national du Mérite (1998) Kommandeur des Ordre des Arts et des Lettres Ritter des Ordre des Palmes Académiques Mitglied der Académie des Beaux-Arts (1991) Mitglied in der Akademie der Künste Berlin Ehrendoktorwürde mehrerer US-amerikanischer Universitäten Mitglied/Alumnus des Salzburg Seminars Die Pantomime (von altgriechisch παντόμῑμος pantómīmos, wörtlich „alles nachahmend“) ist eine Form der darstellenden Kunst. Nach modernem Verständnis handelt es sich um körperlichen Ausdruck, also Mimik und Gestik, ohne Worte. Ein Künstler, der diese Form der Darstellung praktiziert, wird ebenfalls Pantomime genannt (der Pantomime, weibliche Form die Pantomimin). Äußerungen von Menschen, die sich nicht mit Worten ausdrücken können oder wollen, werden als pantomimisch bezeichnet. Im Lauf der Geschichte werden recht unterschiedliche Kunstformen unter diesem Namen verstanden. Der antike Pantomimus war eine Art Tanz. Die erhaltenen Quellen erlauben es jedoch nicht, ihn exakt zu rekonstruieren. Die in der Neuzeit als Pantomime bezeichneten Arten der Darstellung haben damit zu tun, dass das Drama bis zum 20. Jahrhundert als höchste Gattung der darstellenden Kunst betrachtet wurde und sich Darstellungsformen, die nicht in erster Linie literarisch waren, wie Tanz, Artistik oder auch Musik, um die Darstellung von Handlungen oder zumindest um ein bildhaftes oder allegorisches Motto bemühten. Daraus entstanden zahlreiche Mischformen von Künsten, die nicht auf dem Wort beruhen (und daher auch nicht der Theaterzensur unterworfen waren wie die literarischen Dramen). Die Musik löste sich schon seit dem 18. Jahrhundert vom Anspruch, Handlungen abzubilden, Tanz und Artistik folgten im späteren 19. Jahrhundert nach. Programmmusik, Handlungsballette und Zirkuspantomimen existieren aber vor allem in ihren populären Ausformungen bis heute. Darbietungen von Clowns enthalten pantomimische Elemente. Als Gegenbewegung zum Ursprung der Pantomime aus Tanz und Zirkusartistik, den man noch im Stummfilm erkennt (der eine enge Verbindung zu den Varieté- oder Vaudeville-Nummern seiner Zeit hatte), hat sich eine karge, aufs Wesentliche beschränkte „autonome“ Pantomime als moderne Kunstform entwickelt. Gelegentlich wird diese Pantomime mit anderen Theaterformen verbunden, zum Beispiel beim Schwarzen Theater, seltener auch im Schwarzlichttheater. Geschichte Im Theater der römischen Antike war der Pantomimus eine Art virtuoser Solotänzer. Die römische Pantomime war weit verbreitet, bis das Christentum alle Formen öffentlicher Aufführungen verbot. Seit der Neuzeit wurde immer wieder versucht, verschiedenste Theaterformen durch Berufung auf die Antike zu rechtfertigen. Mit der Commedia dell’arte, dem italienischen Stegreiftheater der Renaissance, entstand seit dem 16. Jahrhundert eine neuzeitliche Form der Pantomime, die sich über den Umweg der europäischen Metropole Paris auf der ganzen westlichen Welt verbreitete. Wenngleich hier Sprache verwendet wurde, hatten nicht nur Masken wie die Figuren des Pagliaccio oder Pedrolino (wird zu Pierrot) oder des Arlecchino (wird zu Harlekin) Einfluss auf die spätere Pantomime, sondern das Bewegungsrepertoire, das zu diesen Typen gehörte, mitsamt den improvisierten Lazzi. Mit dem Begriff der Pantomime verbunden ist die Vorstellung einer allgemeinen Verständlichkeit über Sprachgrenzen und Standesgrenzen hinweg. In diesem Sinne hatten auch die englischen Wanderschauspieler, die Kontinentaleuropa seit etwa 1600 bereisten, ohne die Sprachen in den von ihnen besuchten Ländern zu beherrschen, Anteil an ihrer Entwicklung. Sie nahmen Einflüsse der Commedia dell’arte auf. 18. Jahrhundert Als populäres Gegenstück zum höfischen Ballett wurde im 18. Jahrhundert eine getanzte Form der Commedia dell’arte üblich, die man Pantomime nannte. Überall in Europa gab es Tanzkompanien, die diese sehr musikbetonten Stücke, oft mit vielen Kostümwechseln und Verwandlungen auf der Bühne, präsentierten. Im Pariser Jahrmarktstheater entstand die stumme Pantomime, weil die offiziellen Pariser Theater aus Angst vor der wirtschaftlichen Konkurrenz dieser modischen Spielstätten zeitweise ein Textverbot für sie durchsetzen konnten. Die Comédie-Française, die im Kern noch das Theater-Repertoire der französischen Klassik aufführte und ein Theater des französischen Hofstaats war, wachte eifersüchtig über ihr Privileg auf das gesprochene Wort auf der Bühne. So kam die Pantomime in den Ruf, eine Kunst der Machtlosen und Ungebildeten zu sein. Ästhetische Vorstellungen In der Ästhetik des 18. Jahrhunderts, in einer gehobeneren gesellschaftlichen Sphäre, hatte die Pantomime eine andere Funktion. Sie sollte nach dem Tod des tanzenden Königs Ludwig XIV. 1715 die zunehmende Loslösung von den französischen Hofsitten rechtfertigen, die Tanz und Theater instrumentalisierten. Sie symbolisierte eine Bewegung ohne Benimm-dich-Regeln. Die Befreiung von den regulären Schritten des Gesellschaftstanzes, vom einengenden Korsett des Operngesangs, von den Posen und Deklamationsregeln der tragischen Schauspieler, all das wurde mit Vorliebe Pantomime genannt, die als Vision grenzenloser Freiheit, Wahrheit und Natürlichkeit erschien und sich zudem noch auf die Antike abstützen ließ. Von Jean-Baptiste Dubos (Réflexions critiques sur la poésie et la peinture, 1719) über Denis Diderot (De la poésie dramatique, 1758) bis Johann Georg Sulzer (Allgemeine Theorie der Schönen Künste, 1771) gibt es zahlreiche Äußerungen in die Richtung, dass die Pantomime den Menschen zur Natur hinführe. Johann Jakob Engel fasste in seinen Ideen zu einer Mimik (1786) manche Tendenzen des Jahrhunderts zusammen. Eine Leitidee war der Glaube daran, dass die wortlosen Künste Gestik und Mimik im Unterschied zur wortreichen und manipulierenden Rhetorik das „Innere der Seele“ unverstellt spiegeln. Dann wären Gestik und Mimik nach damaliger Vorstellung nicht Kunst, sondern Natur. Sie wären nicht machbar, sondern würden unwillkürlich aus dem Innern des begnadeten Künstlers hervorbrechen. Der sprachliche Ausdruck war dagegen eher dem Verdacht der Täuschung und Verstellung ausgesetzt. Diese Vorstellungen zeigen sich etwa in den pantomimischen Szenen von August von Kotzebues Menschenhass und Reue (1789). Die theoretische Diskussion lässt sich nicht von ihrem gesellschaftlichen und politischen Umfeld trennen. Die Pantomime der Jahrmärkte war gerade deshalb in Mode, weil sie „aus der Gosse“ kam und ursprünglich gering geschätzt wurde, so wie es bis heute bei vielen Tänzen oder Musikstilen der Fall ist. London und Paris In England hingegen war die „Glorious Revolution“ 1688 schon geschehen und die populäre Theaterkunst deshalb weiter fortgeschritten als auf dem Kontinent vor der französischen Revolution 1789, wo sie mit zahlreichen Einschränkungen zu kämpfen hatte. Der Ballettmeister John Weaver rechtfertigte tänzerische Innovationen mit seinem Traktat History of the Mimes and Pantomimes (1728), das große Ausstrahlung hatte. Er wird oft als Begründer des englischen Balletts und der englischen Pantomime bezeichnet. Im Pariser Jahrmarktstheater wurde die Pantomime als Kampf gegen die Privilegien der Hoftheater betrachtet. Der französische Tänzer und Choreograf Jean Georges Noverre stützte sich bei seinen Reformen des Hoftanzes unter anderem auf Weaver. Er löste durch „natürlichere“ Bewegungen den Bühnentanz vom Gesellschaftstanz und schuf das Handlungsballett (ballet en action). Aber auch er orientierte sich wohl nicht an der Theorie seiner Zeit, sondern an den populären Pantomimen der Jahrmärkte oder den gastierenden englischen Schauspielern wie David Garrick. Das Aufstreben der Pantomime nach der französischen Revolution hat vor allem mit der strengen Theaterzensur zu tun, die Aufführungen ohne Text, also ohne die Gefahr politischer Äußerungen, stark begünstigte. Der Begriff Pantomime wird auch deshalb mit einer subtilen Gesellschaftskritik in Verbindung gebracht. 19. Jahrhundert Pantomime und Volkstheater Die Pantomime im sogenannten Volkstheater war noch im 19. Jahrhundert ein Gegenstück zum höfischen Ballett und wurde in Theatern aufgeführt, denen keine tragischen Ballette gestattet waren, wie dem Theater in der Leopoldstadt Wien (siehe Der siegende Amor, 1814). Ein wichtiger „Pantomimenmeister“ war etwa Louis Milon am Pariser Théâtre de l’Ambigu-Comique. Von dieser Ballett-Pantomime stammt die sogenannte „englische Pantomime“ ab, die in Joseph Grimaldi (dem Erfinder des Clowns) einen berühmten Interpreten hatte. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein bildeten Theateraufführungen auch das Kernprogramm der Zirkusse. Pantomime und Malerei Eine Verbindung zwischen Malerei und Pantomime hatte bereits Diderot behauptet (Dorval et moi, 1757), und daraus wurde im 19. Jahrhundert eine eigene Kunstgattung. „Lebende Bilder“ und Attitüden, die sich aus dem Posieren für Gemälde oder Fotos entwickelten und die etwa Emma Hamilton oder Henriette Hendel-Schütz kultivierten, wurden mitunter auch „Pantomimen“ genannt. Der Rhetoriklehrer François Delsarte erforschte und lehrte die „natürlichen“ Körperhaltungen, die er für eine Grundlage jeder sprachlichen Äußerung hielt. Das Delsarte-System hatte vor allem um 1900 herum großen Einfluss. Pantomime und Sport Eine enge Verbindung mit der weiteren Entwicklung der Pantomime hatte das Turnen seit Beginn des 19. Jahrhunderts, das damals noch mehr theatralische Elemente enthielt als heute. Noch der moderne Pantomime Jacques Lecoq hat als Turner begonnen und Jean-Gaspard Deburau war ein Meister im Stockkampf. Außerdem gehört das Fechten seit dieser Zeit zu den Fähigkeiten eines Schauspielers: Er sollte Standespersonen authentisch darstellen und sich selbst in Ehrenhändeln verteidigen können. Später wurde es zwar zur „sinnfreien Leibesübung“, wird aber aus Gründen der Körpererziehung in der Schauspielerausbildung bis heute beibehalten. Pariser Boulevardtheater Die Boulevardtheater auf dem Pariser Boulevard du Temple durften sprechende und singende Darsteller auf der Bühne nur sehr eingeschränkt verwenden, weil sie damit die Privilegien der Pariser Oper und der Comédie-Française verletzten. Das Théâtre de la Porte Saint-Martin etwa befand sich immer wieder im Kampf mit den Behörden. So konnten es die „Grotesktänzer“, wie die komischen Tänzer damals genannt wurden, mit den führenden Darstellern aus Oper und Schauspiel aufnehmen. Charles-François Mazurier im Porte Saint-Martin oder Jean-Baptiste Auriol im Cirque Olympique waren die Stars von Bühne und Manege. Deburau auf dem Boulevard du Temple gilt dagegen als Erfinder der modernen, feinen und poetischen Pariser Pantomime, die große Beachtung in der Französischen Romantik fand. Er schuf die Figur des poetischen, melancholischen Pierrot: Er durfte auf der Bühne nicht sprechen, weil das Théâtre des Funambules keine Lizenz dazu besaß. Dem Künstler Deburau wurde 1945 in Marcel Carnés Film Kinder des Olymp in der Darstellung von Jean-Louis Barrault ein Denkmal gesetzt. Das Melodram in jener Zeit enthält oft pantomimische Hauptrollen, zum Beispiel Der Hund des Aubry (1814) oder Die Waise und der Mörder (1816), Yelva, die russische Waise (1828). Auf die Oper übertragen wurde dieses Prinzip in Die Stumme von Portici (1828), in der die stumme Figur sozialkritische Sprengkraft besaß, was sich in der belgischen Revolution von 1830 bestätigte. Ein stummes Wesen schien nicht Theater zu spielen, sondern unverstellt und natürlich zu sein. Die stumme Rolle als sympathische und hilflose Figur hat sich bis zum modernen Filmmelodram erhalten. 20. Jahrhundert Populärkultur und Avantgarden Artisten-Karrieren wie die von Carl Godlewski zeigen, dass auch nach 1900 die Grenzen zwischen Pantomime, Zirkusakrobatik und Tanz fließend waren, selbst auf höchstem Niveau. Dies erschien manchen Künstlern jedoch unbefriedigend. Die Pantomime des 20. Jahrhunderts, die auf Étienne Decroux zurückgeht (auch er gehörte zu den Darstellern in Kinder des Olymp), ist nicht nur von der Kleinkunst der Music Hall und von den Schauspieltechniken im Stummfilm beeinflusst, sondern auch von Reformversuchen des Balletttanzes, die bei François Delsarte (siehe auch das 19. Jahrhundert) ihren Anfang nehmen und in den sogenannten Ausdruckstanz von Emil Jaques-Dalcroze oder Rudolf von Laban münden. Labans Bewegungsexperimente auf dem Monte Verità haben eine weite Beachtung gefunden. So formte sich bis nach dem Ersten Weltkrieg eine Art des Bewegungstheaters, das weder Ballett noch Gesellschaftstanz war. Decroux und die folgende Generation Etienne Decroux ging bei Charles Dullin in die Lehre, jedoch wandte er sich von der Pantomime ab und gründete sein eigenes Schema, das er die „bewegte Statue“ nannte bzw. im Französischen „mime statuaire“. Mit dieser neuen Ausdrucksmöglichkeit wollte Decroux sich von den bisherigen Praktiken distanzieren und den Körper als bloßes Material von der Last der Fabel/Erzählung und der Rollenpsychologie befreien. Der Körper sollte „alleiniges Instrument szenischer Gestaltung“ werden. Paul Pörtner schrieb dazu: „Der Ausgangspunkt dieser neuen ‚Mimen-Schule‘ war die Befreiung des Schauspielers von der naturalistischen Überladenheit mit Kostüm, Requisiten und eine Bewußtmachung der wesentlichen Ausdrucksmittel der Haltung und Geste, des körperlichen Mimens statt nur der auf das Gesicht beschränkten Mimik“. Handlungs- und Erzähldramaturgien waren für die Arbeit von Decroux nebensächlich. Der Aspekt, dass die Geste quasi analog zu Worten sei, war Decroux zuwider. So schrieb er: „Der Darsteller soll technisch und formal in den Stand versetzt werden, seinen Leib nur als Werk zu präsentieren ohne sich selbst in ihm zu zeigen“. Um dies auch tatsächlich umsetzen zu können, hatte Decroux zwei weitere Forschungsgebiete: die Bewegungsisolation und das Gleichgewicht als technisch formale, gymnastische Anforderung. Decroux erklärte den vom Tänzerischen und Artistischen weitgehend gereinigten „mime pur“ zur Grundform der Pantomime (siehe auch Mime corporel dramatique) und gründete in den 1930er-Jahren die erste Pantomimenschule in Paris. Zu seinen Schülern gehörten Jean-Louis Barrault, der die Pantomime ins Schauspiel integrierte, und Marcel Marceau, der sie im Laufe seiner Karriere immer mehr zu einer Soloauftrittskultur perfektionierte. Decroux’ Auffassungen deckten sich mit Bestrebungen mancher Theaterreformer nach dem Ersten Weltkrieg wie zum Beispiel Max Reinhardt, Bertolt Brecht und Meyerhold, die auch das Schauspiel auf einen klaren körperlichen Ausdruck reduzierten, der nicht naturalistisch, sondern stilisiert sein sollte. Neue Ideen für die Pantomime kamen von den asiatischen Martial arts. Künstler, die mit der Pantomime begannen und neue Wege gingen Um Lecoq und seine Theorien besser verstehen zu können, ist es wichtig zu erfahren, wo er begann und wer sich zu dieser Zeit ebenfalls mit Ausdrucksformen des Körpers auseinandersetzte. Die zwei Theoretiker, die hier hinzugezogen werden sollen, sind Marcel Marceau und Etienne Decroux. An diesen beiden Künstlern ist interessant, dass Lecoq und seine Ideen genau in der Mitte zwischen den beiden Männern Marceau und Decroux anzusiedeln sind. Allen ist gemein, dass die Basis ihrer Arbeit die Pantomime war. Während Marceau bestrebt war, eine reine Pantomime zu schaffen, wollte Decroux eine völlig neue revolutionäre Ausdrucksform des Körpers schaffen, die sich klar vor allem von der Pantomime distanzieren wollte, was insofern interessant ist, da Decroux, wie Marceau bei Dullin seine Ausbildung gemacht hatte. Lecoq wiederum bezog sich in seinen Ideen zwar auf die Pantomime, führte seine Gedanken jedoch weiter zur Formensprache und zu den natürlichen Bewegungen. Marceau beschreibt in einem Interview mit Herbert Jehring, dass seine erste Begegnung mit der Pantomime durch Charlie Chaplin erfolgte und die Faszination an dieser Mitteilungsweise ihn ein Leben lang begleiten sollte. Marceau lernte in der Schule von Charles Dullin und spielte in dessen Schauspieltruppe. Mit 24 Jahren entwickelte Marceau, nach einigen Jahren Erfahrungen im Sprechtheater, die Figur des Bip: „Ich nahm ein gestreiftes Trikot, eine weiße Hose, einen Hut mit einer Blume – und vor dem Spiegel stand Bip.“ Marceau beschreibt im Weiteren, dass er einen „Volkshelden“ schaffen wollte, in dem sich jeder finden könne. Über die durchweg positive Resonanz seiner Kunst sagte er, dass „die Stille Sprache ein tiefes Bedürfnis“ in den Menschen wäre. Marceau führt den Begriff „Le Mime“ ein; dieser Begriff beschreibt die „Identifizierung des Menschen mit der Natur und den Elementen“. Er bezieht sich damit auf die Tradition, die bereits seit der Antike in Gebrauch ist; er schreibt der Mimik eine große Ausdrucks- und Bedeutungskraft zu. Durch die Schminke werden die Gesichter zu Masken wie es schon bei den Griechen üblich war. Auch betont er, dass der Künstler bestimmte Körperbeherrschung haben muss, die akrobatischen Fähigkeiten ebenbürtig sein sollten. Im Laufe der Zeit formte er zahlreiche Stilübungen. Eine seiner bekanntesten Übungen ist „Jugend, Reife, Alter, Tod“. Diese führt er alleine auf einer Bühne ohne jegliche Requisiten auf, manchmal in der Rolle des Bip, oder musikalisch begleitet. Bei Jacques Lecoq sind Elemente beider Künstler, Decroux und Marceau, in seiner Arbeit und seinem Text „der poetische Text“, der hier die Grundlage dieses Abschnitts sein soll, zu finden. Die Formensprache oder „mimodynamische Arbeit“ behandelt die Thematik des Umgangs mit unbelebten Objekten und deren Darstellungsweise. Lecoq sagte, ähnlich wie Decroux, dass es nicht Sinn der Sache ist, die Worte durch bloße Nachahmung wiederzugeben, sondern es geht ihm darum, die Essenz der Worte bzw. der Objekte wiederzugeben, und dies ohne Behelfsmittel wie Requisiten. Dieser Aspekt des puristischen ist sowohl bei Marceau als auch bei Decroux zu finden und erscheint dadurch als besonders wichtiger Punkt ihrer Arbeit. Weiter ist es Basis von Lecoqs Theorie, dass jede Bewegung einen Sinn hat bzw. einer Bewegung Sinn verliehen werden müsse. Um den Bedeutungshorizont einer Bewegung erfassen zu können, müssen die einzelnen Körperteile isoliert betrachtet werden, ähnlich wie Decroux es in seinem Werk beschrieben hat. Um die Bedeutung einer Bewegung auch richtig übermitteln zu können, ist es Lecoq wichtig, anzumerken, dass der Körper ein reines Transportmittel ist und selbst im Hintergrund zu sein hat. Hier unterscheidet sich Lecoq von Decroux, dem der dramatische Gehalt einer Bewegung als nebensächlich erscheint und der den Körper in den Fokus der Aufmerksamkeit stellt. In seiner Forschung über die Körperbewegungen hat Lecoq drei natürliche Bewegungen herausgefiltert, die die Grundlagen seiner Arbeit mit dem Körper darstellt: die Wellenbewegung, die umgekehrte Wellenbewegung und die Entfaltung. Lecoq schreibt in seinem Werk: „Die Wellenbewegung ist der Motor aller physischen Anstrengungen des menschlichen Körpers.“ Die Wellenbewegungen haben noch vier Übergangshaltungen, die in Bezug auf Marceau interessant sind, denn sie symbolisieren bei Lecoq vier verschiedene Lebensalter, ähnlich den wie bei der oben erwähnten Stilübung von Marceau. So benennt Lecoq die Übergangshaltungen „die Kindheit, der Körper im Zenit, die Reife und das Alter“. Jaques Lecoq, Theaterpädagoge, Schauspiellehrer und Pantomime, entwickelte während seiner Schaffenszeit als Praktiker der pantomimischen Kunst und mit dem Kontakt zur Arbeitsweise von Jacques Copeau seine weiterentwickelten bis hin zu eigenen Grundlagen und Techniken für seine Ausdrucksform des Pantomimen-Schauspiels, die er an seiner eigens gegründeten Schule lehrte und wo sie heute noch gelehrt werden. Folgende Ausführungen basieren auf Auszügen seines verfassten Textes Der Poetische Körper: Die anfängliche Arbeit findet in der Ausbildung gemäß Lecoq ohne Text statt. Die Konzentration richte sich an Erfahrungen und Erlebnisse der Schüler, welches als Grundlage für das Spiel diene. Diese sollen mittels ‚mimendem Körper‘ veranschaulicht werden. Werde dieses erzielt, können Schüler mithilfe von Imagination, neue Dimensionen und Räume erreichen, welches Lecoq als psychologisches Nachspielen bezeichnet. Um weitere Ebenen im Spiel erreichen zu können, benutzt Lecoq außerdem Masken. Während obiger genannter Abläufe komme es zu einer intensiven Beschäftigung mit dem Innenleben, welches Lecoq als „zweite Reise im Inneren“ bezeichnet. Er beschreibt, dass diese zu einer „Begegnung mit dem verwesentlichten Leben“ führt, welches den „gemeinsamen poetischen Grund“ erreicht. Dieser bestehe aus „einer abstrakten Dimension aus Räumen, Licht, Farben, Materialien und Klängen“, die durch sinnlich wahrnehmbare Erfahrungen und Erlebnisse aufgenommen werde. Dieser Erfahrungsraum befindet sich laut Lecoq im Körper jedes Menschen und sind Grund für die Motivation, etwas (künstlerisch) zu schaffen. Das Ziel sei folglich das Leben nicht nur wahrnehmen zu können, sondern darüber hinaus, dem Wahrnehmbaren etwas hinzuzufügen. Er beschreibt, dass man beispielsweise bei einer Farbe weder Form noch Bewegung sehen kann, jedoch ruft die Farbe eine bestimmte Emotion in einem hervor, die zu einer Bewegung/Bewegtheit/Bewegtsein führt. Ausgedrückt werden kann dieser Zustand durch „mimages“, die Lecoq als „Gesten, die nicht zum Repertoire des realen Lebens gehören“, beschreibt. Durch das Betrachten eines Gegenstandes und eine Emotion, die währenddessen entsteht, könne alles in eine Bewegung umgewandelt werden. Dies solle jedoch nicht mit einer bildhaften Darstellung (figuration mimée) verwechselt werden. Erreicht werden soll ein emotionaler Zugang und keine „theatralische Überhöhung“. Während der Ausbildung lerne man daher die Elemente, die sich im Inneren des Körpers befinden, nach außen zu projizieren. Die Schüler sollen in ihrem künstlerischen Schaffen eigene Bewegungen entwickeln, die aus ihrem Körper kommen (keine festgelegten Zeichen, keine Klischees verwenden). Das Ziel dabei sei das Innere zu erreichen. Zentrale Bezugspunkte für diese Arbeitsweise bieten Poesie, Malerei und Musik. Aus diesen Künsten werden Elemente wie Farben, Worte oder Klänge isoliert und in die körperlichen Dynamiken überführt. Dies nennt Lecoq „Mimodynamik“. Die Technik der Bewegungen ist die zweite Stufe Lecoqs Pädagogik. Drei verschiedene Aspekte analysiert er in seiner Lehre: erstens die körperliche und stimmliche Vorbereitung, zweitens die dramatische Akrobatik und drittens die Analyse der Bewegungen. Während der körperlichen Vorbereitung soll jeder Teil des Körpers voneinander getrennt behandelt werden, um den „dramatischen Gehalt“ analysieren zu können. Lecoq betont, dass eine Bewegung, eine Geste, die im Theater Verwendung findet, stets begründet werden müsse. Lecoq verweist auf drei Möglichkeiten, eine Bewegung begründen zu können. Zum einen durch Andeutung (zur Pantomime zugehörend), Handlung (zur Commedia dell’arte zugehörend) und durch den inneren Zustand (zum Drama zugehörend). Darüber hinaus stehe der Schauspieler bei jeder Bewegung, die er ausübt, in einer Relation zur räumlichen Umgebung, die im Inneren Gefühle hervorbringt. Die äußere Umgebung kann folglich im Inneren aufgenommen werden und sich widerspiegeln. Zur körperlichen Vorbereitung sei es wichtig, dass sich der Schauspieler beim Mimen von Vorbildern oder von vorgefertigten Theaterformen lösen soll. Die körperliche Vorbereitung diene dazu „richtige“ Bewegungen erzielen zu können, ohne dass der Körper im Vordergrund stehe. Der Körper soll dabei lediglich als Transportmittel in der Kunst dienen. Des Weiteren beschreibt Lecoq wiederholend, dass eine Begründung jeder Geste vorliegen muss. Eine Annäherung der Geste sei das mechanische Begreifen des Ablaufes und folglich die Erweiterung der Geste, um sie größtmöglich ausführen und ihre Grenzen erfahren zu können. Diesen Ablauf nennt Lecoq „dramatische Gymnastik“. Die Dramaturgie der Atmung wird durch eine „obere Atempause“ gelenkt mittels Assoziationen zu Bildern, während die Kontrolle der Atmung stattfindet. Die Stimme kann vom Körper nicht isoliert werden. Stimme und Geste haben nach Lecoq die gleiche Wirkung. Lecoq behauptet, dass viele Methoden, denen Schüler gelehrt werden, nichts mit Schauspiel zu tun habe, und betont die Bedeutsamkeit der Bewegung, die stärker als die Handlung selbst sei. Die dramatische Akrobatik diene laut Lecoq im Allgemeinen dazu, dem Schauspieler größere Freiheiten beim schauspielen durch die Techniken des akrobatischen zu gewähren. So beschreibt er sie als erste der natürlichen Bewegungen, die zum Beispiel Kinder ausführen und an sich nutzlos scheinen. Doch sind sie zwanglose Bewegungen, die wir erlernen bevor irgendwelche sozialen Konventionen uns anderes lehren. Beginnen tut die dramatische Akrobatik mit Überschlägen und Purzelbäumen, natürliche Bewegungen die wir wirklich aus der Kindheit kennen also. Lecoq versucht also ganz von vorne anzufangen um den Schauspieler zurück zu seiner Urbewegung zu führen. Der Schwierigkeitsgrad ändert sich mit den Übungen fortwährend, das heißt, man beginnt bei kindlichen Übungen, bis man bei Salti und Fenstersprüngen angelangt ist. Lecoqs Ziel ist es hierbei, den Schauspieler von der Schwerkraft zu befreien. Mit dem akrobatischen Spiel stoße der Schauspieler demnach „an eine Grenze des dramatischen Ausdrucks“. Daher zieht sich das Training In Lecoqs Schule durch die gesamte Ausbildung. Ein Teil der Ausbildung sei auch das Jonglieren. Auch hier beginnt der Schauspieler mit einem Ball zu üben, bis er es irgendwann mit dreien schafft und sich dann an schwierigere Gegenstände heranwagen kann. Auf das Jonglieren folgen Kämpfe. Dazu zählt Lecoq Ohrfeigen und sogar das austragen von scheinbar richtigen Kämpfen. Hierbei erwähnt er „ein wesentliches Gesetz des Theaters: Die Reaktion schafft die Aktion“. So kommen wir zur Hilfestellung. Diese bezeichne „die Begleitung und Sicherung der akrobatischen Bewegungen“, zum Beispiel eine stützende Hand im Rücken bei einem Salto, denn ein Schauspieler sollte sich nicht der Gefahr eines Sturzes aussetzen. Bei Lecoq zählt die Analyse der Bewegungen zu den Grundlagen der Körperarbeit eines Schauspielers. Der Lecoq-Schauspieler begibt sich auf eine „Reise ins Innere“. Hierfür trainiert Lecoq mit seinen Schülern unterschiedliche Tätigkeiten wie Ziehen, Stoßen, Laufen, Springen, durch die sich in einem sensiblen Körper physische Spuren zeichnen, die Emotionen mit sich ziehen. Körper und Emotion seien somit aneinander gekoppelt. Der Schauspieler erfährt seinen eigenen Körper und erkennt, wie sich bestimmte Tätigkeiten anfühlen und inwiefern es Möglichkeiten gibt, innerhalb dieser zu variieren und Flexibilität im Spiel zu erlangen. So erklärt er im Unterpunkt „die natürlichen Bewegungen des Lebens“, die er in drei natürliche Bewegungen unterteilt: 1. Die Wellenbewegung 2. Die umgekehrte Wellenbewegung 3. Die Entfaltung: Die Wellenbewegung, die in Bezug auf das Maskenspiel auch als die expressive Maske bezeichnet wird, sei das Grundmuster jeglicher Bewegung. Egal welche Bewegung, sei es ein Fisch im Wasser oder ein Kind auf allen vieren, der Mensch bewege sich wellenförmig. Hierbei bilde der Boden die Basis jeglicher Wellenbewegung, welche sich dann durch den gesamten Körper ziehe und schlussendlich ihren Wirkungspunkt erreiche. Die umgekehrte Wellenbewegung, in Bezug auf das Maskenspiel auch als die Gegenmaske bekannt, habe als Basis den Kopf, ist aber im Grunde die gleiche Bewegung, wie die der Wellenbewegung. Es komme hierbei zu einer „dramatischen Andeutung“. Die Entfaltung, in Bezug auf das Maskenspiel auch als die neutrale Maske bekannt, stehe im Gleichgewicht zwischen der Wellenbewegung und der umgekehrten Wellenbewegung, und entstehe aus der Mitte heraus. Die Bewegung beginne zusammengekauert am Boden, man mache sich so klein wie möglich. Enden tue die Bewegung indem der Darsteller sich im „aufrechten Kreuz“ befinde, er streckt also alles von sich. Nach diesen Grundbewegungen stellt Lecoq nun noch einige Modifikationen an, um das Variationsspektrum der gelernten Bewegungen zu erweitern. Die Grundprinzipien seien hierbei: Vergrößerung und Verkleinerung um das Gleichgewicht halten zu üben und somit seine räumlichen Grenzen zu erfahren; Gleichgewicht und Atmung, welche als „die extremen Grenzen jeder Bewegung“ darstellen; Ungleichgewicht und Fortbewegung, also einem Sturz auszuweichen, körperlich sowie emotional. Lecoq folgt immer dem Weg vom großen Spiel zum nuancierten, kleinen, psychologischen Spiel. Weiterhin geht er auf das Entstehen von Haltung ein. Hierfür entwickelte Lecoq neun Haltungen ein, welche die natürliche Bewegungen vermeiden sollen, da dadurch eine künstlerische Überhöhung erleichtert werde. Hier lassen sich zudem die Modifikationen einbringen, denn wenn man eine beliebige Bewegung mit einer bestimmten Atmung zusammen setzt, kann dies je nachdem wie geatmet wird, eine unterschiedliche Bedeutung der Geste signalisieren. Lecoq bringt hier das Beispiel des Abschieds ein: “Ich stehe da und hebe einen Arm hoch, um jemandem Lebewohl zu sagen.” Wenn die Person nun bei dieser Geste einatme, entstehe ein „positives Abschiedsgefühl“. Samy Molcho verband die Pantomime wiederum mit den Ausdrucksmitteln des Balletts und Dimitri mit denen des Clowns. Gerade letztere Verbindung erlebte durch die Fools-, Clowns- und Narren-Bewegung der späten 1970er- und beginnenden 80er-Jahre einen neuen Aufschwung, so besonders durch Jango Edwards und seine Friends Roadshow aus den Niederlanden. Während Marceau hauptsächlich als Einzelkünstler auftrat, bevorzugten etwa Ladislav Fialka in der Tschechoslowakei, Henryk Tomaszewski in Polen und Jean Soubeyran in Deutschland die Ensemblearbeit und verknüpften sie mit dem Tanztheater oder dem Schauspiel. Arkadi Raikin in der Sowjetunion ging sogar so weit, sie mit Elementen aus der Operette und dem Kabarett zu verbinden, was ihn zu einem bekannten Satiriker und Komödianten machte. Die Gruppe Mummenschanz brachte ihre Variante einer Pantomime mit Ganzkörpermasken in den 1970er-Jahren erfolgreich auf die Broadway-Bühne. Grundlagen und Technik nach Jean Soubeyran Nach der Schule von Decroux und der hier verwendeten Literatur seines Schülers Jean Soubeyran, wird die Pantomime wie ein Vortrag gestaltet, der aus Sätzen besteht und durch die Mittel von Spannung und Entspannung – „die Atmung des Mimen“ – versucht, die Zuschauer zu begeistern. Diese Sätze wiederum bestehen ebenso wie der gesprochene Vortrag aus Satzzeichen und -gliedern, die zueinander in Beziehung stehen müssen, um verständlich zu sein, und haben einen Anfang und ein Ende. Die sogenannten „Tocs“ dienen dazu, einen pantomimischen Satz oder ein Satzelement einzuleiten oder als „Schluss-Toc“ eine Aktion abzuschließen, wobei letztere durch ein Auftreten der Ferse oder der Fußspitzen als so genannter „Stoß“ auch hörbar sein können. Die zeitweilig auch als Pantomimin aufgetretene Brigitte Soubeyran definiert den Toc so: „Der Toc ist ein Punkt, der innerhalb eines Bewegungsablaufes eine neue Phase einleitet.“ Zusätzlich wird jede Gestik auf ein Minimum an Bewegung reduziert und jeder mimische Ausdruck auf das Einfachste, um sie dadurch „klarer“ zu machen. Diese Gestaltung verlangt vom Pantomimen oder von der Pantomimin einen hohen körperlichen Trainingsaufwand. Es werden viele gymnastische sogenannte „Separationsübungen“ angewendet, um jeden einzelnen Körperteil (fast könnte man sagen: jeden Muskel) unabhängig voneinander und auch gegeneinander bewegen zu können. Zusätzlich wird während der Ausbildung auf den Gebieten der „Erschaffung der Zeit und des Raumes“, des Umgangs mit fiktiven Gegenständen, der Darstellung der Gemütsbewegungen und der „dramatischen Improvisation“ in Einzel- oder Gruppenimprovisationen sowie der sogenannten „geometrischen Pantomime“ gearbeitet. Ausgangspunkt letzteren Schwerpunkts, die das Ziel hat, den „Körper in allen Stellungen im Gleichgewicht zu halten“ und „keinerlei Ungenauigkeit im Stil, keinerlei Erschlaffung bei der Ausführung“ zuzulassen, ist die Stellung „Neutral“, die je nach „Schule“ variiert: leicht angewinkelte Füße, die hüftbreit voneinander entfernt stehen, die Wirbelsäule bis zum Kopf völlig gerade, Arme und Schultern hängen locker und (ganz wichtig!) die Zunge klebt nicht oben am Gaumen, sondern hängt ebenso locker in der Mitte der Mundhöhle. Decroux nannte diese Stellung „Eiffelturm“, weil sie eine physiognomische Ähnlichkeit mit diesem hat. Bei der Positur „Baum“ als Ausgangspunkt berühren sich jedoch die Fersen leicht, bei der „japanischen“ Positur sind die Knie leicht durchgedrückt, sodass sie genau über den Füßen stehen, das Becken nach vorne geschoben und die Handflächen geöffnet nach vorne. Danach wird mittels der rhythmischen Elemente eines Toc oder eines sogenannten „Fondu“, einem fließenden und gleichmäßigen Übergang von einer Stellung in die nächste, an den verschiedensten Körperübungen gearbeitet. Der Pantomime arbeitet also auf zunächst zwei unabhängig voneinander stehenden Gebieten: dem der „Körpertechnik“ und dem der „Improvisation“. Indem beide unabhängig voneinander ausgeführt werden, nähern sie sich einander an. Je weiter der Mime die körperliche Technik perfektioniert hat, ohne an sie zu denken, und je mehr er im Bereich der Improvisationsübungen seine Fähigkeiten und Möglichkeiten des Ausdrucks erweitert hat, umso mehr verbinden sich diese beiden widersprüchlich erscheinenden Gebiete zu einer Einheit, die schließlich einen großen Teil des „Spiels“ des Mimen ausmacht, der nun ein athlète affectif, ein „empfindungsfähiger Athlet“ (Barrault) geworden ist. Ein letzter, doch nicht minder wichtiger Punkt für den Pantomimen ist die Arbeit mit der „Maske“, die wie überall im Bereich Theater, Film oder Fernsehen nicht ausschließlich als eine aufgesetzte, plastische zu verstehen ist. Diese hat die Funktion, eine Distanz zwischen dem Mimen und dem Publikum zu schaffen. Soubeyran schrieb dazu: „Dadurch, dass der Mime sein menschliches Gesicht verliert, entfernt und vergrößert er sich für das Publikum […] Beim Menschen mit unbedecktem Gesicht wird der Blick des Betrachters immer von dessen Bild angezogen, der Körper ist dabei von sekundärer Bedeutung. Das verborgene Gesicht hingegen integriert vollständig im Körper, es verschwindet und bringt dadurch den Kopf zur Geltung. Der Kopf erhält jetzt eine viel größere Wichtigkeit, er muss das Gesicht ersetzen.“ Erst die Perfektion in allen diesen Bereichen macht Pantomime zur Kunst und unterscheidet sie von Laiendarbietungen. So wird, als Beispiel, nie eine Hand zum Ohr geführt, um zu zeigen, dass etwas gehört wird, sondern der Kopf waagerecht (wie auf einer Schiene) langsam in die Richtung des (vermeintlichen) Geräusches geschoben, ohne die Schultern dabei zu bewegen und „mitzuziehen“ oder den Gesichtsausdruck anzuspannen. Das von Laien gerne gebrachte „Abtasten von Wänden“ ist daher nicht wie bei diesen ein „Patschen in die Luft“, sondern durch Muskel- und Sehnen-An- und -entspannung der Finger und Hände ein fast „wirkliches“ Abtasten von Wänden, bei dem man die Wand geradezu zu sehen glaubt. Jean Soubeyran schrieb dazu: „Die Pantomime ist unablässiges Erschaffen und, wie alle Schöpfung, ein Kampf. Das Objekt, das ich schaffen will, zwingt meinem Körper seine Eigenart auf. Mein Körper, dadurch zum Diener des Objekts geworden, gibt diesem wiederum das Leben. Der Körper des Mimen ist dem Objekt unterworfen, das er selber schafft.“ „Wenn ich meine Hand an eine wirkliche Wand lege, besteht natürlich dieser Zwang, eine Fläche zu wahren, nicht. Durch ihre untätige Materie schreibt die Wand auf ganz natürliche Weise meiner Hand ihre Haltung vor, die, passiv, keine Anstrengung zu machen braucht. Dagegen schafft der Mime zusammen mit der fiktiven Wand nicht nur die Fläche der Wand, sondern auch deren passive Kraft. Die Muskeln der Handgelenke und der Hände führen eine harte Arbeit aus…“ Aktuelle Situation Vahram Zaryan, zeitgenössischer Pantomime Trotz der Bemühungen um eine „reine“ Pantomime ist der Begriff noch heute sehr weit reichend, und der Übergang zu Tanztheater oder Performance ist fließend. Auch im Straßentheater, in Diskotheken oder im Bereich der Jugendkultur gibt es vielfältige Darbietungen, die mehr oder weniger „pantomimisch“ sind, so zum Beispiel den Breakdance, wo sogar Elemente aus der Schule Marceaus übernommen wurden. Die häufig in Fußgängerzonen auftretenden und „lebende Statuen“ darstellenden Straßenkünstler verwenden gelegentlich pantomimische Elemente wie die Reduzierung auf wesentliche Bewegungen (siehe auch unter Grundlagen und Technik). Die Abgrenzung der klassischen Pantomime von der populären Unterhaltung, wie sie Künstler von Decroux bis Marceau demonstrierten, hat die Pantomime allerdings auch in gewisser Weise isoliert, ähnlich wie sich andere elitäre Strömungen in Theater und Musik isoliert haben, die aus den Avantgarden zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervorgegangen sind. Ein freiwilliger Verzicht auf gesprochene Sprache wirkt weniger attraktiv als ein erzwungener, der sich einst aus Zensurvorschriften, aus dem Fehlen des Tons beim Stummfilm oder aus der nahezu undurchdringlichen Lautstärke von Jahrmärkten und Musikveranstaltungen ergab. Schaffte es der berühmte Marceau zwar noch, riesige Säle zu füllen, so finden viele zeitgenössische Pantomimen immer weniger Auftrittsmöglichkeiten. Es scheint so, als ob die im Stillen dargebrachte „stille Kunst“ (L’Art du silence, Marceau) zu still ist. Der Pierrot (französische Übersetzung des italienischen Namens im Diminutiv Pedrolino, deutsch: „Peterchen“) ist eine männliche Bühnenfigur, die der Pantomime Jean-Gaspard Deburau in Paris seit 1816 unter anderem aus dem Pedrolino bzw. dem Pagliaccio der Commedia dell’arte und dem Gilles des Pariser Jahrmarktstheaters entwickelt hat. Geschichte Figuren, die Pierrot genannt werden, gibt es im französischen Theater schon seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und entstammen ähnlichen Masken des italienischen Straßen- und Jahrmarkttheaters und der Commedia dell’arte des 15. Jahrhunderts, die durch ihre Gruppen nach Frankreich gekommen sind. Sie sind, ähnlich wie Brighella, Rivalen von Arlecchino, dem späteren Harlekin. Molière nennt in seiner Komödie Dom Juan ou le Festin de pierre (1665) eine ländliche Nebenfigur Pierrot. In der Opéra comique Le Tableau parlant (1769) von André-Ernest-Modeste Grétry kommt ein Pierrot als Diener vor. Den älteren Pierrot als Intriganten und Spielverderber gab es auch noch im 19. Jahrhundert (siehe etwa die Wiener Pantomime Der siegende Amor von 1814). Seine herrische, mitunter unsympathische Seite hat sich im Weißclown des Zirkus erhalten. Deburaus Vorstellungen im Théâtre des Funambules auf dem Boulevard du Temple in Paris, und vor allem ihr Reflex in der Literatur der Zeit, machten seine Figur weltberühmt und zum modernen Inbegriff des Pierrot. Deburaus Pierrot war nicht mehr bösartig, sondern eher bemitleidenswert, überaus sympathisch und eignete sich für Liebhaberrollen. Er war bewusst naiv und melancholisch, weiß geschminkt und in weiße, wallende Gewänder gekleidet. Er war stumm, weil das Theater keine Lizenz für Sprechstücke hatte. Deburau vererbte seine Figur an seinen Sohn Charles. Berühmt wurde das 1854 aufgenommene Foto von Nadar, das Charles Deburau mit einem Fotoapparat zeigt. In Marcel Carnés Film Kinder des Olymp (1945) spielt Jean-Louis Barrault Deburau (im Film als „Baptiste Debureau“ [sic!]) und seinen Pierrot. Auch Barraults Kollege Marcel Marceau hat seine Figur Bip an Deburaus Pierrot angelehnt. Der russische Sänger Aleksandr Wertinski hat einen schwarzen Pierrot erfunden. Richard Hirzel vom Circus Roncalli hat sich den Pierrot zum Vorbild für seine Figur Pic genommen. Ein Clown ist ein Artist, dessen primäre Kunst es ist, Menschen zum Lachen zu bringen. Der Begriff Clown kommt von engl. „Tölpel“ (und damit entweder von lat. colonus für „Bauerntölpel“ oder von altnordisch klunni in der gleichen Bedeutung). Geschichte Eine erste frühe Erwähnung finden Clowns in der irischen Mythologie: Vom Meeresgott Manannan wird erzählt, dass er sich in Bel-atha Senaig als Clown verkleidete: „And while they were talking, they saw a clown coming towards them, old striped clothes he had, and puddle water splashing in his shoes ...“. Ab Beginn des 16. Jahrhunderts traten Clowns in den Pausen englischer Bühnenstücke auf, um die Zuschauer zu unterhalten. Im 16. Jahrhundert erschienen auch Arlecchino (später Harlekin, Hanswurst), Pedrolino (später Pierrot) und Pulcinella im italienischen Stegreiftheater (Commedia dell'arte). Bedeutende Weiterentwicklungen der Figur des Clowns gab es dann im 17. Jahrhundert durch Molière und Mitte des 18. Jahrhunderts durch Carlo Goldoni. Entwicklung des Zirkusclowns Neben dem Varieté bildet vor allem die Zirkusmanege die Heimat des modernen Clowns. Begonnen hat alles in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem mit Sägemehl übersäten Spielzirkel, der durch Philip Astley zum Schauplatz des Clowns wurde. Genutzt wurde dieser vorerst für komische Artistik auf dem Pferderücken (deswegen auch die Kreisform). Hieraus entwickelte sich im Folgenden der Komiker mit dem Pferd, wie beispielsweise bei „scènes de manège“ oder „Two Englishmen on horseback“. Mit der Entstehung fester Spielorte (Cirque Olympique, Medrano, Cirque d’hiver) veränderte sich auch die Darbietung der Clowns. Der Clown trat vornehmlich als Pantomime auf, der tölpelhaft in der Manege herumstolperte, stürzte und sich in Interaktion mit andern Clowns Fußtritte und ähnliches einfing. Hier zeigt sich schon die Ähnlichkeit mit unserem heutigen Zirkusclown, der ein Sammelsurium von gebündelter Sinnlosigkeit aufzeigt, indem er partout durch Türen treten will, auf denen „Gefahr“ steht, neugierig in Gewehrläufe schaut oder aus Hunger auch mal Kerzen aufisst. Mit all diesen Gebärden überschreitet der Clown verbotene Grenzen der Gesellschaft und wird damit zum Spötter der Realität. Der Zirkus mit seinen Clowns bildet so ein verkleinertes Modell der Gesamtheit einer Kultur mit all ihrer Irrationalität und Ironie ab. Der moderne Clown Die ersten großen Vorläufer der heutigen Clowns waren die Pantomime-Künstler Jean-Gaspard Deburau mit seiner Nummer „Der Arzt“ und Joseph Grimaldi, der den modernen Clown mit dem geschminkten Gesicht Anfang des 19. Jahrhunderts in London entwickelte, der aber noch nicht im Zusammenhang mit dem Zirkus, sondern mit der englischen Pantomime stand. Im Zirkus Renz entwickelte Tom Belling die Typologie des dummen Augusts, der anfangs das Geschehene karikierte, später aber fast nur mehr gemeinsam mit einem Weißclown im klassischen Clowns-Entrée auftrat. Wesen und Symbolik des Clowns werden ganz besonders deutlich in der Unterscheidung zwischen den fast immer gemeinsam auftretenden Figuren Weißclown und dummer August. Zum Teil wird auch noch die Figur des Ansagers (Sprechstallmeister oder Ringmaster) in diese Differenzierung aufgenommen, wobei diese und besonders der Direktor als Vorgesetzter auch als Objekt der Veralberung dienen können. Erscheinungsbild Die Verkleidung des typischen (Zirkus-)Clowns besteht aus verschiedenen Elementen. Er trägt oft zu große, bunte Kleidung, eine Perücke und eine rote Nase. Häufig wird durch Größenkontraste, wie zu große Schuhe und Miniaturinstrumente eine komische Unangemessenheit herausgestellt. Besonders ist auch das geschminkte Gesicht, das je nach Typ variiert. Das Kostüm: Durch das Kostüm werden die Figur und die Situation des Clowns charakterisiert. Durch besonders ausgestaltete Kostüme zum Beispiel in Bezug auf die Größe, können so Figur und Spielhandlung vergrößert werden. Außerdem rufen bestimmte Kostüme bestimmte Assoziationen hervor, weswegen durch den Erwartungen entgegengestelltes Handeln eine Diskrepanz entsteht. So entwickelt sich eine wirkungsvolle Gestaltungsmöglichkeit der Groteske. Die Schuhe: Durch Schuhe lässt sich eine Verfremdung der Bewegung erzielen, die wiederum interessante Effekte haben kann. Die Maske: Mit einer Maske lässt sich der Charakter vergrößern. Man unterscheidet zwischen Vollmaske und Halbmaske. Die Vollmaske bedeckt das gesamte Gesicht und hat meist noch Haarteile angefügt. Durch die Bedeckung des Gesichts geht die Mimik verloren, weshalb bei Vollmaske eine überzogene Gestik gefordert ist. Die Halbmaske lässt Mund und Unterkiefer frei, womit das Sprechen möglich ist. Zur Maskierung gehört auch die rote Clownsnase, die einen wichtigen Bezugspunkt bildet, da sie den Charakter festlegt. Schminke ist vor allem bei Pantomime wichtig, um eine bessere Wahrnehmung der Mimik zu erzielen. Farbkontraste wie weißer Grund, schwarz umrandete Augen und roter Mund erleichtern dies. Durch die Vergrößerung oder Verkleinerung verschiedener Gesichtsteile mit Schminke, verändern sich die Gesichtsproportionen, was wiederum Einfluss auf die Mimik hat. Weitere Elemente, wie Brillen, Bärte, Hüte etc. werden je nach Situation und Absicht benutzt. Ein Zirkus (lat.: Kreis, Plural: Zirkusse) – oder auch Circus – ist ein Unterhaltungsunternehmen oder eine Gruppe von Artisten, die eine Vorstellung mit verschiedenen artistischen Darbietungen (Akrobatik, Clownerie, Zauberei, Tierdressuren) zeigt. Die Schreibweise „Circus“ benutzen die meisten Zirkusse wegen des lateinischen Ursprungs. Sie wird jedoch nur als Eigenname wie zum Beispiel in „Circus Sarrasani“ benutzt. Die amtliche Schreibweise in Deutschland ist Zirkus. Das deutsche Wort Zirkus wird vom griechischen „kirkos” oder lateinischen „circus” hergeleitet. Beide Begriffe bezeichneten im antiken Griechenland und Rom eine kreis- oder ellipsenförmige Arena, in der in erster Linie Wagenrennen und seltener Tierkämpfe der Gladiatoren stattfanden (Circus Maximus). Mehr als die Form der „Bühne“ hat der neuzeitliche Zirkus mit dem antiken Zirkus nicht gemeinsam. Manege und Zelt Der klassische in Europa bekannte Zirkus ist ein Familienunternehmen, das mit einem Zirkuszelt, auch als Chapiteau bezeichnet, von Ort zu Ort zieht. Daneben gibt es noch vereinzelt Zirkusunternehmen mit festen Gebäuden, wie in Riga, Chişinău oder Moskau. In München unterhält der Circus Krone noch eine feste Spielstätte. Die Bezeichnung Zirkus leitet sich von der Form der „Bühne“ ab, der runden oder ellipsenförmigen meist mit einer niedrigen Bande umgebenen Manege. Diese kann je nach Größe des sie umgebenden Zeltes oder Gebäudes verschiedene Durchmesser haben. Meistens werden Manegen mit einem Durchmesser von 13 Metern gewählt, da dies ein perfektes Maß ist, um ein Pferd im Kreis laufen zu lassen. Bei zu kleinen Manegen legt sich das Pferd zu sehr in die Kurve, für einen Reiter sind dann akrobatische Darbietungen kaum möglich. Das Zirkuszelt, das heute für die meisten Menschen selbstverständlich zum Zirkus gehört, gibt es allgemein erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zuvor mussten Zirkusvorstellungen in provisorisch errichteten Schaubuden, in Theatergebäuden oder im Freien abgehalten werden. Geschichte Die Entstehung des Zirkus ist vor allen Dingen eine Geschichte von einzelnen Zirkus-Dynastien, also Artistenfamilien und –gruppen. In seiner Geschichte hat der Zirkus zahlreiche Wandlungen erfahren: sowohl in seiner äußeren Gestalt – vom festen Zirkusbau zum flexiblen Chapiteau bis hin zu Theaterbühnen – als auch in der Form seiner Darbietungen – vom Pferdetheater über monumentale Pantomimen zum Cirque Nouveau. Als Vater des klassischen Zirkus gilt Philip Astley (1742–1814). Die ursprünglich dargebotene Kunst waren Pferdedressuren, weitere Artisten folgten. „Wilde“ und exotische Tiere waren eine relativ späte Neuerung. Unterschiedliche Gewichtungen je nach Region führten zur Entstehung nationaler Eigenheiten. England im 18. Jahrhundert Die Wiege des klassischen Zirkus war das industrialisierte England. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts emanzipierte sich hier die Reitkunst vom höfischen oder militärischen Anlass. Erste Kunstreiter traten auf. Die Auftrittsorte der so genannten Kunstreitergesellschaften waren bretterumzäunte Flächen unter freiem Himmel. Hier entwickelte sich auch die runde Form der Manege: Für die akrobatischen Kunststücke auf dem Rücken der Pferde wurde die Zentrifugalkraft genutzt. 1769 erwarb Astley für seine Riding School ein Gelände an der Westminster Bridge, überdachte die Galerien der Zuschauer und erweiterte seine Truppe um Reiter, Akrobaten und einen Clown. Ab 1770 führte Astley regelmäßige Programme unter Einbeziehung von immer mehr Künsten wie chinesisches Schattentheater oder Ballett auf. Die Idee eines die Pferdedressuren umrahmenden Programms war nicht neu, wurde aber nur sporadisch eingesetzt. 1778/79 eröffnete Astley ein festes Haus in London und die Aufführungen entwickelten sich zu einem festem Bestandteil des Kulturprogramms der Stadt. 1782 eröffnete er ein weiteres Haus in Paris. Astleys Ziel war es, ein für jeden verständliches Theater zu schaffen, das mit wenig Worten auskommen sollte. Er entwickelte das Genre „Hippodrama“, das die Aufführung von Pantomimen (bilderreiche Theaterstücke) mit Pferden bezeichnete. Dargestellt wurden vor allem verschiedene Schlachten und tagesaktuelle Ereignisse, wie zum Beispiel der Sturm auf die Bastille einen Monat nach dem Ereignis 1789. Das Nachstellen tagesaktueller Ereignisse war im populären Theater üblich. Diese Art Darbietungen fand regen Zuspruch bei der in die Städte strömenden Bevölkerung. Den Begriff „Zirkus“ bekämpfte Astley Zeit seines Lebens. Frankreich im 19. Jahrhundert Der Begriff Zirkus setzte sich in den Jahren nach Astley insbesondere durch Veranstaltungen des Antoine Franconi (1737-1836) gehörenden Cirque Olympique in Paris durch. Er bezog sich seit Beginn des 19. Jahrhunderts nicht mehr nur auf die Form des Gebäudes, sondern auch auf den Inhalt der Darbietung, die so vom Theater unterschieden wurde. Die Abgrenzung wurde durch das Napoleonische Theaterdekret aus dem Jahr 1807 befördert, in dem verboten wurde, das Aufführen von Kuriositäten, Raritäten und Ähnlichem weiterhin als Theater zu bezeichnen. Die Darbietungen entwickelten sich in dieser Zeit immer mehr zu ausgefeilten Pantomimen, in denen die Sprache auch wieder verstärkt zum Einsatz kam. Die Pantomimen waren gekennzeichnet durch kostbare Kostüme, aufwändige Bühnenbilder und mehrere hundert Statisten. Obwohl weiterhin andere artistische Darbietungen in den Programmen Platz fanden, verloren sie an Bedeutung: Pferdevorführungen bildeten die Grundlage des Programms, dessen Höhepunkt die Hohe Schule war. Im Paris des beginnenden 19. Jahrhunderts waren die Schlachten und Taten Napoléons, der als eine Art Volksheld galt, das hervorstechende Thema der Pantomimen. In der Pantomime Die Löwen von Mysore (1831) waren zum ersten Mal dressierte Löwen im Zirkus zu sehen. Es war ein durchschlagender Erfolg, der den Weg zu weiteren Tierdressuren ebnete. Mit der Entstehung der Music Halls seit der Mitte des 19. Jahrhunderts spalteten sich die Kleinkunst-Darbietungen vom Zirkus ab. Deutschland im ausgehenden 19. Jahrhundert Neue Impulse für die Zirkuskunst gingen Ende des 19. Jahrhundert von Deutschland aus. Ernst Jakob Renz (1815-1892) war der erste Deutsche, der den Zirkus auch im internationalen Maßstab wesentlich beeinflussen konnte. Außerdem entwickelte er den Sattel zu einem Gurt weiter, damit die Artisten noch mehr Halt hatten. Nach Circus Renz wurde Circus Busch zum Synonym für den deutschen Zirkus. Renz und Busch unterhielten Zirkusse mit mehreren Häusern in den großen Städten des deutschen Sprachraums: Berlin, Breslau, Wien, Hamburg. Die Programme zeichneten sich durch eine ungeahnte Vielfalt aus. Alles was neu und originell war fand Eingang in diesen Zirkus: Wasserspiele, Eiskunstlauf, Ballett, Sängerinnen und sogar Siamesische Zwillinge. An erster Stelle standen weiterhin die Pferde. In dieser Zeit, Anfang des 20. Jahrhunderts, erhielt die Artistik einen höheren Stellenwert in den Programmen. Ausschlaggebend dafür war unter anderem die rasche Verbreitung des Varietés in enger Verbindung mit dem englisch-französischen Music Hall und dem amerikanischen Vaudeville, in deren Rahmen eine Ausdifferenzierung der artistischen Genres erfolgte: in der Jonglage unterschied man z.B. zwischen Kraft- und Salonjonglage. Die Clownerie erhielt bei Renz besondere Bedeutung: an einem Abend konnten bis zu 14 Clowns auftreten. Die große Nachfrage an artistisch hochwertigen und neuen Nummern für Varieté und Zirkus hatte zur Folge, dass vermehrt sportliche Disziplinen wie Rollschuhlauf, Eislaufen und Kunstschwimmen in die Programme Aufnahme fanden. Gerade die Akrobatik wurde zu einem Hauptbestandteil der Vorführungen. In großen Ausstattungspantomimen arbeiteten Renz und Busch mit viel Technik: Wasserfälle, Fontänen, Segelboote und Aufzüge wurden eingesetzt. Die Handlungen der Pantomimen umfassten alles nur Denkbare: von Heldensagen über Märchen und Historien, über Opern und Tragödien bis zu aktuellen Ereignissen. Bei Busch wurden später eigens Schriftsteller zum Schreiben der Stücke engagiert. Innovationen aus Amerika Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts fand Zirkus nur in festen Spielhäusern statt. Eine Innovation, die dieses Bild bis heute grundlegend ändern sollte, kam aus den USA: hier entwickelte sich Ende des 19. Jahrhunderts der Zeltzirkus. Der Zirkusdirektor Aron Turner benutzte bereits 1830 ein regenschirmähnliches, einmastiges Leinwandzelt. 1873 wurde in Konstanz die Zeltbaufirma Ludwig Stromeyer gegründet, die sich zum Hauptlieferanten der deutschen Zirkusse entwickelte. Paul Busch trat 1884 seine erste Reise mit Chapiteau an. Ab 1900 verbreiteten sich die Zelte rasch in Deutschland. Das hatte den Vorteil, dass man auch in Städten spielen konnte, die zu klein waren, um einen festen Zirkusbau zu besitzen. Mit dem Wanderzirkus, der sich daraufhin in Deutschland durchsetzte, brach das goldene Zeitalter des Zirkus an. Die Anzahl der Zirkusse stieg, das Niveau dieser Neugründungen aber war sehr verschieden, ebenso die Fähigkeiten ihrer Direktoren. Bis Kriegsbeginn hatte etwa die Hälfte ihren Betrieb wieder eingestellt. Nie vor- und nachher gab es in Europa so viele Zirkusse wie in den 1920er Jahren. Das Reisen hatte auch zur Folge, dass die an Ausstattung sehr aufwändigen Pantomimen an Bedeutung verloren und sich statt dessen mehr und mehr ein Nummernprogramm herausbildete. Ebenso löste sich die Zirkusmusik in Besetzung und Programm von der Bühnenmusik im Theater, von der sie herstammte. Weitere heute originär mit dem Bild des Zirkus verbundene Elemente, die aus den USA kamen, waren das Reisen mit der Eisenbahn oder die Vereinigung von Menagerie und Zirkus (Zurschaustellung wilder Tiere bestand bis dahin separat vom Zirkus, so wie die Sideshows)) und die Verwendung von Sägespänen anstelle von Manegenteppichen oder Sand. Durch William Frederick Cody (1846–1917), der als „Buffalo Bill” allgemein bekannt war, erhielt der europäische Zirkus eine weitere Bereicherung: die große Popularität des Wild-West-Zirkus hatte zur Folge, dass Kunstschützen in die europäischen Zirkusse einzogen und der verwegenen Reiterei (oft „Dschigiten“ genannt) der Vorrang gegenüber der klassischen Reitkunst eingeräumt wurde. Raubtierdressuren lösten zum Teil die bis dahin dominierenden Pferdenummern ab, und große Tierschauen ergänzten die Vorstellung. Zusätzlich fanden zunehmend Sensationsnummern Eingang. Der deutsche Zirkus bis zum Ende der 20er Jahre Während für viele Zirkusdirektoren der Beginn des 20. Jahrhunderts als die „Goldene Zeit“ bezeichnet werden kann, verdienten die Artisten, Dresseure und Clowns, von einigen ungewöhnlichen Darbietungen abgesehen, wenig. Besonders schlecht bezahlt wurden Musiker und Tänzerinnen. Erst 1920 kam es zur Bildung des Allgemeinen Circus-Direktoren-Verbandes (ACDV), zu dessen Vorsitzenden Paul Busch gewählt wurde. Noch im gleichen Jahr konnte ein einheitlicher Tarifvertrag für alle Zirkuskünstler verabschiedet werden. Zu berücksichtigen bleibt, dass die Artisten zahlenmäßig den kleinsten Teil der Zirkusmitarbeiter ausmachten. Alle anderen Arbeiter und Angestellten blieben weiterhin ohne Rechte. Erhebliche Schwierigkeiten entstanden für die Zirkusse durch den Ersten Weltkrieg und später die Weltwirtschaftskrise. Viele Unternehmen mussten geschlossen werden, andere umgingen die Probleme durch lange Reisen in weniger betroffene Länder. Oft mussten die Zirkusse verkleinert werden, um die Kosten zu senken, oder sie teilten sich, um in verschiedenen Ländern Einnahmequellen zu finden. In dieser Zeit entstanden neue Genres wie die Trampolinakrobatik und die Zirkusmagie. Deutschland im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit Durch die Judenverfolgungen verloren viele Zirkusse ihre Mitarbeiter. Während des Zweiten Weltkrieges litten die Unternehmen unter Beschlagnahmungen von Material und später unter Kriegsverlusten durch Bombardierungen. So wurde z.B. während der Bombardierung von Dresden das Gebäude des Circus Sarrasani und nahezu alle Materialien und Viehbestände vernichtet. In der Nachkriegszeit gab es sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Besatzern einen großen Bedarf nach Zerstreuung. Das hatte die Gründung einer Vielzahl von Zirkusunternehmen zur Folge, die sich in den nachkommenden Jahren auch nicht alle halten konnten und deren künstlerisches Niveau zum Teil sehr gering war. Auch alle namhaften Zirkusse der Vorkriegszeit spielten wieder. Der durch die Kriegsauswirkung entstandene Mangel an Männern führte zu einem Überangebot an künstlerisch tätigen Frauen, die sich in erster Linie den Varieté-Genres Tanz und Musik zuwendeten. So standen diese Künste in den Programmen im Vordergrund. Allerdings blieb das eine vorübergehende Erscheinung, die mit der Normalisierung des Lebens wieder zurück ging. Der Zirkus in den beiden deutschen Staaten Die Zahl der Zirkusunternehmen ging in beiden deutschen Staaten zurück, allerdings aus unterschiedlichen Gründen: In der Bundesrepublik erreichte das Zirkussterben Mitte der 50er Jahre seinen Höhepunkt. Gründe dafür sind unter anderem die Konkurrenz, die das Fernsehen darstellte, und steigende Reisekosten. Die Organisation der Zirkusse als Familienunternehmen blieb erhalten. Neue Einflüsse auf den Zirkus gab es Ende der 70er Jahre mit Roncalli. Nach einer Zeit der Erstarrung und immer gleichen klassischen Nummernprogramme entwickelte Bernhard Paul die Idee des Zirkus als Gesamtkunstwerk: Der Zirkus begann nicht erst mit dem Programm, sondern bereits beim Eintritt in die Manege und endete mit dem Austritt aus derselben. Es entstanden Stücke mit durchgehender Handlung, in die die artistischen Nummern eingebettet wurden. Da in der DDR gerade in den 50er Jahren das Kulturangebot in vielen Orten nicht sehr umfangreich war, hatten die Zirkusvorstellungen eine herausgehobene Stellung im Veranstaltungskalender. So konnten in dieser Zeit die drei großen verstaatlichten Zirkusse mehr Besucher verzeichnen als alle Theater der DDR. Zum 1. Januar 1960 wurde der VEB Zentralzirkus gegründet. Im Jahr 1980 erfolgte die Umbenennung des VEB Zentralzirkus in "Staatszirkus der DDR". Die Artisten hatten einen Rentenanspruch, wurden auch in den Wintermonaten bezahlt, und es wurde eine Regelung zur Berufsunfähigkeit eingeführt. Damit verbesserten sich die Lebensumstände, was allerdings die Betriebe unrentabel machte. Privatzirkusse verschwanden fast gänzlich. Mit den ersten Absolventen der 1956 in Berlin gegründeten und noch heute vom Berliner Senat unterhaltenen Fachschule für Artistik kamen neue Nummern in den Zirkus, besonders Gruppennummern wurden ausgebildet. Das traditionelle Nummernprogramm herrschte in allen Zirkussen vor. Zirkus heute Derzeit reisen in Deutschland um die 250 Zirkusunternehmen unterschiedlicher Größe – angefangen bei Zirkussen von kleinen Zirkusfamilien bis hin zu mittelständisch geführten Zirkusunternehmen mit viel Personal, Material und Tieren. Das vielfältige Kulturangebot, steigende Kosten, diverse Auflagen, Werbeverbote in einigen Städten und die Bebauung bzw. die Verlagerung der Spielplätze an die Stadtränder sind Probleme, die die Unternehmen zu meistern haben. Seit den 1970er Jahren gab es von Frankreich ausgehend neue Impulse für den Zirkus, die in die Entwicklung des sogenannten Cirque Nouveau mündeten. Das wohl größte und bekannteste Unternehmen dieses Genres ist der Cirque du Soleil aus Kanada. Daneben gibt es auf allen Kontinenten eigene Entwicklungen. Zu nennen sind hier z. B. der chinesische Staatszirkus oder Circus Baobab aus Afrika. Eine pädagogische Form des Zirkus entwickelte sich in der Bundesrepublik seit Beginn der 1970er Jahre und parallel dazu auch in anderen europäischen Ländern: der Kinderzirkus. Zirkusattraktionen Zu den traditionellen Darbietungen gehören unter anderem Akrobaten, Artisten, Clowns, Jongleure, Zauberkünstler. Häufig werden auch Dressuren mit Tieren wie Elefanten, Löwen, Tigern, Pferden, Hunden gezeigt. Zu heute kaum mehr möglichen Darbietungen gehörte früher auch das Zurschaustellen von „missgestalteten“ Menschen (Freak Show), exotischen „Völkerschauen“ sowie die Inszenierung "patriotischer Schauspiele". Akrobatikattraktionen Einige besondere Akrobatikattraktionen: Trapez Beim Trapez werden an einer Stange, die an zwei oder mehr Seilen befestigt ist, verschiedene Hänge ausgeführt. Kontorsion Kontorsion wird auch Kautschuk genannt. Hier wird der Körper (meist die Wirbelsäule) extrem gebogen oder extrem gedehnt, zum Beispiel im Spagat oder in Verbiegungen, wie eine weit überdehnte Brücke. Kontorsionisten werden auch Schlangenmenschen genannt. Vertikalseil Das Vertikalseil ist ein tauähnliches Seil, das von der Decke herabhängt. An ihm werden ebenfalls verschiedene Hänge durchgeführt. Neben dem Vertikalseil gibt es noch das Vertikaltuch, das aus einem, eigentlich zwei (am selben Haken befestigten) Tüchern besteht. Durch geschicktes Umwickeln der Körperteile findet man Halt. Das Tuch ist länger als bodenlang, circa zwei Meter, da es auch in aufgewickeltem Zustand auf dem Boden schleifen muss. Schlappseil Das Schlappseil ist ein zwischen zwei festen Punkten lose hängendes Seil. Auf diesem werden im Balancieren verschiedene Kunststücke vorgeführt. Leichte seitliche Schwingbewegungen halten den Artisten im Gleichgewicht. Neben dem Laufen und Drehen auf dem Schlappseil gibt es viele verschiedene Tricks wie Einradfahren, Jonglieren, Hand- und Kopfstand, Schwingen und Rolla-Rolla. Draht- bzw. Hochseillauf Auf dem gespannten Drahtseil wird balanciert, klassische Utensilien sind Fächer oder Schirm. Eine weitere Hilfe ist die Balancierstange, sie ist aber erst auf dem Hochseil wirklich von Nutzen, besonders wenn im Freien oder mit einem Zweiten auf den Schultern gearbeitet wird. In Amateurzirkussen werden dazu oft Hochsprungstangen benutzt. Auf dem gespannten Drahtseil können auch Radschläge, Bögen, Spagat oder Sprünge gemacht werden, man kann mit einem speziell präparierten Einrad darauf fahren oder mit einem Stuhl darauf sitzen. Leiterakrobatik Bei der Leiterakrobatik werden an ein oder zwei Leitern Handstände, Kopfstände oder sogenannte Absteher vollführt. Jonglage Unter Jonglage fallen alle Nummern, die auf dem geschickten Werfen oder Manipulieren (z.B. Drehen, Schlagen, Balancieren) von Gegenständen basieren. Solche Gegenstände sind zum Beispiel Bälle, Keulen, Ringe, Diabolos, Teller, Hüte, Devil Sticks und Cigar Boxes. Außerdem unterschieden wird die Kontaktjonglage. Tierdressur Kleintierdressur Auftritte von Hunden, Ziegen, Schweinen, Katzen, Papageien und anderen kleineren dressierbaren Tierarten. Oftmals werden die Tiere in eine komische Nummer (Clownerie oder Slapstick) integriert. Pferdedressur Im Circus werden neben der „Hohen Schule“ (Dressurreiten) auch Freiheitsdressur (eine Gruppe von Pferden, die Walzerlaufen, Achterlaufen, Gegenlaufen, Steigen, Pirouette etc. zeigen), Ungarische Post (ein Reiter hält auf einem Pferd stehend, die Zügel von mehreren weiteren), Voltigieren oder akrobatische Reitertruppen gezeigt. Exotendressur Kamele, Zebras, Rinder, zeigen als Dressurgruppe Figurenlaufen oder werden als „Exotentableau“ teilweise auch mit Giraffen, Straussen, Antilopen oder Flusspferden in der Manege präsentiert. Seelöwen werden humoristisch vorgeführt. Elefanten werden beritten und in Dressurgruppen gezeigt. Raubtierdressur Großkatzen (Löwen, Tiger seltener auch Leopard, Puma oder Jaguar) und Bären werden im Zentralkäfig vorgeführt, der über den Laufgang mit Gehegewagen und Außengehege verbunden ist. Mit Raubtieren wird meistens auf Distanz gearbeitet. Mögliche Kunststücke sind Balkenlaufen, Sprünge z.B. über Hürden, von Podest zu Podest und über Artgenossen, „lebender Teppich“ (= Abliegen), Hochsitz, Hochstehen, Löwen- oder Tigerbar (= Hochstehen am Balken) etc. Bekannte Zirkusse Circus Barum (historisch) Circus Busch Circus Busch-Roland Zirkus Charles Knie Circus Flic Flac Circus Fliegenpilz Circus Knie Circus Krone Circus Lorch (historisch) Circus Monti Zirkus Probst Circus Renz Circus Rosai (historisch]) Circus Roncalli Cirque du Soleil Circus Sarrasani Großer Moskauer Staatszirkus Nikulin-Zirkus Die verschiedenen Unternehmen von P. T. Barnum (historisch) Die verschiedenen Zirkusse der Zirkusdynastie Althoff Zu den bekanntesten Zirkussen gehören in Deutschland unter anderem Circus Krone, Circus Rudolf Probst, Zirkus Charles Knie, Circus Roncalli und Circus Flic Flac sowie in der Schweiz unter anderem Circus Knie, Circus Nock, Circus Monti und Circus Medrano. Zeitweise zeigen Agenturen Zirkusproduktionen mit Artistik aus China, Russland, Afrika und der Mongolei. Seit Mitte der 90er Jahre sind in Deutschland Weihnachtszirkusse in Mode gekommen, die vornehmlich von den klassischen Zirkusunternehmen präsentiert werden. In Deutschland bekannte Kinderzirkusse sind beispielsweise der Zirkus der Phantasie LILALU , Kinder- und Jugendcircus Linoluckynelli, Kinderzirkus Giovanni Cabuwazi, Zirkus Kumpulus oder einer der wenigen Kinderzirkusse mit gefährdeten Nutztieren, der Zirkus Pinxetti, in dem Kinder oder Schulen sogar Urlaub machen können. Tierhaltung im Zirkus Seit den 90er Jahren wird die Zirkuswelt mit der Kritik von Tierschützern konfrontiert. Tierrechtler werfen den Zirkusbetreibern vor, Tiere, insbesondere exotische Tiere, nicht artgerecht zu halten. Dies sei auch im Rahmen des Zirkusbetriebs gar nicht möglich. Für viele Tiere stellen die vielen Reisen in kleinen Anhängern, die meist 2-3 Auftritte pro Tag und die hohe Geräuschkulisse enormen Stress dar. Ebenfalls unbestritten ist, dass gerade kleine Zirkusse oft nichteinmal mehr das Geld für das Futter der Tiere auftreiben können. Im Zirkus, der ja ständig unterwegs ist, ist es in vielerlei Hinsicht wesentlich schwerer und teurer für ein wenig Auslauf zu sorgen und eine halbwegs artgerechte Tierhaltung sicherzustellen. Für Pferde, Kamelartige, Rinder und Elefanten wurden bei manchen Zirkussen Außengehege mittels Weidezäunen aufgebaut. Seelöwen werden in separat neben dem Beckenwagen aufgestellten Schwimmbecken gehalten. Auch an die Raubtiergehege werden manchmal kleine Außengehege und Wasserbecken angeschlossen. Unbestreitbar ist, dass eine halbwegs artgerechte Tierhaltung eine hohe finanzielle Herausforderung für ein Zirkusunternehmen darstellt, die viele Zirkusse nicht bewältigen können oder auch nicht wollen. In vielen "Kunststückchen" müssen Tiere unnatürliches Verhalten zeigen z.B. durch Feuerreifen springen, obwohl z.B. Tiger panische Angst vor Feuer haben oder auf den Hinterbeinen laufen usw. Unbestritten ist, dass es heute auch Methoden ohne Gewaltanwendung gibt, um Tieren Tricks beizubringen. Die auf körperlicher Gewalt, Futterentzug usw. basierenden Methoden sind jedoch immer noch verbreitet. In Deutschland sollen Kontrollen der Veterinärämter am Gastspielort die Einhaltung des Tierschutzes im Zirkus sicherstellen. Die Rechtsgrundlagen sind aber meist nur unverbindliche Empfehlungen. Hinzu kommt, dass die Stadt, die dann letztlich eingreift, auf den Kosten des Einsatzes sitzen bleibt und so immer wieder der Schwarze Peter weiter geschoben wird. Bekannt geworden ist der Skandal um die Elefanten vom Cirkus Giovanni Althoff. Es gibt heute auch Zirkusse, in denen auf die Verwendung von Tieren ganz verzichtet wird