Studienbuch FU BERLIN 1959-62, MEDIZIN & PHILOSOPHIE, viele SIGNATUREN der Prof.

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Sie bieten auf ein Studienbuch (Fachbereich erst Medizin, dann Philosophie ) der Freien Universität Berlin , geführt 1959-1962.

Mit zahlreichen Signaturen der Professoren.

Über zwei Semester Medizin-Studium (WS 1959/60 und WS 1960/61; dazwischen ein Urlaubssemester) und zwei Semester Philosophie-Studium (Sommersemester 1961 und Wintersemester 1961/62).

Ausgestellt für den Studenten Edgar M. (* 1931) aus Oppeln, der schon seit 1954 Medizin studiert hatte. -- Name, Geburtstag und Matrikelnummer wurde nur auf den Fotos zensiert.

Folgende Dozenten haben eigenhändig signiert:

Aus dem Fachbereich Medizin:

- Röntgenologe und Strahlentherapeut Heinz Oeser (1910-1995)

-Arzt und Hygieniker Bernhard Schmidt (1906-2003)

Daneben: Holldack, Lax (Gynäkologe), Neurochirurg Helmut Penzholz (1913-1985) und Pezold (Pathologe).

Aus dem Fachbereich Philosophie:

-Philosoph Dieter Henrich (1927-2022)

-Philosophin und Schriftstellerin Katharina Kanthack (1901-1986): 3 Seminare

-Philosoph Michael Landmann (1913-1984)

-Philosoph und Soziologe Hans-Joachim Lieber (1923-2012)

- Philosoph Wilhelm Weischedel (1905-1975): 2 Seminare.

Zustand: Papier gebräunt und etwas fleckig; in Plastikfolie eingeschlagen. Bitte beachten Sie auch die Bilder am Ende der Artikelbeschreibung!

Interner Vermerk: Ostbhf 22-09 Zeugnis Autogramm Wissenschaft

Über Henrich, Kanthack, Landmann, Lieber, Oeser, Schmidt und Weischedel:

Dieter Henrich (* 5. Januar 1927 in Marburg; † 17. Dezember 2022 in München) war ein deutscher Philosoph. Insbesondere seine umfangreichen Studien zum Deutschen Idealismus und seine systematischen Analysen der Subjektivität haben philosophische Debatten in Deutschland geprägt. Eine Reihe seiner weit über zweihundert Publikationen wurde in andere Sprachen übersetzt.

Leben: Nach seinem Abitur 1946 am humanistischen Gymnasium Philippinum in Marburg studierte er von 1946 bis 1950 Philosophie, Geschichte und Soziologie in Marburg, Frankfurt und Heidelberg. Im Jahre 1950 wurde er bei Hans-Georg Gadamer an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg mit einer Arbeit über Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers zum Dr. phil. promoviert, die 1952 veröffentlicht wurde. In Heidelberg leitete er das Collegium Academicum.

Henrichs Habilitation erfolgte 1956 mit der Schrift Selbstbewusstsein und Sittlichkeit. Anschließend lehrte er an verschiedenen Universitäten. Im Jahre 1960 wurde er ordentlicher Professor in Berlin, 1965 dann in Heidelberg. 1968 wurde ihm eine Professur an der Columbia University angeboten, die er ablehnte. Stattdessen nahm er in den USA ständige Gastprofessuren an: von 1968 bis 1972 an der Columbia University, von 1973 bis 1986 an der Harvard University. Zudem hatte er Gastprofessuren an der Universität Tokio, University of Michigan und der Yale University inne. Während seiner Jahre in den Vereinigten Staaten kam er in engen Kontakt mit vielen herausragenden analytischen Philosophen wie Roderick M. Chisholm (den er später nach Heidelberg einlud), Willard van Orman Quine, Hilary Putnam und Donald Davidson. 1981 nahm er eine Berufung an die Ludwig-Maximilians-Universität München an, wo er bis zu seiner Emeritierung 1994 Ordinarius für Philosophie war. 1984 wurde er als ordentliches Mitglied in die Bayerische Akademie der Wissenschaften gewählt, wo ihm 1987 die Leitung der Kommission für die Herausgabe der Schriften von Friedrich Heinrich Jacobi übertragen wurde.

Nach seiner Emeritierung an der LMU im Jahre 1994 leitete er weiterhin die Forschungsstelle Klassische Deutsche Philosophie. Seit 1997 war er Honorarprofessor der Humboldt-Universität zu Berlin. Darüber hinaus war Henrich unter anderem seit 1993 Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences, seit 1969 Mitglied im Comité directeur der Internationalen Gesellschaft für Philosophie. Ab 1970 war er Präsident der Internationalen Hegel-Vereinigung.

Werk: Während sich Henrich in seiner Dissertation noch mit Max Webers Wissenschaftstheorie und Wertlehre beschäftigte, konzentrierte er sich danach vor allem auf die Erforschung der Philosophie des Deutschen Idealismus. Die zentralen Personen seiner historischen Analysen waren dabei Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Friedrich Wilhelm Joseph Schelling, Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Friedrich Hölderlin. Henrichs historisches Interesse war dabei stets verbunden mit einem systematischen Interesse an der Frage der Möglichkeit der Metaphysik als philosophischer Hauptdisziplin. Im Rahmen seiner Auseinandersetzung mit der Philosophie des Deutschen Idealismus entwickelte er eigene Ansätze zum Phänomen des Selbstbewusstseins, dem Absoluten, Fragen der Ethik und der Theorie der Kunst.

Henrich äußerte sich auch regelmäßig zu aktuellen politischen Themen. So setzte er sich nach dem Mauerfall mit den Essays Eine Republik Deutschland (1990) und in Nach dem Ende der Teilung (1993) mit dem Problem einer deutschen Identität auseinander und warb für die Einheit.

Philosophie des Selbstbewusstseins: Das zentrale Thema in Henrichs Werk ist die Erforschung des Phänomens des Selbstbewusstseins. Er begründete mit seinen programmatischen philosophischen Arbeiten zusammen mit seinen Schülern Manfred Frank, Konrad Cramer und Ulrich Pothast die von Ernst Tugendhat so genannte „Heidelberger Schule“ des Selbstbewusstseins.

Kritik an den bestehenden Selbstbewusstseinstheorien: Henrich unterscheidet egologische und nicht-egologische Selbstbewusstseinstheorien. Die egologischen Theorien erklären das Selbstbewusstsein als Produkt oder als Vollzug von Reflexionen eines Ego. Zu ihren Vertretern zählt Henrich die Anhänger des klassischen „Reflexionsmodells“: Descartes, Locke, Leibniz, Hume, Rousseau und Hegel, aber auch Fichte, der das von Henrich so genannte „Produktionsmodell“ des Selbstbewusstseins entwickelte. Nicht-egologische Theorien konzipieren das Selbstbewusstsein dagegen als ein subjektloses Phänomen. Henrich zählt dazu die phänomenologischen Theorien von Brentano, Schmalenbach und Sartre.

Kritik egologischer Theorien

Reflexionsmodell: In seiner ursprünglich 1966 in einer Festschrift für Wolfgang Cramer erschienenen Abhandlung Fichtes ursprüngliche Einsicht setzt sich Henrich erstmals eingehend mit dem Problem des Selbstbewusstseins auseinander. Sein Ausgangspunkt ist die Kritik Fichtes am klassischen Reflexionsmodell, der er sich weitgehend anschließt. Fichte ist für Henrich der erste Philosoph, der die Struktur des Selbstbewusstseins zum Gegenstand seiner philosophischen Reflexion gemacht hat. Das Reflexionsmodell erkläre das Selbstbewusstsein als Ergebnis eines reflexiven Akts auf der Basis einer Subjekt-Objekt-Beziehung. Doch um sich auf sich selbst zurückwenden zu können, müsse das Selbst wissen, worauf es sich bezieht. Es müsse also bereits Selbstwissen und damit Selbstbewusstsein besitzen, wenn es sich reflexiv verhalten will. Damit gerät das Reflexionsmodell – so Fichte und mit ihm Henrich – in einen „Zirkel“. Dadurch werde aber das Selbstbewusstsein nicht nur nicht erklärt, sondern „es gibt demzufolge gar kein Bewußtsein“.

Produktionsmodell: Das Gegen-Konzept Fichtes zum Reflexionsmodell geht nach Henrich dagegen von einem Setzungsakt des Ichs aus, wodurch das Entgegengesetzte, das Nicht-Ich, gesetzt wird und das Ich Wissen von sich bzw. dem Selbstbewusstsein hat. Henrich nennt daher Fichtes Modell eine „Theorie des Wissens als Produktion“. Die Begründung des Selbstbewusstseins durch den Setzungsakt eines bereits vorliegenden Selbst sei jedoch ebenfalls zirkulär. Das Wissen von sich, das das Ich durch seinen Setzungsakt erhält, impliziere entweder, dass das Ich entweder bereits ein Wissen von sich voraussetzt, um sich mit sich selbst identifizieren zu können, oder es komme zu keiner Identifikation, falls ein solches Wissen noch nicht besteht.

Kritik nicht-egologischer Theorien: Nicht-egologische Theorien fassen nach Henrich das Selbstbewusstsein als ein subjektloses Phänomen auf. Sie gehen davon aus, dass das Selbstbewusstsein ohne Anwesenheit eines Ego bzw. Subjekts zustande kommt. Das Bewusstsein wird als „eine Relation von jeweils einzelnen Inhalten oder Daten zu sich selbst“ konzipiert. Das Selbstbewusstsein entstehe dabei ohne reflexive Zuwendung eines Ichs, als ein objektiver Prozess individueller Bewusstseins-Elemente. Henrich kritisiert an den nicht-egologischen Theorien, dass sie den Sachverhalt des Bewusstseins letztlich nicht erklären können. Im Bewusstsein finde sich immer ein Akteur, dessen Aktivität das Selbstbewusstsein erzeugt: „Bewusstsein ist nämlich immer Gewahren einer Relation zwischen verschiedenen Gegebenheiten. Ohne dass sich eine von der anderen abhebt, tritt Bewusstsein faktisch niemals auf. Das macht seine synthetische Struktur aus, die vor allem von Kant theoretisch ausgebeutet wurde“.

Entwicklung einer eigenen Theorie des Selbstbewusstseins

Beziehungsfreies Selbstbewusstsein: In seinem 1970 erschienenen Aufsatz Selbstbewusstsein. Kritische Einleitung in eine Theorie entwickelt Henrich gegen die traditionellen Konzepte das Modell eines beziehungsfreien Selbstbewusstseins. Er geht aus von der täglichen Erfahrung mit dem Phänomen des Selbstbewusstseins, in der es nur durch seine Wirkung in Erscheinung tritt. Das Selbstbewusstsein kann nicht an sich erfahren werden, da es kein isoliertes Phänomen ist, sondern nur durch einen anderen Sachverhalt, der vom Selbstbewusstsein ermöglicht wurde. Das Selbstbewusstsein ist nach Henrich präreflexiv, weil es vor jedem Reflexionsakt schon da ist. Es ist zugleich die Voraussetzung aller unserer theoretischen und praktischen Aktivitäten. Henrich betont den Aspekt der unmittelbaren Vertrautheit mit unserem Selbstbewusstsein. Diese übertrifft die Vertrautheit, die wir mit allen anderen Sachverhalten haben: „Die Vertrautheit mit Bewusstsein kann überhaupt nicht als Resultat eines Unternehmens verstanden werden. Sie liegt ja schon vor, wenn Bewusstsein eintritt. Und niemand wird sagen, er habe in der Weise versucht, zu Bewusstsein zu kommen, in der er sich um Introspektion, Reflexion und Beobachtung bemühen kann“. Da das Selbstbewusstsein schon immer und unmittelbar gegeben ist, hat es für Henrich einen „ich-losen“ Charakter. Es ist „anonym und keinesfalls Eigentum oder Leistung des Selbst“. Implizit gehört das Selbstbewusstsein aber immer schon zu einem Ich und kann von diesem expliziert werden, um eine objektive Erfahrung zu bilden.

Bewusstsein, Selbstsein, reflexives Wissen: In seinem lange Zeit unpublizierten Text Selbstsein und Bewusstsein[ von 1971 korrigiert Henrich noch einmal seine Selbstbewusstseinskonzeption. Er erklärt darin das Zustandekommen des Selbstbewusstseins als Resultat objektiv neuronaler Prozesse: „Wenn aber, was offenbar scheint, Gehirnstruktur und Bewusstseinsstruktur aufeinander beziehbar bleiben müssen, so kann keine Rede mehr sein von einem Selbst oder einer Person, das oder die in Beziehung auf das Bewusstsein bestünde. Das Gehirn hat in ihm selbst keinen Eigentümer. Es fungiert. Wohl aber kann gesagt werden, dass in seinem Fungieren etwas geschieht, das mit dem korrespondiert, was ‚Bewusstsein‘ genannt wird“. Henrich führt drei Elemente des Selbstbewusstseins an: „Bewusstsein“, „Selbstsein“ und den „formalen Selbstbezug im Wissen“. Diese drei Elemente sind zwar grundsätzlich getrennt, wirken aber in einem Prozess zusammen. Das Bewusstsein versteht Henrich als ich-losen „Raum“, „in dem etwas auftaucht“. Im Bewusstsein finden dann Aktivitäten statt, die sich als Ereignisse, Ereigniskomplexe oder Prozesse äußern können. Diese Aktivitäten führen zu einem grundsätzlichen Wandel im Bewusstsein: das präreflexive und anonyme Bewusstsein wird zu einem reflexiven Bewusstsein. Henrich nennt diese artikulierende Aktivität „Selbstsein“. Die Beziehung zwischen dem Bewusstsein und dem Selbstsein stellt Henrich durch ein drittes Element des Selbstbewusstseins her, das in der formalen Selbstbeziehung im Wissen besteht. Diese Selbstbeziehung können wir letztlich nicht mehr „weiter explizieren“, sie bleibt für Henrich im Dunkeln. Diesen Aspekt betont er später noch einmal in seinem Aufsatz Dunkelheit und Vergewisserung, in dem er explizit die Unmöglichkeit hervorhebt, die Grundstruktur des Selbstbewusstseins zu erschließen: „Wir wissen in vollkommener, unübersteigbarer Klarheit, DASS wir sind, und in einem Sinn, der genauer einzugrenzen wäre, auch WER wir sind. Wir wissen aber nichts über den Ursprung und die innere Möglichkeit solchen Wissens, also nichts über irgendwelche Funktionen, über die sich solches Selbst-Wissen ausbildet. Die Bedingungen und die Weise des Eintretens von Selbstverhältnis sind innerhalb des Grundverhältnisses schlechtweg im Dunkeln“. Henrich sieht darin Ähnlichkeiten seiner Gedanken mit der Philosophie des Ostens.

Das Sein als der Grund des Selbstbewusstseins: Um eine philosophische Begründung für die Unmittelbarkeit und die Undenkbarkeit des Selbstbewusstseins zu finden, wendet sich Henrich zunächst der Philosophie des Ostens und der Mystik zu. Mit der Mystik sei es möglich, „eine Beschreibung der Welt als ganzer zu gewinnen“. Sein weiteres Interesse gilt dann aber nicht der Mystik, sondern der Philosophie Hölderlins. Den Ausgangspunkt bietet eine zweiseitige Notiz Hölderlins mit dem Titel Urteil und Sein. Henrich schließt sich der Auffassung Hölderlins an, dass dem Bewusstsein ein Grund vorausliegen müsse, der nicht selbst die Verfassung von Bewusstsein hat. Das Selbstbewusstsein hat für Henrich im Anschluss an Hölderlin die Struktur, dass sich ein Ich-Subjekt auf ein Ich-Objekt bezieht. In dieser Differenz bleibt das Selbstbewusstsein dennoch mit sich identisch. Die Identität und die Differenz von Ich-Subjekt und Ich-Objekt müssen als „Produkt der Teilung einer vorgängigen Einheit“ gedacht werden. Diese Einheit ist für Hölderlin und Henrich das Sein. Das Sein ist als der Grund des Selbstbewusstseins und des Denkens selbst undenkbar. Es manifestiert sich im Selbstbewusstsein, ist aber selbst ich-los und setzt kein Subjekt voraus.

All-Einheitsontologie: Henrich entwickelt nun aus seinem neuen Ansatz des Seins als Ursprung des Selbstbewusstseins eine „All-Einheitsontologie“. Diese soll aus einer umfassenden Perspektive die Realität als Ganzes beschreiben. Das Bedürfnis danach kommt nach Henrich aus dem Wesen des Menschen selbst. Die Menschen wollen sich ihrer selbst vergewissern, was innerhalb ihrer alltäglichen, reduzierten Erfahrungen nicht erreicht werden kann. Wir kommen nicht umhin, „die Welt als Ganze zu denken und aus diesem Gedanken die uns vertraute Wirklichkeit zu verstehen“[. Die Einheit der Welt ist mit unserer bewussten Selbstbeziehung verflochten. Das Subjekt fungiert dabei als „das Zentrum aller Zuschreibung überhaupt, sowohl zur Person als auch zu irgendeinem anderen Einzelnen in der Welt“. Das Ziel der All-Einheitsontologie ist es, ein bewusstes Leben zu führen, das heißt, sich nicht den Antrieben, die gerade dominieren, und den Nötigungen des Alltags zu überlassen.

Philosophiegeschichtliche Arbeiten

Konstellationsforschung: In seinen historischen Arbeiten zur Philosophie des Deutschen Idealismus verwendet Henrich die Methode der „Konstellationsforschung“. Es geht ihm nicht in erster Linie um die Entwicklung der Gedanken eines einzelnen Denkers, sondern um die relevanten Konstellationen des Denkraums, in dem die philosophischen Gedanken entstanden sind. Dabei berücksichtigt er neben den philosophischen Werken der untersuchten Personen auch ihre Briefe und die in ihrem Umfeld geführten Diskussionen und Gespräche. Henrich unterscheidet zwei Arten von Konstellationen: „zum einen die Konstellation zwischen den Begriff- und Systembildungen der großen Theorien und zum anderen die Konstellationen des philosophischen Gesprächs, die für die Ausbildung der Systeme nach Kant und Fichte und wohl auch für Fichtes eigenen Weg in Jena und über Jena hinaus eine nicht ignorable Bedeutung gehabt habe“. Eines der wichtigsten Ergebnisse dieser Forschung ist die Entdeckung der Rolle Hölderlins in der Entwicklung der nachkantischen Philosophie.

Grundlegung aus dem Ich: Im Kant-Jahr 2004 veröffentlichte Henrich sein historisches Hauptwerk Grundlegung aus dem Ich, in dem er die Genese des Deutschen Idealismus rekonstruierte. Das Werk ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Recherche zu den von ihm entdeckten Papieren des Tübinger Kantianers Immanuel Carl Diez. Henrichs Leitfrage ist, wie es dazu kam, dass sich schon kurz nach dem Erscheinen von Kants Hauptwerken eine neue philosophische Bewegung bilden konnte. Er untersucht dabei die Rolle einer Reihe von bedeutenden, aber weniger bekannten Gestalten, die dem eigentlichen Idealismus vorausgingen: Johann Benjamin Erhard, Friedrich Gottlieb Süskind, Friedrich Immanuel Niethammer und vor allem Immanuel Carl Diez, der am Tübinger Stift Hölderlin und Hegel zu seinen Zuhörern zählte.

Werke im Werden: In Werke im Werden (2011) untersucht Henrich die Entstehung von philosophischen Konzeptionen. Sein Ziel ist es, wesentliche Züge des Werdens von „Hauptwerken“ der Philosophie herauszuarbeiten. Diese müssen nach Henrich folgende Kriterien erfüllen:

Sie haben ihren Ursprung in einer plötzlichen, sich einmalig im Leben einstellenden philosophischen Einsicht.

Die philosophische Einsicht mündet in eine „philosophische Konzeption“, die für das weitere Leben des Autors relevant ist.

Die Konzeption ist von einem Gestaltungsplan getragen (z. B. als Gerichtsprozess in Kants Kritik der reinen Vernunft).

Das Werk verändert „die Horizonte des Denkens“ in seiner Zeit und darüber hinaus.

Als Beispiele für solche „Hauptwerke“ nennt Henrich Descartes’ Meditationen, Spinozas Ethik, Kants Kritik der reinen Vernunft, Hegels Phänomenologie des Geistes, Hobbes’ Leviathan, Heideggers Sein und Zeit sowie Wittgensteins Philosophische Untersuchungen. Philosophischen Einsichten geht die Erfahrung eines Defizits und anhaltendes Nachdenken darüber voraus. Die gewonnene Einsicht muss sich dann bewähren und einem Prozess anhaltender Begründung unterzogen werden, will sie über den Status dessen hinausgehen, was Henrich „Sekundenphilosophie“ nennt. Philosophische Einsichten gelingen nach Henrich zumeist „in jüngeren Jahren des Lebens“. Wer sie einmal gewonnen hat, verliere meist die Offenheit für neue Entdeckungen; dieselbe Deutlichkeit lasse „sich kaum je wiedergewinnen“. Zumeist bedürfen Philosophen zur Herausbildung ihrer Gedanken eines „Gegenspielers“, denn kein großes philosophisches Werk werde so einfach „aus dem Kopf herausgewunden“

Rezeption: Henrich gilt sowohl in der englischsprachigen als auch in der kontinentalen Tradition als Hauptvertreter der heutigen Selbstbewusstseinsrenaissance.[ Dan Zahavi charakterisierte Henrichs Beitrag zur Klärung des Selbstbewusstseins als einen der wichtigsten in der neueren deutschen Philosophie. Henrich beeinflusste mit seinen Arbeiten zum Problem des Selbstbewusstseins auch Vertreter der sprachanalytischen Philosophie wie Hector-Neri Castañeda und Roderick M. Chisholm. Er trug damit wesentlich dazu bei, die anglo-amerikanische analytische Philosophie und die kontinentale Philosophie zusammenzubringen. Seine Arbeiten bildeten den Anstoß für eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Selbstbewusstseins in der Philosophie des Geistes.

Henrichs Selbstbewusstseinskonzeption wurde von seinen Nachfolgern und jüngeren Selbstbewusstseinstheoretikern wie Ulrich Pothast, Manfred Frank und Saskia Wendel aufgenommen und weiterentwickelt. Ernst Tugendhat kritisierte hingegen in seinem Werk Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung Henrichs Konzeption des Selbstbewusstseins. Von Jürgen Habermas wurde Henrich einer konservativen „Rückkehr zur Metaphysik“ bezichtigt.

In philosophiegeschichtlicher Hinsicht wurde Henrichs bedeutende Rolle für die Neuentdeckung der philosophischen Relevanz der Epoche des Deutschen Idealismus, vor allem der Philosophie Fichtes, hervorgehoben.

Mitgliedschaften und Ämter

1971: Ordentliches Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften

1984: Senator der Universität München

1984: Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

1989: Mitglied der Academia Europaea

1993: Ausländisches Ehrenmitglied der American Academy of Arts and Sciences

1998: Ordentliches Mitglied der Académie Internationale de Philosophie de l’Art

Ehrungen und Auszeichnungen

1995: Friedrich-Hölderlin-Preis der Universität und der Universitätsstadt Tübingen

1999: Ehrendoktorwürde der Theologie der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

2003: Hegel-Preis der Stadt Stuttgart

2002: Ehrendoktorwürde der Theologie der Philipps-Universität Marburg

2004: Internationaler Kant-Preis der Zeit-Stiftung

2005: Ehrendoktorwürde der Philosophie der Universität Jena

2006: Deutscher Sprachpreis

2006: Bayerischer Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst

2008: Dr. Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen

2008: Kuno-Fischer-Preis der Universität Heidelberg

Schriften

Die Einheit der Wissenschaftslehre Max Webers, Tübingen 1952.

Selbstbewußtsein und Sittlichkeit. Habilitationsschrift (Schreibmaschinenskript), Heidelberg 1956.

Der ontologische Gottesbeweis, Tübingen 1960.

Fichtes ursprüngliche Einsicht, Klostermann, Frankfurt am Main 1967.

Hegel im Kontext. Frankfurt: Suhrkamp, 1971.

Identität und Objektivität, Heidelberg 1976.

Fluchtlinien. Philosophische Essays. Frankfurt am Main 1982.

Selbstverhältnisse. Gedanken und Auslegungen zu den Grundlagen der klassischen deutschen Philosophie. Stuttgart 1982.

als Hrsg. mit Wolfgang Iser: Funktionen des Fiktiven. München 1983.

Der Gang des Andenkens. Beobachtungen zu Hölderlins Gedicht. Stuttgart 1986.

Ethik zum nuklearen Frieden. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1990. ISBN 3-518-58017-5.

Konstellationen. Probleme und Debatten am Ursprung der idealistischen Philosophie (1789–1795). Stuttgart: Klett-Cotta, 1991. ISBN 3-608-91360-2.

Der Grund im Bewußtsein. Untersuchungen zu Hölderlins Denken (1794/95). Stuttgart: Klett-Cotta, 1992. ISBN 3-608-91613-X (2. erw. Aufl. 2004).

Bewußtes Leben. Untersuchungen zum Verhältnis von Subjektivität und Metaphysik, Reclam, Stuttgart 1999.

Versuch über Kunst und Leben. Subjektivität – Weltverstehen – Kunst. München: Carl Hanser, 2001. ISBN 3-446-19857-1.

Fixpunkte. Abhandlungen und Essays zur Theorie der Kunst. Frankfurt: Suhrkamp, 2003. ISBN 3-518-29210-2.

Grundlegung aus dem Ich. Untersuchungen zur Vorgeschichte des Idealismus. Tübingen – Jena 1790–1794. Frankfurt: Suhrkamp, 2004. ISBN 3-518-58384-0.

Die Philosophie im Prozeß der Kultur. Frankfurt: Suhrkamp, 2006. ISBN 978-3-518-29412-3.

Denken und Selbstsein. Vorlesungen über Subjektivität. Frankfurt: Suhrkamp, 2007. ISBN 978-3-518-58481-1.

Endlichkeit und Sammlung des Lebens. Mohr Siebeck 2009, ISBN 978-3-16-149948-7.

Werke im Werden. Über die Genesis philosophischer Einsichten, C.H. Beck: München, 2011. ISBN 978-3-406-60655-7.

Sterbliche Gedanken. Der Philosoph Dieter Henrich im Gespräch mit Alexandru Bulucz, mit einem Nachwort von Alexandru Bulucz, Frankfurt am Main (Edition Faust) 2015 (= Einsichten im Dialog I). ISBN 978-3-945400-10-4.

Sein oder Nichts. Erkundungen um Samuel Beckett und Hölderlin, C.H. Beck: München, 2016. ISBN 978-3-406-66324-6.

Dies Ich, das viel besagt. Fichtes Einsicht nachdenken, Klostermann: Frankfurt, 2019. ISBN 978-3-465-04317-1.

Ins Denken ziehen. Eine philosophische Autobiographie. C.H. Beck: München, 2021. ISBN 978-3-406-75642-9.

Furcht ist nicht in der Liebe. Philosophische Betrachtungen zu einem Satz des Evangelisten Johannes. Vittorio Klostermann: Frankfurt am Main, 2022. ISBN 978-3-465-03418-6.

Katharina Kanthack (* 7. November 1901 in Berlin als Katharina Heufelder; † 26. Februar 1986 in Marburg) war eine deutsche Philosophin und Schriftstellerin.

Leben: Katharina Kanthack (geborene Heufelder) war die Tochter eines Berliner Bankiers. Sie studierte ab 1921 an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Germanistik und Kunstgeschichte und später auch Philosophie und Anglistik. 1928 promovierte sie bei Max Dessoir mit der Arbeit Der architektonische Raum.

Katharina Kanthack habilitierte sich über das Thema Die psychische Kausalität und ihre Bedeutung für das Leibnizsche System. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde das Habilitationsverfahren im Jahr 1933 ausgesetzt.

Sie heiratete und bekam zwei Söhne.

Über das Porträt, also die Darstellung der Persönlichkeit, erschloss sie das Werk von Gottfried Wilhelm Leibniz, Max Scheler, Martin Heidegger und Nicolai Hartmann und entwickelte in kritischer Auseinandersetzung mit deren Philosophie ihr eigenes Werk. Sie gilt allgemein als Schülerin Heideggers, da sie in ihren Marburger Vorlesungen immer wieder auf ihn referenzierte.

Ihre Habilitationsschrift erschien 1939. Erst 1950 wurde Katharina Kanthack im Wege eines Nachhabilitationsverfahrens an der Freien Universität Berlin habilitiert. Sie war die erste Frau, die sich an der Freien Universität Berlin habilitierte und erhielt eine apl. Prof. für reine Philosophie. Nach der Emeritierung 1967 hielt sie von 1976 bis 1984 Vorlesungen an der Philipps-Universität in Marburg.

Arbeiten zur Literaturästhetik: In ihrem Artikel Zum Wesen des Romans führt Kanthack aus, dass der Unterhaltungsroman ein Kulturgut von hoher Bedeutung sei und die Möglichkeit bietet, Menschen geistig zu lenken und zu beeinflussen. Sie unternimmt eine Abgrenzung zwischen dem Unterhaltungsroman und dem echten Kunstwerk. Dabei sucht sie nach den Kriterien des eigentlichen Kunstwerks auf dem Gebiet der Prosaepik. Die Darstellung der drei Momente Genesis, Individualisierung und Entfaltung würden weder in der Lyrik noch in der Dramatik erfüllt. Dies sei nur in der Epik möglich. Die Epik erscheint in der Ausdrucksform der Prosa. Daraus entsteht der Roman und die Novelle. Große Werke der Romankunst stellten wertvolle Induktionsinstanzen für die Erklärungsversuche der Psychologie dar. Sie unterscheidet dabei die introspektive, transpektive und die behavioristische Darstellungsweise.

Im Aufsatz Idee und Form im Werke Knut Hamsuns setzt sie sich mit den zweipolaren Gegebenheiten auseinander, die sie in der Phantasie des Schaffenden und der Phantasie des Lesenden sieht. Sie zergliedert zunächst das Ideenhafte im Werk Hamsuns. Der tragische Konflikt kann sich grundsätzlich in zwei verschiedenen Menschen zeigen, oder aber so verteilen, dass dem einzelnen Menschen die Masse, beispielsweise die Familie, gegenübertritt. Die Gefühls- und Wertwelt Hamsuns sieht sie bestimmt in den beiden wesentlichen Koordinaten Naturversenktheit und Intellektualismus. Sie erkennt in den Werken von Hamsuns eine behavioristische Darstellungsweise, da nicht die Affekte als solche beschrieben werden, sondern Affekthandlungen geschildert werden.

Neben diesen Arbeiten zur Literaturästhetik veröffentlichte sie auch eigene literarische Werke wie Die Söhne Pans, Gaston Remis, Über den Mut und das illustrierte Gedichtbüchlein Buch der Entgleisung mit Miniaturen mit philosophischem Unterton.

Philosophische Arbeiten: In ihren Werken über Gottfried Wilhelm Leibniz setzt sie sich mit der Metaphysik auseinander. Sie unternimmt dabei eine systematische Darstellung und Einordnung der Monadologie in das Denken der Neuzeit. Sie sieht Leibniz’ Philosophie begründet in seinem eigenen Leben, seinem wissenschaftlichen Interesse und seinem kosmopolitischen Lebenssinn. In ihrer Arbeit weist sie Leibniz eine vermittelnde Position zu, zwischen dem Form-Materie-Schema von Aristoteles und der systemischen Transformation des Substanzbegriffes in den Bereich der formgebenden Kategorien des Verstandes durch Immanuel Kant.

Mit Max Scheler. Zur Krisis der Ehrfurcht unternimmt sie eine systematische Darstellung und Diskussion des Schelerschen Denkens und gleichzeitig eine kulturkritische Suche nach geistiger Orientierung im Nachkriegs-Deutschland.

In Das Denken Martin Heideggers und Vom Sinn der Selbsterkenntnis setzt sich Katharina Kanthauck mit der Metaphysik auseinander und sie entwirft eine Philosophie ethischen Werts. In Nicolai Hartmann und das Ende der Ontologie analysiert sie die Erkenntnistheorie kritisch. Eine Auflösung von Zirkelbezügen der Erkenntnistheorie sieht sie in Martin Heideggers Konzept des Daseins. In ihren wichtigsten Publikationen ab 1958 sowie in ihren Marburger Vorlesungen zeigt sich stets das Denken Heideggers als Basis ihrer Philosophie. Kanthack sucht die Philosophie als Ethos des Selbst- und Weltverhältnisses zu etablieren und dadurch rationale Reflexion und Lebenspraxis zu verbinden. Fundament der Begründung ist das Ethos. Somit kann man Haltung nicht erschließen, man muss sich zur Haltung entschließen.

Wichtige Werke

Der architektonische Raum. 1928

Lehre vom überindividuellen Bewußtsein. 1931

Robert F Arnold, Reden und Studien. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. Band 29, 1935, S. 159–160.

Die psychische Kausalität und ihre Bedeutung für das Leibnizsche System. 1939.

Idee und Form im Werke Knut Hamsuns. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. Band 33, 1939, S. 202–225.

Zum Wesen des Romans. In: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft. Band 34, 1940, S. 209–239.

Die Söhne Pans. Carl Schünemann Verlag, Bremen 1941.

Leibniz. Ein Genius der Deutschen. Minerva Verlag, Berlin 1946.

Max Scheler. Zur Krisis der Ehrfurcht. Minerva Verlag, Berlin 1948.

Über den Mut. Gedanken und Gestalten. Cornelsen Verlag, Berlin 1948.

Buch der Entgleisung. Mit Zeichnungen von Horst Breitkreuz. Minverva Verlag, Berlin 1948.

Gaston Remis. Carl Schünemann Verlag, Bremen 1949.

Toleranz als Erziehungsproblem. In: Pädagogische Blätter. Band 4, 1953.

Erkenntnis als Formung bei Leibniz und Kant. In: Kant-Studien. Band 45, 1953/54.

Vom Sinn der Selbsterkenntnis. Walter de Gruyter, Berlin 1958.

Das Denken Martin Heideggers. Walter de Gruyter, Berlin 1959.

Nicolai Hartmann und das Ende der Ontologie. Walter de Gruyter, Berlin 1962.

Angst und Politik im Lichte des Existenzdenkens. In: Politische Psychologie. Europäische Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 1966.

Das Wesen der Dialektik im Lichte Martin Heideggers. In: Studium Generale. Band 21, 1968

Michael Landmann (* 16. Dezember 1913 in Basel; † 25. Januar 1984 in Haifa) war ein jüdischer Schweizer Philosoph. Sein Hauptinteresse galt der philosophischen Anthropologie. Darüber hinaus ist er als Simmel-Forscher bekannt geworden.

Biografie: Michael Landmann war ein Sohn des Nationalökonomen Julius Landmann und der Philosophin Edith Landmann. S ein Bruder ist der Altphilologe Georg Peter Landmann. Seine Eltern zählten zu den Freunden Stefan Georges und hatten Kontakt zum George-Kreis.

Weil sein Vater in Kiel beruflich tätig gewesen war, besuchte Landmann dort von 1927 bis 1933 ein Gymnasium. Nach der Rückkehr in die Schweiz studierte er an der Universität Basel Philosophie, Psychologie, Griechisch und Germanistik bei Herman Schmalenbach, Paul Häberlin und Walter Muschg; zwischendurch studierte er ein Jahr in Paris. 1939 erfolgte seine Promotion mit der Dissertation zum Thema Der Sokratismus als Wertethik. Nach einer Assistententätigkeit bei Schmalenbach und Karl Jaspers habilitierte sich Landmann 1949 bei Otto Friedrich Bollnow in Mainz mit der Arbeit Problematik. Nichtwissen und Wissensverlangen im philosophischen Bewußtsein. Nach kurzer Lehrtätigkeit in Mainz war Michael Landmann von 1951 bis 1978 Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin. Nach der Emeritierung siedelte er nach Haifa in Israel über, wo er bereits 1972/73 Gastprofessor war.

Michael Landmann war seit 1939 verheiratet mit der Schriftstellerin und Journalistin Salcia Landmann, geb. Passweg. Ihr gemeinsamer Sohn ist der Rechtsanwalt Valentin Landmann.

Werke (Auswahl)

Der Sokratismus als Wertethik. Der hohen Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Basel zur Erlangung der Doktorwürde als Dissertation vorgelegt. Dissertationsverlag Knobel, Dornach (Sol.) 1943.

Problematik. Nichtwissen und Wissensverlangen im philosophischen Bewusstsein. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1949.

Elenktik und Maieutik. Drei Abhandlungen zur antiken Psychologie. Bouvier, Bonn 1950.

Erkenntnis und Erlebnis. Phänomenologische Studien. Walter de Gruyter, Berlin 1951.

Geist und Leben. Varia Nietzscheana. Bouvier, Bonn 1951.

als Michael Moritz: Atlantiden. Gedichte. Bloch, Berlin 1952.

Das Zeitalter als Schicksal. Die geistesgeschichtliche Kategorie der Epoche. Verlag für Recht und Gesellschaft, Basel 1956.

Das Tier in der Jüdischen Weisung. Lambert Schneider, Heidelberg 1959.

Der Mensch als Schöpfer und Geschöpf der Kultur. Geschichts- und Sozialanthropologie, München, Basel: E. Reinhardt, 1961.

De homine. Der Mensch im Spiegel seines Gedankens. Orbis academicus 1/9, Karl Alber, Freiburg / München 1962.

Pluralität und Antinomie. Kulturelle Grundlagen seelischer Konflikte. Reinhardt, München 1963.

Die Absolute Dichtung. Essays zur philosophischen Poetik. Klett-Cotta, Stuttgart 1963.

Ursprungsbild und Schöpfertat. Zum platonisch-biblischen Gespräch. Nymphenburger, München 1966.

Das Ende des Individuums – Anthropologische Skizzen. Klett, Stuttgart 1971, ISBN 3-12-905240-2

Das Israelpseudos der Pseudolinken. Colloquium, Berlin 1971. Neuauflage mit einem Vorwort von Henryk M. Broder und einem Nachwort von Jan Gerber und Anja Worm: ça ira, Freiburg 2013.

Philosophie – ihr Auftrag und ihre Gebiete, Deutsche Buch-Gemeinschaft, Berlin Darmstadt Wien, ohne Jahr (1972).

Entfremdende Vernunft. Klett, Stuttgart 1975.

Anklage gegen die Vernunft. Klett, Stuttgart 1976.

Neugestaltung der hebräischen Schrift. Bouvier, Bonn 1977.

Erinnerungen an Stefan George. Seine Freundschaft mit Julius und Edith Landmann. Castrum Peregrini Presse, Amsterdam 1980.

Jüdische Miniaturen. Band 1: Messianische Metaphysik. Band 2: Israelische Streitschriften und Tagebücher. Bouvier, Bonn 1982.

Philosophische Anthropologie. Menschliche Selbstdeutung in Geschichte und Gegenwart. 5. Aufl. de Gruyter Berlin u. a. 1982.

Figuren um Stefan George. 2 Bände. Castrum Peregrini Presse, Amsterdam 1982–1988.

Was ist Philosophie? 4. Auflage. Bouvier, Bonn 1985.

Fundamental-Anthropologie. Bouvier, Bonn 1979.

Hans-Joachim Lieber (* 27. März 1923 in Trachenberg, Schlesien; † 1. Mai 2012 in Berlin) war ein deutscher Philosoph und Soziologe.

Werdegang: Hans-Joachim Lieber begann Mitte April 1942 sein Stud ium, das er Ende Mai abbrechen musste, da er zu den Gebirgsjägern nach Innsbruck einberufen wurde. Denn 1941 war er Berliner Jugendmeister im Skilanglauf und errang mit der Mannschaft Silber bei den Deutschen Jugendmeisterschaften. Doch aufgrund einer Gelenkversteifung wurde er vom Militärarzt zum Studium nach Berlin zurückgeschickt.

Auf Anraten seines Gymnasiallehrers Dr. Karl Kanning studierte er Philosophie, obwohl die Familientradition eine Offiziers- oder Beamtenlaufbahn nahegelegt hätte. Zugleich belegte er Soziologie, obwohl damals Alfred Vierkandt schon emeritiert war, Richard Thurnwald und Wilhelm Emil Mühlmann nur spezielle ethnologische Themen lasen. Immerhin konnte er sich über Max Weber in Soziologie prüfen lassen. Schwerpunkt für die Promotion bildete jedoch die Philosophie, wo er von Sommersemester 1942 bis Wintersemester 1944/45 bei Nicolai Hartmann und Eduard Spranger belegte. Zu Spranger konnte er mithilfe Dr. Kanners einen persönlichen Kontakt aufbauen. Spranger, der zu Beginn des Wintersemesters 44/45 wieder aus der Haft entlassen worden war, schlug das Vorziehen des Beginns der Dissertation vor, um einer möglichen erneuten Einberufung zuvorzukommen, und setzte sich dafür ein, dass die Zulassung der Promotion schon im sechsten Studiensemester erfolgte. Die Dissertation hatte zum Thema Diltheys Theorie der Geisteswissenschaften, die Promotionsurkunde wurde vom Dekan am 2. März 1945 ausgehändigt. Noch zum 1. April 1945 konnte Lieber die von Spranger angebotene Assistentenstelle besetzen.

Er hielt bis 1948 als Assistent am Philosophischen Seminar der Humboldt-Universität Vorlesungen. Dadurch gewann er Kontakt und Vertrauen einiger studentischer Gründungsmitglieder der Freien Universität Berlin, wie Jürgen Fijalkowski, Klaus Heinrich und Georg Kotowski, die er auch bei deren Promotion betreute, und wirkte schließlich selber in diesem Gründungsausschuss mit. Seine Habilitationsschrift über Wissenssoziologie legte er schließlich der Philosophischen Fakultät der Freien Universität vor und erlangte die Lehrerlaubnis für Philosophie und Soziologie. Nachdem der Marxismus in der damals vertretenen Form sich auf eine undifferenzierte Basis-Überbau-Determination reduzierte, begann Lieber, sich immer mehr für die philosophisch-soziologischen Probleme um einen nicht-dogmatisierten Ideologie-Begriff herum zu interessieren, wie einige Veröffentlichungen nach der Habilitation zeigen. Dabei ging es insbesondere um die Gegenüberstellung des sozialkritischen Potenzials im Denken des jungen Marx (Entfremdung) gegenüber dem Marxismus-Leninismus als Herrschaftsideologie. Daraus erwuchs schließlich auch 1959 die textkritische Edition der wichtigsten Marx-Schriften.

Von 1955 bis 1972 war Lieber Professor für Philosophie und Soziologie an der FU Berlin. Aus seinen Lehrveranstaltungen heraus entstanden Dissertationen von Karl Berger[1], Günter W. Remmling, Peter Christian Ludz, Marlies Krüger, Harald Kerber, René Ahlberg, Helmuth G. Bütow, Klaus Meschkat, Gerd Ritter u. a. Ein anderer Themenbereich war der Nationalsozialismus und Faschismus, wo Jürgen Fijalkowskis Studie über Carl Schmitt, Peter Furths Analyse zur Sozialistischen Reichspartei und Theodor Strohms ideologiekritische Auseinandersetzung mit Friedrich Gogartens Theologie erfolgten.

1965 wurde Lieber zum Rektor der FU gewählt. 1972 folgte er einem Ruf als Ordinarius für Philosophie an der Deutschen Sporthochschule Köln, deren Rektor er von 1974 bis 1982 war und deren Ehrendoktor er seit 1993 war. 1988 wurde er emeritiert.

Ehrungen

1980: Verdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland

1985: Großes Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland

Schriften (Auswahl)

Wissen und Gesellschaft. Die Probleme der Wissenssoziologie. Niemeyer, Tübingen 1952.

Die Philosophie des Bolschewismus in den Grundzügen ihrer Entwicklung. Diesterweg, Frankfurt/M. 1957.

Philosophie, Soziologie, Gesellschaft. Gesammelte Studien zum Ideologieproblem. de Gruyter, Berlin 1965.

(als Herausgeber): Ideologienlehre und Wissenssoziologie. Die Diskussion um das Ideologieproblem in den zwanziger Jahren. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1974, ISBN 3-534-03616-6.

Kulturkritik und Lebensphilosophie. Studien zur deutschen Philosophie der Jahrhundertwende. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1974, ISBN 3-534-07009-7.

(als Herausgeber): Ideologie – Wissenschaft – Gesellschaft. Neuere Beiträge zur Diskussion. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1976, ISBN 3-534-05815-2 (falsch).

Ideologie. Eine historisch-systematische Einführung. Schöningh, Paderborn 1985, ISBN 3-506-99232-5.

(als Mitherausgeber): Marx-Lexikon. Zentrale Begriffe der politischen Philosophie von Karl Marx. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, ISBN 3-534-05950-6.

Blick zurück. Biographisches zur Hochschulpolitik in Deutschland 1945 - 1982; eine Dokumentation. Freie Universität, Berlin 1989, ISBN 3-927474-06-1.

(als Herausgeber): Politische Theorien von der Antike bis zur Gegenwart. Olzog, München 1991, ISBN 3-7892-8480-7.

Autobiografische Bemerkungen zur Entwicklung der Soziologie im Nachkriegsdeutschland (1945–1965). In: Christian Fleck, (Hrg.): Wege zur Soziologie nach 1945. Autobiographische Notizen. Leske + Budrich, Opladen 1996, ISBN 3-8100-1660-8. S. 77–98.

Heinz Oeser (* 16. Juni 1910 in Dresden; † 28. Dezember 1995 in Gauting bei München) war ein deutscher Röntgenologe und Strahlentherapeut.

Werdegang: Oeser belegte ein Studium in Freiburg, München, Wien, Berlin. 1934 bekam er ein Staatsexamen in Berlin. Von 1936 bis 1945 war er Nach Approbation und Promotion Wissenschaftlicher Mitarbeiter Röntgenabteilung der Chirurgischen Klinik der Charité in Berlin. 1949 war er außerordentlicher Professor für Röntgenologie und Strahlenheilkunde an der Medizinischen Fakultät der Freien Universität Berlin. Von 1950 bis 1969 war Oeser Direktor des Strahleninstituts am Städtischen Krankenhaus Westend in Berlin-Charlottenburg. 1966 war Oeser Präsident der Deutschen Röntgen Gesellschaft. 1966 wurde Oeser ordentlicher Professor und Berufung an die Strahlenklinik des Universitätsklinikums Steglitz der FU Berlin. 1970–1978 war er Leiter der Strahlenklinik des Universitätsklinikums Steglitz der FU Berlin, 1960–1972 und 1983 Vorstand der Berliner Röntgengesellschaft.

Ehrungen

1976: Johann-Georg-Zimmermann-Preis,

1986: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse

Bernhard Schmidt (* 20. Mai 1906 in Magdeburg; † 23. September 2003 in Esslingen am Neckar) war ein deutscher Arzt, Hygieniker und Hochschullehrer.

Leben: Bernhard Schmidt, der Sohn des Magdeburger Druckereibesitzers Emil Schmidt, legte 1925 das Abitur am Hessischen Realgymnasium in Mainz ab. Schmidt, der danach in die Reichswehr eintrat, belegte die Studien der Chemie und Naturwissenschaften an der Universität Gießen, wechselte 1927 zu den Studien der Medizin und Chemie an die Universität München, ehe er das Staatsexamen ablegte und 1932 zum Dr. med. promoviert wurde. In der Folge erhielt er eine Facharztausbildung für Hygiene und Bakteriologie, 1939 erfolgte seine Habilitation an der Georg-August-Universität Göttingen und darauffolgend eine Dozententätigkeit. Nachdem er im Anschluss an die Militärische Akademie in Berlin kommandiert worden war, wurde er auf Ersuchen der Heeressanitätsinspektion an die Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin umhabilitiert.

Während des Zweiten Weltkrieges war er von 1940 bis 1944 als Hygieniker beratend bei der Heeressanitätsinspektion tätig sowie Gruppenleiter der Abteilung Wissenschaft und Gesundheitsführung.

Nach der Kriegsgefangenschaft wurde Schmidt im März 1946 zum Abteilungsvorsteher am Hygienischen Institut der Stadt und der Universität Frankfurt am Main bestellt und dort 1948 zum außerplanmäßigen Professor berufen. 1953 folgte Schmidt dem Ruf auf das Ordinariat für Hygiene an die Freie Universität Berlin und die Leitung des Medizinaluntersuchungsamtes in Wedding, 1974 erfolgte seine Emeritierung. Schmidt, der 1978 mit der von der Rudolf Schülke Stiftung verliehenen Hygieia Medaille für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde, lieferte zahlreiche wissenschaftliche Beiträge zu den Gebieten Hygiene, Bakteriologie, Serologie sowie Virologie.

Schriften

Die hygienische Bedeutung der zentralen und lokalen Versorgungsanlagen (Lebensmittelversorgung, Wasser, Abwasser, Gas, Elektrizität) im Frieden und im Kriege, 1938

Die Ernährung des deutschen Volkes unter besonderer Berücksüchtigung der Ernährung seines Heeres, E.S. Mittler, 1939

Hygienische Gesichtspunkte beim Bau und bei der Einrichtung von Krankenhäusern, 1958

Wilhelm Weischedel (* 11. April 1905 in Frankfurt am Main; † 20. August 1975 in Berlin) war ein deutscher Philosoph und Professor an der Freien Universität Berlin.

Leben: Wilhelm Weischedel, Sohn des Pfarrers Wilhelm Gotthilf Weischedel (1873–1958) und von Catharina Martha Beutter (1881–1951), wuchs in einem pietistischen, schwäbischen Elternhaus auf und besuchte die Schule in Stuttgart, Reutlingen und Elberfeld, wo er am humanistischen Gymnasium Abitur machte. Er studierte an der Universität Marburg zunächst Theologie (Paul Tillich, Rudolf Bultmann) und im weiteren Philosophie (Martin Heidegger, Nicolai Hartmann) und promovierte 1933 bei Heidegger in Freiburg mit einer Arbeit über Das Wesen der Verantwortung.

Aufgrund der politischen Situation (siehe Heidegger und der Nationalsozialismus) kam es zur Entfremdung mit Heidegger, „die nach dem Krieg nur schwer zu überwinden war“. Weischedel erhielt keine Stelle an der Universität und arbeitete zunächst als Aushilfe in der Tübinger Musikbibliothek und anschließend in einem kaufmännischen Büro. 1936 gelang es ihm, sich in Tübingen mit einer Arbeit über Fichte zu habilitieren. Weischedel erhielt das Angebot einer Dozentur, weigerte sich aber, das vorgeschriebene Dozentenlager zu absolvieren. In der Folge war er von 1936 bis 1945 fachfremd als Prüfer bei der Wirtschaftsberatung Deutscher Gemeinden AG (WIBERA) tätig. 1939 wurde seine Habilitationsschrift unter dem Titel Der Aufbruch der Freiheit zur Gemeinschaft veröffentlicht. Das Kriegsende erlebte er in Paris, wo er nach eigenen Angaben von 1942 bis 1944 zwischen dem deutschen und dem französischen Widerstand als Vermittler agierte.

Nach dem Krieg begann Weischedel seine Vorlesungstätigkeit als Dozent und ab 1946 als außerordentlicher Professor in Tübingen und wurde 1953 als ordentlicher Professor an die Freie Universität Berlin berufen. Weischedel wurde 1970 emeritiert.

Wilhelm Weischedel starb 1975 im Alter von 70 Jahren in Berlin. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Zehlendorf.

Weischedel war seit 1934 mit Käte Grunewald verheiratet, die über Johannes Tauler promoviert hatte. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Martina Elisabeth (1935) und Sabine Monika (1938). Weischedel war 1949 Mitbegründer und Mitarbeiter der Studienstiftung des Deutschen Volkes und Gründungsmitglied der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, die ihn seit 1999 mit dem Wilhelm-Weischedel-Fonds ehrt, der mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, Wissenschaft und Kultur zu fördern.

Philosophie: Weischedel vertrat eine eigene existenzphilosophische Position, die sich insbesondere mit dem Skeptizismus und dem Nihilismus auseinandersetzte. Er stand ständig in kritischer Distanz zu christlichen Institutionen, arbeitete aber z. B. mit dem protestantischen Theologen Helmut Gollwitzer eng zusammen. Wichtige Themen für Weischedel waren auch die Technikverantwortung und die Aufarbeitung des Nationalsozialismus.

Weischedel geht davon aus, dass das tiefste Wesen der Wirklichkeit deren radikale Fraglichkeit ist. Die Wirklichkeit und auch das menschliche Leben müssten als ein fragliches Schweben zwischen Sein und Nichtsein, zwischen Sinn und Sinnlosigkeit verstanden werden. Der Mensch als radikal Fragender darf sich mit keiner Antwort zufriedengeben, sondern muss in einem offenen Skeptizismus immer weiterfragend der Fraglichkeit standhalten.

In seinem Hauptwerk Der Gott der Philosophen entwickelt Weischedel eine philosophische Theologie im Zeitalter des Nihilismus, in der er Gott als das, nicht substanzhaft zu denkende, „Vonwoher“ der Fraglichkeit versteht. Das Vonwoher ist das absolute Geschehen, das die Fraglichkeit ermöglicht; die Fraglichkeit führt in die Sinnfrage. Eine Antwort auf die Sinnfrage ergibt sich jeweils durch etwas Sinngebendes. So liegt der Sinn des Schreibens in der Kommunikation, der Sinn der Kommunikation im zwischenmenschlichen Austausch und der Sinn dieses Austauschs im menschlichen Dasein. Diese Kette der Sinngebung kann man fortsetzen, bis man zur Frage nach einem unbedingten Sinngebendem gelangt. Dieses unbedingte Sinngebende ist der Sinnhorizont, den der Skeptiker nicht überschreiten kann. Seine Antwort lautet deshalb: „Gibt es […] einen unbedingten Sinn? Wie könnte der Philosophierende sich gültig davon überzeugen? Schon wenn von einer Gültigkeit für den Philosophierenden gesprochen wird, werden bestimmte Weisen der Annahme eines unbedingten Sinnes ausgeschlossen. So vor allem der religiöse Glaube, der behauptet, in Gott den unbedingten Sinn zu finden. Aber […] der Glaube kann nicht in die Voraussetzungen eines ernstlichen Philosophierens eingehen, sofern dieses sich als radikales Fragen versteht und darum seine Voraussetzungen, auch etwaige glaubensmäßige zu untergraben bemüht sein muß.“ Weil es in der Welt sowohl Sinnhaftes als auch Sinnloses gibt wie Naturkatastrophen, Gewalttaten, Morde und Kriege, führt die Sinnfrage zugleich in das Problem der Theodizee. Das Problem der radikalen Fraglichkeit lässt sich damit philosophisch nicht überwinden, so dass die Gottesfrage offenbleiben muss.

In seiner skeptischen Ethik entwirft Weischedel drei moralische Haltungen, d. h. Tugenden, die sich aus einer Existenz in der radikalen Fraglichkeit ergeben: Dies sind die Grundhaltungen der Offenheit, Verantwortlichkeit und Abschiedlichkeit. Voraussetzung ist, dass der Mensch für sich vier Entscheidungen trifft: den Entschluss zum Skeptizismus, den Entschluss zur Freiheit, den Entschluss zum Dasein sowie den Entschluss zur Gestaltung des Daseins. Für den Skeptiker gibt es keine Letztbegründung für diese Einstellungen. Aus den Grundhaltungen kann der Mensch weitere konkrete Haltungen ableiten. Die Offenheit führt zu Wahrhaftigkeit, Sachlichkeit, Toleranz und Mitleid. Aus der Verantwortlichkeit folgen Solidarität, Gerechtigkeit und Treue. Die Abschiedlichkeit ist die Bereitschaft zum Abschied im ständigen Angesicht des Todes. Sie ist die Vergegenwärtigung der Vergänglichkeit und zugleich die Akzeptanz des Lebens. Sie führt zu einer Grundstimmung einer schwebenden Trauer und einer stillen Melancholie. Die damit verbundenen ethischen Haltungen sind zum einen Entsagung und Demut als die Gegenstücke zu Ehrgeiz, Stolz und Machtgier. Zum zweiten führt die Abschiedlichkeit zu Selbstbeherrschung und Besonnenheit. Im Weiteren ist damit auch die Tugend von Tapferkeit und Mut verbunden. Denn wenn die Bedeutung des eigenen Lebens in den Hintergrund tritt, findet der Mensch Raum, Ängste zu überwinden, Krankheit und Leiden auszuhalten und anderen zu helfen; zum Vierten Großmut und Güte als Fähigkeit, die Unvollkommenheiten seiner Mitmenschen zu ertragen und vergeben zu können. Schließlich ermöglichen Gelassenheit und Geduld das Loslassenkönnen und die Überwindung von Unruhe, Aufregungen und Hast des Alltags.

Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Weischedel vor allem durch sein populärwissenschaftliches Werk Die philosophische Hintertreppe bekannt, in dem er das Leben und Denken von 34 bekannten Philosophen anekdotenreich, auf allgemeinverständliche und durchaus humorvolle Weise darstellt. In der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main befindet sich ein achtseitiges Typoskript Weischedels mit dem Titel „Schüttelreime zum Philosophenfest am 11. Juli 1964“.

Veröffentlichungen

1932 Versuch über das Wesen der Verantwortung. Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg (auch unter dem Titel: Das Wesen der Verantwortung. Ein Versuch, Frankfurt a. M. 1933: Klostermann)

1939 Der Aufbruch der Freiheit zur Gemeinschaft: Studien zur Philosophie d. jungen Fichte. Meiner, Leipzig

1947 Der Abgrund der Endlichkeit und die Grenze der Philosophie: Versuch einer philosophischen Auslegung der "Pensées" des Blaise Pascal. Küpper

1948 Voltaire und das Problem der Geschichte. Gryphius

1950 Wirklichkeit und Wirklichkeiten: Aufsätze und Vorträge. de Gruyter, Berlin

1952 Die Tiefe im Antlitz der Welt: Entwurf einer Metaphysik der Kunst. Mohr, Tübingen

1956 Kant-Werkausgabe in 6 Bänden. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt (1960 im Insel-Verlag)

1964 Schüttelreime zum Philosophenfest am 11. Juli 1964, S. 17–25. In: Sprachspielereien 12, München

1965 mit Helmut Gollwitzer: Denken und Glauben, Ein Streitgespräch. Kohlhammer, Stuttgart

1966 Die philosophische Hintertreppe. Nymphenburger Verlagshandlung, München (erweiterte Ausgabe 1973, ISBN 3-485-00863-X, Neuauflage 2000)

1967 Philosophische Grenzgänge: Vorträge und Essays. Kohlhammer, Stuttgart

1967 In: Manfred Hanke, Die schönsten Schüttelgedichte. S. 58–62: Lotteleien fern von Weimar / Der trunkene Philosoph. Stuttgart: DVA

1971/72 Der Gott der Philosophen. Grundlegung einer philosophischen Theologie im Zeitalter des Nihilismus, 2 Bände, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt (Neuauflage 1998; dtv 1979)

1975 Lob des Alters

1976 Skeptische Ethik. 5. Aufl. Suhrkamp, Frankfurt 1990

Der wissenschaftliche Nachlass Weischedels befindet sich in der Staatsbibliothek zu Berlin (Handschriftenabteilung).

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  • Autogrammart: Schriftstück
  • Herstellungsland und -region: Deutschland
  • Produkttyp: Urkunde & Zeugnis
  • Herstellungszeitraum: 1946-1960

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